Energieeffizienz-Index der deutschen Industrie 18. Feb 2021 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 4 Minuten

Industrie nach Corona: mit Energieeffizienz gut aufgestellt

Die Wintererhebung 2020/2021 des Energieeffizienz-Index (EEI) des Instituts für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) der Universität Stuttgart zeigt einen erneuten Anstieg der Bedeutung von Energieeffizienz in der deutschen Industrie. Die Corona-Pandemie hat demnach zu keinem dauerhaften negativen Effekt geführt. Das betrifft auch den Klimaschutz: Die Unternehmen setzen sich jetzt noch ambitioniertere Klimaziele für 2030.


Foto: EEP - Energieeffizienzindex/Universität Stuttgart

Man merkte den anwesenden Experten des Instituts für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) der Universität Stuttgart an, dass sie vielleicht mit so guten Nachrichten für die deutsche Industrie nicht unbedingt gerechnet hatten. Gestern stellte das Team um EEP-Leiter Alexander Sauer die Winterausgabe des Energieeffizienz-Index 2020/21 vor – und nach einer Corona-bedingten Delle im Frühjahr (Erhebung April/Mai) war man im Herbst schon wieder auf Vorkrisenniveau. „Bei den Energieeffizienz-Investitionen wurde sogar nur knapp ein neuer absoluter Höchstwert verfehlt“, freute sich Sauer. „Trotz oder gerade wegen Corona räumen die befragten Unternehmen der Energieeffizienz einen noch größeren Stellenwert als vor einem halben Jahr.“

Corona hat kaum Wirkung auf Energieeffizienz-Anstrengungen der Industrie

Natürlich wollte das EEP wissen, welchen Einfluss die Corona-Pandemie auf die Energieeffizienz-Strategie der Unternehmen gehabt hat. Antwort: 80 % der Unternehmen haben ihre Strategie weder hinausgezögert noch ihre Anstrengungen reduziert. „Das heißt für uns“, so Stefan Büttner, Leiter Globale Strategie & Wirkung beim EEP, „die Unternehmen stellen sich gut auf für eine Post-Corona-Welt mithilfe der Energieeffizienz.“

Mehr als 880 Unternehmen aus über 20 Branchen nahmen dieses Mal an der halbjährlichen Erhebung zum EEI teil. Während 40 % der befragten Unternehmen angaben, dass das Coronavirus keinerlei Einfluss auf ihre Energieeffizienz-Strategie hat und sie weiter an der bestehenden Strategie festhalten, gaben weitere 40 % an, dass sie ihre Maßnahmen vorgezogen oder sogar ausgeweitet haben. „Vielleicht findet man auch jetzt die Zeit, solche Maßnahmen durchzuführen, die man zu Zeiten einer Vollproduktion vielleicht nicht hatte“, beobachtete Bashkim Ljutfiji, Team Leader Regional Segment Industry bei der TÜV Rheinland Cert GmbH, der die Erhebung des EEI begleitete.

Stabile Weiterentwicklung beim Energieeffizienz-Index erwartet

Für die nächsten zwölf Monate erwarteten die Unternehmen – bezogen auf das im Herbst erreichte Vorkrisenniveau – keinen Rückgang, sondern eine stabile Weiterentwicklung, so Büttner. „Die Unternehmen blicken relativ positiv in die Zukunft mit einem konstanten Ausblick.“

„Das ist gut, dass jetzt Energieeffizienz-Maßnahmen in signifikantem Ausmaß durchgeführt und sogar vorgezogen werden und vielleicht sogar noch ausgeweitet werden“, freut sich Stefan Besser, Referatsleiter Grundsatz Energieeffizienz und rationelle Energienutzung beim Bundeswirtschaftsministerium (BMWi). „Wir beobachten in Förderprogrammen auch für die Industrie eine gute und hohe Nachfrage.“ Über eine Corona-Delle in diesem Bereich konnte Besser nicht berichten, auch wenn sie vielleicht befürchtet worden war.

Klimaschutz könnte eine Gewinner der Corona-Krise werden

Als Sonderfrage hatte das EEP-Team die Unternehmen auch danach gefragt, wie sich ihr Engagement über die reine Energieeffizienz hinaus entwickelt – Stichwort CO2-Reduktion und Klimaschutz als Oberthema. Denn im vergangenen Herbst hat die Europäische Kommission die Klimaneutralitätsziele für 2050 um noch ambitioniertere Zwischenziele bis 2030 ergänzt. Im Rahmen der EEP-Erhebung sollte die Frage geklärt werden, auf welche Aspekte Unternehmen ihre Optimierungsstrategie hin ausrichten.

Energieeffizienz-Index in der Industrie, Wintererhebung 2020/21. Foto: EEP – Energieeffizienzindex/Universität Stuttgart

Am häufigsten wurde demnach die Optimierung des Energiebedarfs genannt (30 %). Ein weiteres Viertel der Antworten entfiel auf CO2-Reduktion. Danach gaben je 18 % an, sich an der Reduzierung aller Treibhausgas-Emissionen sowie aller Umweltauswirkungen zu orientieren. „Das Thema Treibhausgas- und Klimaoptimierung ist schon sehr präsent“, resümierte Stefan Büttner.

Selbst gesetzte Ziele der Industrie reichen für die EU-Klimaschutzziele bis 2030

Die Dimension der Netto-CO2-Ausstoßreduzierung beträgt dem EEP zufolge im Mittel 26 % bis 2030, bezogen auf 2019. Sieht man sich diese Ziele mal für die Dekade von 2020 bis 2030 an, dann stellte Stefan Büttner fest, dass „wir einen sehr starken Ambitionsberg in der ersten Hälfte dieser Dekade und ein deutliches Abschwächen in der zweiten Hälfte haben“. Die Industrie, so Büttner, wolle offenbar sofort loslegen.

Zugleich bedeuten die Umfrageergebnisse des EEI jedoch auch, dass ,bezogen auf die EU-Klimaschutzziele, die das Bezugsjahr 1990 haben, die befragten Unternehmen schon sehr weit sind. Büttner: „Wenn wir uns 2025 ansehen, sehen wir, dass wir bei nahezu 50 % Einsparungen gegenüber 1990 sind, und das europäische Ziel bis 2030 liegt bei 55 %. Sollten die Pläne gelingen, kämen wir ziemlich genau allein mit den selbst gewählten Maßnahmen hin.“ Die deutsche Industrie hätte ihre Hausaufgaben in Sachen Klimaschutz erfüllt – ohne weitere regulatorische Maßnahmen.

Nationalen CO2-Preis auf Mobilität und Gebäude kennt erst die Hälfte der Unternehmen

Anlässlich der Einführung des nationalen CO2-Preises im Januar 2021 und des Anstiegs des europäischen ETS-Preises wurde auch die Frage beleuchtet, ob den Unternehmen die eigenen energiebedingten Emissionen bekannt sind. Das war lediglich bei der Hälfte der Unternehmen der Fall. Bei der Befähigung der Unternehmen, diese Emissionen zu bestimmen, besteht akuter Nachholbedarf. Der jüngst veröffentlichte CO2-Preisrechner für Unternehmen der IHK könnte hier Abhilfe schaffen.

„Trotz der sehr angespannten Stimmung in der deutschen Industrie aufgrund der Corona-Pandemie gewinnen Energieeffizienz und Dekarbonisierungspläne in den Unternehmen weiter an Bedeutung. Gerade in diesen turbulenten und unsicheren Zeiten kann die Energieeffizienz dazu beitragen, nicht nur die Klimaziele der Europäischen Kommission zu erreichen, sondern auch die Energiekosten der Unternehmen zu senken, flexibel auf Nachfrageschwankungen zu reagieren und die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern“, so EEP-Leiter Sauer.

Das Institut für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) der Universität Stuttgart erhebt seit 2013 halbjährlich aktuelle und geplante Maßnahmen und Ziele der deutschen Industrie in Sachen Energieeffizienz. Der EEI wird in Zusammenarbeit mit der Deutschen Energieagentur (Dena), dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), dem TÜV Rheinland sowie mit weiteren Partnern erstellt.

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