Energiewirtschaft 11. Feb 2025 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 4 Minuten

Netzausbau mit Freileitungen statt mit Erdkabeln könnte Milliarden sparen

Freileitungen statt Erdkabel – und schon sind die Stromkosten unten. Dafür plädiert unter anderem die Bundesnetzagentur. Ganz so einfach ist es nicht, zeigt das Führungstreffen Energie in Essen.

Hochspannungsmasten in der deutschen Industrielandschaft
Hochspannungsmasten in der deutschen Industrielandschaft: Freileitungen statt Erdkabel – und schon sind die Stromkosten unten: So einfach ist es nicht, zeigt das Führungstreffen Energie in Essen.
Foto: picture alliance / imageBROKER/Ulrich Rosenschild

Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubauer zeichnete das Problem des Landes kurz und knapp: „Wir finden uns in einer Seitwärtsbewegung. Unsere Wirtschaft stagniert. Wir haben einen besonders hohen Anteil an energieintensiver Industrie, und die hat eine Kombination aus mindestens zwei Faktoren, die dazu beitragen, dass gerade nicht die notwendigen Investitionsmittel in den Standort Nordrhein-Westfalen fließen“, sagte sie auf dem Führungstreffen Energie der Süddeutschen Zeitung im Vorfeld der Branchentreffs E-World, das am Dienstag in Essen seine Tore öffnet.

Mona Neubauer: Energiekosten in Deutschland sind zu hoch

Erstens gebe es auf den Absatzmärkten außerhalb Europas einen Rückgang im Markt und im Handel. Sie beschwört dabei geradezu, dass sich die nordrhein-westfälischen Industrieunternehmen – und damit auch die deutschen – bisher auf dem Weltmarkt immer über Qualität haben durchsetzen können. Aber „wir haben nach wie vor zu hohe Energiekosten, als dass man von einem ‚level playing field‘ sprechen kann“, so Neubauer. „Schon innerhalb von Europa ist das nicht gegeben.“

Einen Ausweg sieht sie einerseits in politischer Zuversicht: „Zuversicht ist nicht Naivität, sondern Voraussetzung, dass man in der Realität etwas verändern kann“, betonte sie in Essen.

Die Wirtschaftschefin des schwarz-grünen NRW-Kabinetts betonte, dass in diesen Fragen kein Blatt zwischen die Koalitionsparteien passe. Die gute Nachricht, die sie aus den Debatten der letzten Zeit mitnimmt: „Wir wollen an die Energiekosten rangehen.“

Freileitung statt Erdkabel?

Nur wie und wo? Ein Beispiel hat sie mitgebracht, nämlich den Umstieg beim Stromtrassenausbau von Erdkabel auf Freileitungen. „Wenn etwas im Erdkabel geplant ist, dann sollte das auch so bleiben“, sagte sie mit Blick auf eine der Debatten, die zurzeit im Energiesektor geführt würde. Vor knapp zehn Jahren hatte die Regierung Merkel den Vorrang der Erdverkabelung für die Trassen von Stromübertragungsnetzen in das „Gesetz zur Änderung von Bestimmungen des Rechtes des Energieleitungsbaus“ geschrieben – weil sich gegen die Verschandelung der Landschaft durch Strommasten immer heftigerer Widerstand regte. Daher ging schließlich der notwendige Netzausbau durch die sich immer mehr in die Länge ziehenden Genehmigungsverfahren – vor allem der zwischen Nord- und Süddeutschland – nur noch im Kriechgang vonstatten.

Leistungsfähige Stromtrassen zwischen Nord und Süd sind notwendig, um den Ökostrom, der bisher vor allem im Norden Deutschlands erzeugt wird, in die Verbrauchszentren in Mittel- und Süddeutschland zu bringen. Gelingt das nicht – und das ist immer noch der Fall –, dann kostet das Geld, die sogenannten Redispatchkosten. Die tragen über die Netzentgelte alle Stromverbraucher. Strom wird also für alle teurer, weil an bestimmten Stellen die Netze nicht ausgebaut sind.

Redispatch: So kommt der Preisaufschlag zustande

Wenn das Kabel von Nord nach Süd für die zu transportierende Strommenge, die zum Beispiel ein Industrieunternehmen ordert, nicht ausreicht, dann kann weniger Ökostrom aus dem Norden geliefert werden. In der Folge müssen zum Beispiel Windkraftanlagen abgeregelt werden. Dafür springen auf der anderen Seite des Netzengpasses in Süddeutschland andere Kraftwerke an, zum Beispiel mit Gas betriebene – der Strom muss ja geliefert werden. Allerdings bekommen die Ökostromerzeuger im Norden dafür einen Ausgleich, schließlich können sie nichts dafür, ob das Netz den Lieferkontrakt umsetzen kann oder nicht. Und das Gaskraftwerk will auch bezahlt werden. Dieses Redispatch genannte Verfahren kostet jährlich Milliarden von Euro: 2022 waren es laut Bundesnetzagentur 4,2 Mrd. €, 2023 nur noch knapp 3,1 Mrd. €. Für 2024 werden 2 Mrd. € geschätzt. Zum Zeitpunkt, als der Erdkabelvorrang festgelegt wurde, lagen sie noch bei knapp einer halben Milliarde Euro (2015): 478 Mio. €.

Trassenplanung bestehender Projekte soll nicht neu aufgesetzt werden

Was das mit Erdkabeln zu tun hat? Heute bereits geplante und genehmigte Erdkabelprojekte haben einen positiven Effekt, denn sie senken diese Redispatchkosten – obwohl Erdkabelprojekte erst mal im Bau teurer sind als Freileitungsstrecken. Das habe „auch mit Planungssicherheit zu tun“, betonte Neubauer mit Blick auf den notwendigen Netzausbau. Neubauer ist es wichtig, nicht Projekte, die sich derzeit mit Erdkabeln in Umsetzung und Planung befinden, völlig neu aufsetzen zu müssen. Dann würde alles noch länger dauern – und die Redispatchkosten müssten noch länger gezahlt werden.

Wenn aber die Parteien davon sprechen, die Redispatchkosten zu senken, dann ist es demnach nicht nur möglich, durch den Umstieg auf Freileitungsbau Kosten zu senken – was derzeit im Wahlkampf gefordert wird – , sondern auch dadurch, möglichst schnell den Netzausbau voranzutreiben, um die Redispatchkosten zu senken. Hauptsache, der Engpass wird beseitigt.

Bundesnetzagentur: Freileitungen hätten ein Einsparpotenzial von bis zu 18,5 Mrd. €

Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, sprach in Essen davon, dass er nicht glaube, dass die Erdverkabelung heute mehrheitsfähig sei – zu stark drücken die Netzentgelte und tragen zu hohen Strompreisen bei, die Verbraucher wie Industrie belasten: „Es muss günstiger werden“, sagte er. Dabei habe man inzwischen den optimalen Zeitpunkt verpasst, umzusteigen: 2023 hätte die Abkehr vom Vorrang der Erdverkabelung seinen Worten nach einmalig rund 18,5 Mrd. € gebraucht: Stiege man bald aus, würden es „nicht mehr die 18,5 Mrd. € sein, weil wir inzwischen weitergekommen sind (beim Netzausbau, Anm. d. Red.), aber es wird ein großer Betrag sein“, erklärt Müller. 30 % bis 35 % der rund 13.000 km an Stromtrassen, die noch geplant werden, wären seiner groben Schätzung nach noch beeinflussbar.

Der Netzausbau hat sich beschleunigt

Generell sieht der oberste Netzaufseher das dreijährige wirken der Ampel-Regierung als positiv, was den Netzausbau angeht. Der sei „dank tiefgreifender gesetzlicher Beschleunigung richtig vorangekommen“. Von Ende 2021 bis Ende 2024 „haben sich die gebauten Kilometer verdoppelt, die im Bau befindlichen vervierfacht und die genehmigten verdreizehnfacht“. Jede Woche gebe es einen vorzeitigen Maßnahmenbeginn.

„Wir haben eine Beschleunigung erlebt, die ist fantastisch. Trassen werden fertig, Redispatchkosten sinken“, gibt sich Müller hochzufrieden. Man solle nicht nur über die hohen Netzentgelte jammern, sondern sich auch ein bisschen freuen. Denn sowohl der Netzausbau als auch die Zunahme der erneuerbaren Energien würden in den kommenden Jahren die Strompreise senken.

Autarkie bei der Stromversorgung „wahnsinnig teuer“

Sehr wichtig ist laut Müller aus Gründen der Preisstabilität wie der Versorgungssicherheit die noch stärkere Einbindung in den europäischen Strommarkt. Das vor allem auch mit Blick auf die sogenannten Dunkelflauten. „Dunkelflauten wird es immer geben, nicht nur stunden-, sondern auch tages- und wochenweise“, sagte er. Die Bundesnetzagentur werde „darauf achten, dass wir uns selbst versorgen können“. Dabei sei der europäische Binnenmarkt „das effizienteste, was wir tun können“. Über ihn sei Versorgungssicherheit zu jedem Zeitpunkt zu gewährleisten.

Wirkliche deutsche Autarkie hingegen sei in puncto Versorgungssicherheit bei der Stromversorgung teuer, „wahnsinnig teuer“, so Müller. „Trotzdem haben wir etwas in der Hinterhand, um etwas tun zu können.“ Im Fall der Fälle. Einer neuen Bundesregierung schrieb er ins Stammbuch, sie müsse in puncto Versorgungssicherheit endlich das Kraftwerkssicherheitsgesetz novellieren und den Markt endlich mit einem Kapazitätsmechanismus ausstatten.

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