Mehr Raum für Windenergie durch geringere Abstände zu Drehfunkfeuern
Rund 60 solcher Navigationsanlagen sorgen für Sicherheit im Deutschen Luftraum. Die PTB hat nun mögliche Störungen durch Windenergieanlagen untersucht, durch die Sicherheitsabstände neu bewertet und zusätzliche Anlagen genehmigt werden können.
Die beiden Forschungsprojekte „Weran“ und „Weran plus“ waren der Ausgangspunkt. In ihnen hat die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) gemeinsam mit Partnern neue messtechnische Verfahren und Simulationsmethoden entwickelt. Damit wurde nun untersucht, inwieweit Windenergieanlagen die Signale von Navigationsanlagen für die Luftfahrt – sogenannte Drehfunkfeuer (VOR) – stören können. Das Ergebnis ist deutlich. Laut des vorige Woche an Bundesverkehrsminister Volker Wissing und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck übergebenen Forschungsberichts, ließe sich der bisherige Sicherheitsabstand von 15 km auf lediglich 6 km bis 7 km reduzieren. Damit entstünde deutlich mehr Raum für potenzielle Neugenehmigungen.
60 Drehfunkfeuer sichern den deutschen Luftraum
Hintergrund: Die deutsche Flugsicherung betreibt rund 60 solcher Navigationsanlagen. Ähnlich wie Leuchttürme in der Seefahrt, weisen sie Flugzeugen über Funksignale den Weg im Luftraum und sorgen damit für Sicherheit. Allerdings können Windenergieanlagen das von Navigationsanlagen ausgehende UKW-Funksignal streuen. Dadurch können die hohen Anlagen Winkelfehler erzeugen. Das Signal der Navigationsanlage kommt dann leicht verfälscht im Flugzeug an.
Im Zuge der Weran-Forschungsprojekte wurden die Entstehung und die Ausbreitung des durch Windenergieanlagen sowie anderer Hindernisse erzeugten Winkelfehlers systematisch untersucht. Eingesetzt wurde die eigens dazu entwickelte, drohnenbasierte Messtechnik der PTB. Parallel zur Messtechnik wurden an der Leibniz Universität Hannover Verfahren zur numerischen Simulation und nachgeschalteten mathematischen Verfahren (Vollwellensimulation) zur Bestimmung des Winkelfehlers entwickelt. Sie zeigten eine qualitativ und quantitativ gute Übereinstimmung mit den Messergebnissen.
Nahestehende Vegetation, hohe Gebäude, Hochspannungsmasten, Baukräne und Höhenzüge erzeugen ebenfalls Winkelfehler. Deshalb wurde darüber hinaus mit der Doppler-Kreuzpeilung ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich die Vorbelastung des Winkelfehlers rund um ein Drehfunkfeuer messtechnisch charakterisieren lässt. Die Störquellen werden nun zusammen mit der Größe ihrer Störwirkung örtlich erfasst und können in einer Karte hinterlegt werden. Die dazu notwendige Messtechnik ist im Forschungsflugzeug „Jade One“ der Jade Hochschule in Wilhelmshaven implementiert. Damit kann die Fehlerausbreitung im Raum bis an die Reichweitengrenze von etwa 150 km bei Doppler-Drehfunkfeuer (DVOR) untersucht werden.
Einfluss der neuen Erkenntnisse auf Bewertungsverfahren von Bauanträgen
Die neuen Erkenntnisse haben Einfluss auf das gesamte Bewertungsverfahren von Bauanträgen neuer Windenergieanlagen (WEA). Denn gemäß § 18 a Abs. (1) Luftverkehrsgesetz (LuftVG) dürfen Bauwerke nicht errichtet werden, wenn dadurch Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können. Dementsprechend untersucht die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH bisher in ihrer gutachterlichen Stellungnahme im Anlagenschutzbereich mit einem Radius von 15 km rund um ein Drehfunkfeuer die mögliche Störwirkung der neuen Bauwerke. Die Daten aus verschiedenen Windparks lassen laut den Forschenden vom PTB geringe Radien des Anlagenschutzbereichs zu. Sie kommen auf einen Radius von 6 km bis 7 km. Damit reduziere sich die in diesen Fällen zu prüfende Fläche von vorher 707 km² auf 154 km².
Projektleiter Thorsten Schrader erklärte dazu: „Der Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen der Sicherheit in der Luftfahrt und der erneuerbaren Energie war uns im Projekt immer wichtig.“ Durch verlässlichere, messtechnische und simulatorische Möglichkeiten sowie eine bessere Datenbasis, könne die Wechselwirkung von Windenergieanlagen und Drehfunkfeuern nun neu bewertet werden.
Für Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck ergeben sich daraus neue Möglichkeiten zum Ausbau der Windenergie. Mit einem gemeinsam mit dem Bundesverkehrsministerium beschlossenen Maßnahmenpaket könnten laut Habeck Potenziale im Umfang von rund 5 GW zusätzlicher Windenergieleistung erschlossen werden. „Das entspricht bei 4 MW bis 5 MW pro Neuanlage mehr als 1000 neuen Windenergieanlagen“, so Habeck und „ist ein wichtiger Push für den Ausbau der Windenergie an Land.“
Der Beitrag wurde erstellt mit Informationen von es/ptb.