Netzausbau vermeiden durch dynamisches Lastmanagement
Innogy und das Aachener Start-up GridX haben ein Energiemanagement entwickelt, das helfen kann, einen Verteilnetzausbau zu vermeiden. Der erste Test wurde jetzt erfolgreich abgeschlossen.
Hinter dem Nürburgring in der Eifel liegt das Örtchen Baar und dort, ziemlich versteckt, das Hotel und Kongresszentrum Wanderath des Energieunternehmens Innogy. Sozusagen in den eigenen vier Wänden testeten die Essener seit dem 1. April ein zusammen mit dem Aachener Startup GridX entwickeltes Energiemanagementsystem. Das Ziel: Statt zwei Ladesäulen für Elektroautos sollen gleich 17 betrieben werden können, ohne dass man dafür den Netzanschluss des Hotels aufrüsten muss.
Zentrales Elemente für die getestete Lösung namens SmartConnect ist die so genannte Gridbox. Mit der wurden im Hotel Wanderath zusätzlich 15 neue 11-kW-Ladepunkte, eine 20-kW-Photovoltaikanlage und eine intelligente Straßenlaterne, eine so genannte Smart Pole, mit in das hauseigene Netz eingebunden.
Lastmanagement erleichtert Elektromobilität
Die Gridbox überwacht kontinuierlich die aktuellen Stromflüsse an einem Standort, sei es Gewerbe oder Industrie und regelt noch vor dem Strombezug aus dem Netz die Erzeugung und die Lasten gegeneinander aus. Zusätzlich wird das Laden der Elektroautos zeitlich so gesteuert, dass dies in Schwachlastzeiten des Hotelbetriebs erfolgt – vornehmlich nachts. Im Hotel Wanderath können das alle Gäste direkt im Foyer auf einem großen Display in Echtzeit verfolgen.
Das Hotel mit Schwimmbad, Sauna und Küchenbetrieb kann in Spitzenzeiten bis zu 280 kW benötigen, weiß Armin Gaul, Leiter „Koordination Technische Produktentwicklung“ bei Innogy, der den Test betreute. Da fallen zwei Ladepunkte von 11 kW anschlusstechnisch nicht ins Gewicht. 17 Ladepunkte ergäben aber rund 180 kW. Das ist eine Leistungsgröße, bei der der örtliche Verteilnetzbetreiber Westnetz auf Kosten des Hotels den Anschluss hätte entsprechend aufrüsten müssen, zum Beispiel durch eine leistungsfähigere Trafostation.
Die Gridbox sorgt jetzt dafür, dass „die Sicherung nicht mehr rausfliegt“, wie es GridX-Gründer Andreas Booke ausdrückt: Das dynamische Lastmanagement kann in Millisekunden auch den Wegfall zum Beispiel der 20-kW-Solaranlage ausregeln – falls sich eine dicke Wolke mal direkt vor die Sonne schiebt. Das, so Booke, sei auch das Alleinstellungsmerkmal, dass die Gridbox ein System mit Eigenerzeugung gegen eine Lastobergrenze regeln könne. Die Lösung erspart Hotelleiter Thomas Sztrajt jetzt den Netzausbau.
Industrie und Gewebe interessiert an Elektromobilität
Zu beweisen, dass die Lösung wirklich funktioniert und das in Zukunft am Beispiel des Hotels Wanderath auch zeigen zu können, kommt Armin Gaul zupass. Bei Innogy, so bestätigt er, nehmen die Anfragen von Kunden zu, denn das Problem ist überall dasselbe: Braucht es einen Ausbau des Anschlusses des Firmengeländes oder -gebäudes ans Stromnetz, um für die Elektromobilität gerüstet zu sein?
Konkret ließe sich zum Beispiel für eine Anlage mit 10 Standorten à vier Ladesäulen zwischen 50.000 Euro und 200.000 Euro an einmaligen Investitionskosten sparen. Hinzu kämen die Kosten, die man jährlich einspart, weil der Netzanschluss nicht höher dimensioniert werden muss. „Technologie kann eine Alternative sein zu mehr Kupfer im Netz“, sagt Booke.
Bookes Unternehmen, 2016 in Aachen gegründet und inzwischen auch in München vertreten arbeitet heute nicht nur mit Innogy, sondern auch mit dem Heizungbauer Viessmann zusammen. Skalieren lässt sich die Lösung von GridX derzeit bis rund 96 Ladesäulen – sie wäre aber auch für eine Einfamilienhauslösung geeignet, erklärt Booke. So nutzt Viessmann die Lösung von GridX im Rahmen einer White-Label-Lösung.