Meyer Burger: Traum von deutscher Solarherstellung ein weiteres Mal ausgeträumt
Der Schweizer Solarkonzern und Maschinenbauer Meyer Burger zieht die Notbremse: CEO Gunter Erfurt geht, 200 Jobs fallen weg. Eine Einordnung.
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„Mit selbst erzeugtem Strom und leistungsstarken Solarprodukten von Meyer Burger. Konzipiert in der Schweiz, entwickelt in Deutschland und nachhaltig produziert“, so definiert der Maschinenbauspezialist Meyer Burger zuletzt sich selbst und seine Tätigkeit. Die Schweizer bauen somit die fortschrittlichsten Geräte, mit denen die hoch automatisierten Photovoltaikhersteller in aller Welt Zellen und Module produzieren. Doch jetzt werden sie 200 Stellen bis Ende 2025 an allen Standorten streichen. Auch in Deutschland könnten Jobs wegfallen. Und CEO Gunter Erfurt, der seit 2020 zeigen wollte, dass eine solare Wertschöpfungskette in Deutschland und Europa machbar und konkurrenzfähig zu China ist, geht.
Was hatte Gunter Erfurt vor? Er wollte den technologischen Wettbewerbsvorsprung von Meyer Burger nutzen, von dem auch die chinesischen Hersteller abhängig waren und sind, um der schieren Masse an Photovoltaikprodukten aus China eine konkurrenzfähige, in Deutschland und Europa heimische Zell- und Modulherstellung entgegensetzen zu können. „Chinesische Hersteller haben sich immer auf die Innovationstransfers aus Europa verlassen, nun liefern wir bei Meyer Burger keine Technologie und Maschinen mehr, sondern verwenden sie nur noch für eigene Fertigungszwecke in Deutschland und bald in den USA. Daher könnten die chinesischen Hersteller nun technologisch ins Hintertreffen geraten“, so Erfurt gegenüber VDI nachrichten 2021.
Meyer Burger scheiterte an chinesischer Massenware und politischer Lethargie
Im Endeffekt ist Erfurt mit seiner Vision an der Masse gescheitert. Ein einzelnes Unternehmen, so das Lehrstück, kann trotz Unterstützung – zum Beispiel eines Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme in Freiburg – durch alle wirtschaftlichen Unbill der Zeit hindurch und mit Anlaufproblemen nicht auf einem Markt reüssieren, der inzwischen zu einer Commodity herabgesunken ist. Da spielt nämlich nur der Preis eine Rolle. Die chinesischen Modulhersteller haben Solarmodule genau dazu gemacht. Und die übervollen Lager in China sind schließlich nicht nur mit Schrott gefüllt. Die Module funktionieren ja. Also läufts dann doch am Markt auch in Deutschland weitgehend über den Preis. Zu wenig Käuferinnen und Käufern – ob privat oder gewerblich/industriell – war und ist „made in Germany“ ein kleiner Aufpreis wert.
Ich glaube, dass wir in den letzten Jahren viele Menschen in Europa und den USA davon überzeugen konnten, dass eine Produktion außerhalb Chinas nicht nur technisch und wirtschaftlich möglich, sondern auch absolut notwendig ist. Leider hatten die europäischen Politiker zu viel Angst vor China und waren nicht bereit, die europäische Solarindustrie vor unlauterem Wettbewerb zu schützen und gerade in diesen Zeiten die einmalige Chance zu ergreifen, einen europäischen Jobmotor auf Basis führender europäischer Solartechnologie zu starten. Zum zweiten Mal wurde China eine Zukunftsindustrie geopfert, diametral entgegengesetzt zu den politischen Absichtserklärungen seit der Corona-Virus-Pandemie und seit dem Ausbruch des tragischen und immer noch undenkbaren Krieges in der Ukraine.
Gunter Erfurt
Klar hat Erfurt recht, wenn er auf die Notwendigkeit einer resilienten Wertschöpfungskette verweist bei einer für die Energiewende sehr wichtigen Technologie. Aber die deutsche und die EU-Politik ließen den CEO und sein Unternehmen trotz lobender Worte ziemlich allein. Der Support für eine europäische Photovoltaikwertschöpfungskette ist mit wohlfeilen Worten gepflastert. Erfurt hingegen ist ein von dieser Vision positiv Beseelter: zwölf Jahre bei Solarworld, jetzt neun Jahre Meyer Burger. Der ostdeutsche Physiker stand und steht mit seiner ganzen Person hinter dem, was er bei Meyer Burger angeschoben hat.
Solarinitiative des IRA in den USA macht Europas Wertschöpfung das Leben schwer
Allerdings: Erfurt und Meyer Burger sind auch am „Friendly Fire“ aus den USA gescheitert. Das Wirtschaftsunternehmen Meyer Burger musste schlicht und einfach nüchtern zur Kenntnis nehmen, dass seine zu investierenden Euros beziehungsweise Schweizer Franken angesichts des IRA in den USA besser angelegt schienen als in Deutschland. Das ist zwar nachvollziehbar, hat aber in der heimischen Politik nicht nur Freunde gemacht.
Wo genau welche Jobs wegfallen werden, sei bisher nicht sicher, so das Unternehmen in einer Mitteilung. Entlassungen seien auch an deutschen Standorten nicht ausgeschlossen, sagte jetzt Meyer-Burger-Verwaltungsratspräsident Franz Richter, der erst einmal den Posten des CEO von Erfurt übernommen hat. Laut Richter dürfe die Zellproduktion in Sachsen-Anhalt nicht gefährdet werden. „Die Zellproduktion in Thalheim ist das Rückgrat und bleibt bestehen.“
Der Standort im sächsischen Hohenstein-Ernstthal sei für Forschung und Entwicklung bedeutend. Das Unternehmen will vor allem im Verwaltungsbereich Stellen abbauen. Das ist konsequent, in Ostdeutschland die einstigen Fachkräfte aus der Solar-Valley-Periode Anfang der 2000er für sich zu sichern; das war einer der Gründe für Erfurt, dort wieder anzufangen. Er wusste aus seiner Zeit bei Solarworld, welches Fachkräftepotenzial beim ersten Niedergang der deutschen Solarbranche 2011 dort ins Bergfreie gefallen ist.
Auch der Vorstand wird verschlankt: Erfurt geht freiwillig. Neben CEO Richter bleiben nur noch COO Daniel Menzel und Chief Sustainability Officer (CSO) Katja Tavernaro. Im sächsischen Hohenstein-Ernstthal hat das Unternehmen ein Technologie- und Produkte-Center, in dem Massenproduktionssysteme entwickelt werden. Diese kommen in Thalheim zum Einsatz. Dort werden Solarzellen hergestellt. Für Thalheim stand noch vor einigen Monaten eine Schließung im Raum. Doch der geplante Bau einer alternativen Produktionsstätte in den USA erwies sich als derzeit nicht finanzierbar. Meyer Burger legte den Rückwärtsgang ein, jetzt wird Thalheim weiter gebraucht.