KI hilft auf dem Weg zur neuen Superbatterie
Microsoft und das Pacific Northwest National Laboratory (PNNL) haben erstmals gezeigt, dass es binnen kurzer Zeit möglich ist, herauszufinden, wie sich mit viel weniger Lithium als bisher neue Hightechakkus bauen ließen.
Wenn Forscherinnen oder Forscher neue Materialien für einen bestimmten Einsatzzweck suchen, dann dauert diese Suche mitunter Jahrzehnte: Aus Millionen möglicher Substanzen wird mit viel konkreter Forschung und Berechnungen peu à peu eine Topliste extrahiert, die dann im Labormaßstab auch wirklich hergestellt und auf Herz und Nieren geprüft wird. Gute Dienste leisten dabei heute schon hoch performante Supercomputer (HPC: High Performance Computing), aber es dauert, ist teuer und die Kapazitäten sind rar. Die ersten Quantencomputer heben diese Ansätze heute schon auf ein neues Level, weil sie viel schneller sind als selbst HPC, sind aber noch rarer.
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Die Microsoft-Forschung in den USA und das Pacific Northwest National Laboratory (PNNL) haben das ganze Materialentwicklungsprozedere noch mit künstlicher Intelligenz (KI) aufgepeppt und vor allem konkret an einer Aufgabenstellung erprobt: Entdecke und synthetisiere ein Material, um Batterien mit Festkörperelektrolyten besser zu machen, bitte auch mit einer machbaren Herstelltechnik. Ergebnis: Ein geeignetes Material, isoliert in kurzer Zeit aus über 32 Mio. möglichen Materialien.
Flussspat aus Deutschland für Lithium-Ionen-Batterien aus Deutschland
Konkret: Mit diesem Material, einer Natrium-Lithium-Verbindung, ließe sich die nächste Generation der Lithium-Akku-Technologien auf Basis von Festkörperelektrolyten mit 70 % weniger Lithium herstellen als bisher. Lithium lässt sich in wesentlichen Teilen durch Natrium ersetzen, ein Rohstoff, der viel preiswerter und global gut verteilt hinreichend verfügbar ist. Im PNNL habe die Materialforschungsgruppe unter Leitung des Physikers Vijay Murugesan bereits den Prototyp eines Akkus mit dem neuen Material entwickelt und getestet, teilte das PNNL mit. Der Prototyp könne eine Glühlampe mit Strom versorgen.
KI minimiert Materialforschung für neue Hightechbatterien von Jahren auf wenige Tage
Die Forschungsteams von Microsoft und des PNNL beschreiben in einer am 8. Januar veröffentlichten Arbeit akribisch die einzelnen Schritte und die Beschleunigungseffekte, die KI dabei möglich gemacht hat.
- Erster Schritt: Ausgehend von 54 chemischen Elementen erzeugten die Forschungsgruppen mögliche Verbindungen für einen Lithium-Ionen-Festkörperelektrolyten. Gefunden wurden 32 598 079 Verbindungen. 589 609 Verbindungen erweisen sich als thermodynamisch stabil. Für die Selektion wurden Methoden aus dem Machine Learning angewandt (ML).
- Zweiter Schritt: Auf diese über 500 000 Verbindungen wurden jetzt mehrere Eigenschaftsfilter (physikalische Eigenschaften, zum Beispiel der Bandabstand) angewandt, die KI-Modelle nutzen, um schnell Anfangskandidaten zu extrahieren. Danach wurden Berechnungen mit Methoden der Dichtefunktionaltheorie (DFT) eingesetzt. DFT wird immer dann eingesetzt, wenn man grundlegende Eigenschaften von Molekülen und Festkörpern wissen will. Sie bezieht sich auf Systeme aus vielen Atomen und erlaubt es deren quantenmechanischen Grundzustand zu bestimmen. Mit DFT lassen sich exakt die vielversprechendsten Kandidaten aus den Verbindungen herausfiltern.
- Im Endeffekt bleiben 147 Verbindungen übrig. Die wurden dann noch einmal nach Kosten gefiltert (Materialien mit Hafnium oder Cäsium wurden hier zum Beispiel aussortiert) sowie nach der Möglichkeit, daraus wirklich eine handhabbare Batterie herstellen zu können. Übrig blieben 23 Materialverbindungen, von denen fünf bereits bekannt waren.
- Diese Gesamtselektion von 32 598 079 Verbindungen auf nur 18 dauerte mithilfe rund 1000 virtueller Rechenmaschinen, mit denen cloudbasiertes HPC umgesetzt wurde, etwas weniger als 80 Stunden.
KI könnte helfen, den globalen Wettlauf um Lithium zu entschärfen
Das Demonstrationsprojekt von Microsoft und dem PNNL in den USA hat einen handfesten industriestrategischen Hintergrund: China ist derzeit dabei, sich systematisch für die eigene industrielle Entwicklung global Lithiumressourcen zu sichern. Das Material ist für die Elektromobilität, die gesamte globale Energiewende, IT- und Elektronikprodukte die wichtigste kritische Ressource und daher heiß begehrt. Es droht dem Rest der Welt beim Lithium entweder eine umfassende Abhängigkeit von China oder sogar gar kein Zugang zu diesem Material. Zu zeigen, wie schnell sich geeignete Alternativen finden lassen, ermöglicht konkrete Technologiesprünge, minimiert aber auch die Drohkulisse.
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Darüber hinaus ist die Demonstration in den PNNL-Laboren in Richland im US-Bundesstaat Washington ein Fingerzeig für viele Industrien, in denen sich die Wettbewerbsfähigkeit über schnellere und gezieltere Materialentwicklung erhöhen lässt, allen voran die chemische Industrie, die aus diesem Grund auch intensiv im Bereich Quantum Computing involviert ist. Nicht umsonst sind die zwei Industrieriesen BASF und Akzonobel an Microsofts cloudbasiertem Programm Azure Quantum Elements beteiligt.