IEA sieht Gasschwemme, ab 2025 fallen die Preise
Die Internationale Energieagentur IEA warnt davor, noch in Gasprojekte zu investieren. Das widerspreche dem Klimaschutz und lohne sich nicht, da in den nächsten Jahren genügend Gas auf den Markt kommen werde.
In Ihrem jüngsten World Energy Outlook (WEO 2023), hatte die Internationale Energieagentur (IEA) schon hervorgehoben, dass bis Ende des Jahrzehnts der Höchstbedarf (Peak) an Öl und Gas weltweit erreicht werde. Dennoch beobachtet Fatih Birol, Generaldirektor der IEA, eine Gasschwemme auf dem Weltmarkt, vor allem durch große Liefermengen vor allem aus den USA und Katar. Dadurch werde auch der Gaspreis ab 2025 fallen. Birol warnte in der „Süddeutschen Zeitung“, noch Geld in neue Erdgasprojekte zu stecken.
Hintergrund seiner Warnung ist der neue Bericht „The Oil and Gas Industry in Net Zero Transitions“, den die Agentur heute Vormittag mit Blick auf die nächste Woche beginnende Weltklimakonferenz COP28 in Dubai vorstellt. Birol warnt einerseits die Branche vor Stranded Investments im Gassektor, andererseits davor, den Abschied von der Förderung fossiler Energierohstoffe maximal hinauszuzögern. Dabei könne die Branche durchaus einen verantwortlicheren Ansatz als bisher fahren und positiv zu einer neuen Energiewirtschaft beitragen, so die IEA in einer Vorabmitteilung.
Wie kann die Öl- und Gasindustrie helfen, die Klimaschutzziele von Paris zu erreichen?
Der IEA-Bericht analysiert die Implikationen und die Gelegenheiten, die sich bieten, wenn der Öl- und Gassektor sich aktiv daran beteiligen würde, die Klimaschutzziele von Paris zu erreichen. Schließlich lässt sich absehen, dass der Bedarf massiv sinkt, das stellte schon der WEO 2023 fest. Schon die heute beschlossenen weltweiten Klimaschutzmaßnahmen führen zu einem Rückgang des Bedarfs bis 2050 um 45 % unter dem heutigen Stand. Das reicht aber noch nicht, um das 1,5 °C-Ziel zu erreichen. Dafür müsste der Bedarf um 75 % sinken. Bisher, so die Beobachtung der IEA, begnügt sich die Branche, die immerhin 12 Mio. Beschäftigte weltweit habe, mit Business-as-usual: „Die Öl- und Gasunternehmen stehen derzeit für gerade einmal 1 % der weltweiten Investitionen in grüne Energien – und 60 % davon kommt gerade einmal von vier Unternehmen“, so der Bericht. Diese „gerade einmal 1 %“ beziffert die IEA auf um die 20 Mrd. $ bis 2030, das seien etwa 2,5 % der Investitionsaufwendungen. Um aber in Übereinstimmung mit dem Pariser Weltklimaabkommen zu sein, müssten es 50 % bis 2030 werden.
Exxonmobil setzt langfristig auf Öl und Gas
Die Zahlen offenbaren ein Problem: Auch wenn Unternehmen wie Branchenprimus Exxonmobil, der sein Investment in Öl und Gas noch einmal mit einer 60-Mrd.-Übernahme jüngst untermauerte, im Fokus der Aufmerksamkeit stehen, dann sind das nur die Leuchttürme einer Branche, die viel differenzierter ist. „Die Aufmerksamkeit fokussiert oft auf die Rolle der großen privaten Öl- und Gaskonzerne“, schreibt die IEA, „aber ihnen gehören weniger als 13 % der weltweiten Öl- und Gasförderung und -reserven.“ Die Branche sei sehr differenziert, vom kleinen Spezialunternehmen bis hin zu riesigen Staatsunternehmen.
Auf der COP28 muss sich die Öl- und Gasbranche zum Klimaschutz bekennen
Birol sprach angesichts der bevorstehende COP28 für die Branche von einem „Moment der Wahrheit“. Hintergrund ist wohl auch, dass die Auswirkungen des Klimawandels in diesem Jahr massiver als zuvor ausgefallen sind und wahrgenommen wurden. Die Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen wird also offensichtlicher.
Bis 2030 müsste die Branche die eigenen Emissionen um 60 % verringern, um sich am 1,5-Grad-Ziel auszurichten. Und die Branche, so die IEA, könnte zu niedrigen Kosten viel unternehmen, um ihre eigenen Treibhausgasemissionen drastisch zu senken. Auch sei die Spanne heute schon sehr groß: Die Unternehmen mit den relativ stärksten Emissionen liegen damit fünf- bis zehnmal über denen der emissionsärmsten Branchenmitglieder.
Warum CCS kein Allheilmittel beim Klimaschutz ist
Die IEA räumt in ihrem neuen Bericht auch mit der Annahme auf, das Abtrennen und Speichern von CO2 (Carbon Capture & Storage: CCS) werde es als tragende Säule für die Dekarbonisierungsstrategie der Öl- und Gasbranche in Sachen Klimaschutz schon richten. „Damit kann der Status quo nicht gehalten werden“, so die IEA in einer Vorabmitteilung zum Bericht.
Fokus CCS: Warten auf den schnellen Klimaschutz für die Industrie
Die Pariser Agentur rechnet vor, warum es nicht gelingen kann, mithilfe von CCS unter den bisher aufgesetzten weltweiten Klimaschutzmaßnahmen das 1,5 °C-Ziel des Pariser Weltklimaabkommens zu erreichen: Dazu müssten im Jahr 2050 „unvorstellbare“ 32 Mrd. t CO2 separiert werden, um sie zu speichern oder zu nutzen; und 23 Mrd. t dieser 32 Mrd. t müssten mithilfe sogenannter Direct-Air-Capture-Technologien (DACCS) abgespalten werden. DACCS entzieht CO2 der Luft und nicht etwa den Rauchgasen fossil befeuerter Kraftwerke. Ein wesentlicher Unterschied, denn die CO2-Konzentration ist in der Luft geringer – um 23 Mrd. t per DACCS zu separieren, würde man eine Strommenge benötigen, „die den gesamten heutigen globalen Elektrizitätsbedarf übertrifft“, so die IEA.
Es bleibe dem Öl- und Gassektor also nichts anderes übrig, als „harte Entscheidungen zu treffen“, so IEA-Chef Birol. „Ihre Präferenzen werden Auswirkungen für die kommenden Jahrzehnte haben.“ Dabei werde die Energiewende nicht verhindert, aber der Weg hin zu sogenannten „Net Zero Emissions“ (klimaneutralen Treibhausgasemissionen) werde teurer; und es werde schwieriger, diesen Übergang zu steuern, falls die Öl- und Gasbranche nicht mit an Bord sei.