Grüner Wasserstoff: Studie zeigt drei zentrale Hindernisse auf
Weltweit gibt es bei grünem Wasserstoff riesige Lücken zwischen Ambition und Umsetzung, so eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).
Zwei Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) haben sich angesehen, wie weltweit der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft mit grünem Wasserstoff funktioniert – oder auch nicht. Immerhin, so das PIK in einer Mitteilung, hätten mehr als 60 Länder in den letzten Jahren Strategien entwickelt, um den Markthochlauf von grünem Wasserstoff, insbesondere im Industriesektor, anzukurbeln. Doch 2023 seien weniger als 10 % der ursprünglich angekündigten Projekte zu grünem Wasserstoff realisiert worden, so das Ergebnis der Studie von Adrian Odenweller und Falko Ueckerdt. Insgesamt seien 1232 Projekte bis 2023 angekündigt, 190 Projekte verfolgten sie über drei Jahre hinweg.
Konkret wurden 2023 weltweit nur 0,3 GW der ursprünglich angekündigten 4,3 GW grüner Wasserstoffkapazitäten installiert. 86 % der Projekte, die bis 2021 angekündigt wurden, waren 2023 verzögert, während 14 % gänzlich verschwanden.
Der Hauptgrund, so das PIK: Grüner Wasserstoff ist nach wie vor teuer, die Zahlungsbereitschaft gering. Hinzu kämen gestiegene Kosten und Unsicherheiten über eine zukünftige Förderung und die Regulatorik, der die Wasserstoffwirtschaft unterliegen würde. Die Studie bestätige diese Wettbewerbslücke für alle 1232 global angekündigten Wasserstoffprojekte, die Odenweller und Ueckerdt berücksichtigten. Beide plädieren daher für eine robuste politische Strategie, die auf realistischen Erwartungen an Wasserstoff basiert und die Umsetzungslücke schließt.
Grüner Wasserstoff braucht viel mehr Fördermittel als gedacht
Nicht, dass sich nichts getan hätte: „In den vergangenen drei Jahren haben sich die globalen Projektankündigungen für grünen Wasserstoff fast verdreifacht“, so Odenweller. Aber nur 7 % der ursprünglich für 2023 angekündigten Produktionskapazität stand dann im Endeffekt auch pünktlich zu Verfügung. Damit alles zu 100 % laufen würde, wäre mehr Geld nötig. Laut Ueckerdt bräuchte es zusätzliche Fördermaßnahmen in Höhe von etwa 1,3 Billionen $, um alle angekündigten Projekte zu grünem Wasserstoff bis 2030 zu realisieren.
Da dauerhafte Subventionen keine Lösung seien, raten die beiden Forscher, grünen Wasserstoff über Quoten gezielt in schwer zu elektrifizierende Sektoren wie Luftfahrt, Stahl oder Chemie zu lenken. Beispiel EU: So müssen nach einer EU-Regelung ab 2030 1,2 % aller Flugzeugtreibstoffe synthetische Kraftstoffe auf Basis von Wasserstoff beigemischt werden. Bis 2050 soll diese Quote auf 35 % steigen.
Drei Riesenlücken auf dem Weg zum grünen Wasserstoff
Die Studie identifiziert drei zentrale Lücken zwischen Theorie und Praxis:
- Die Umsetzungslücke ergibt sich aus den ursprünglich angekündigten Wasserstoffprojekten und den tatsächlich umgesetzten Projekten im Jahr 2023. 97 % der für 2030 angekündigten Kapazitäten befänden sich noch im Konzept- oder Machbarkeitsstadium. Australien zum Beispiel hat einen kompletten Ausfall.
- Die zukünftige Ambitionslücke bezieht sich auf die Diskrepanz zwischen der Wasserstoffmenge, die laut 1,5-Grad-Szenarien bis 2030 notwendig wäre, und den aktuell bis 2030 geplanten Projekten. Immerhin begann sich diese Lücke im dreijährigen Beobachtungszeitraum der Studie zu schließen, weil sich die Projektpipeline auf 422 GW verdreifachte.
- Die zukünftige Umsetzungslücke entsteht, weil der Bedarf an Subventionen, um alle Projekte bis 2030 umzusetzen, bei Weitem die bislang angekündigten globalen Fördermittel übersteigt.
Für jede der 14 ausgewiesenen Endanwendungen der Projekte berechnen die Autoren die Wettbewerbslücke zwischen dem grünen Produkt und seinem fossilen Wettbewerber. Zusammen mit dem Produktionsvolumen und dem Zeitpunkt der Projektankündigungen ergeben sich daraus die nötigen Subventionen, um alle Projekte bis 2030 umzusetzen.
Kommt der grüne Wasserstoff nicht schnell genug, setzt die Industrie weiter auf fossile Rohstoffe
Die Forscher warnen vor Lock-ins: weil grüner Wasserstoff als klimaneutrale Alternative nicht in ausreichendem Maße (sowohl was Menge als auch den Preis angeht) zur Verfügung steht, binden sich Industrieunternehmen dann doch erst einmal für längere Zeit wieder an fossile Rohstoffe und Energieträger.
Langfristig sei ein Übergang zu technologieneutralen Marktmechanismen wie der CO2-Bepreisung entscheidend, um öffentliche Kosten zu begrenzen und einen fairen Wettbewerb mit anderen Klimaschutzoptionen zu gewährleisten, so das PIK. So ließen sich die 1,3 Billionen $ an Subventionen durch einen entsprechenden CO2-Preis auf 500 Mrd. $ senken, so die Studie.
Es brauche daher eine robuste Strategie. Die müsse Projekte für grünen Wasserstoff kurzfristig durch direkte Subventionen unterstützen. Dann muss die nachfrageseitige Regulierung stimmen. Und schließlich müssen die Erwartungen an grünen Wasserstoff – und damit an den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft – realistisch sein.