Offshore-Windkraft – Ausbauzahlen für 2020 21. Jan 2021 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 3 Minuten

Nordsee neues Powerhouse für Ökostrom

Nach Angaben von Branchenverbänden wird die Windenergie auf Nord- und Ostsee zunehmend zur tragenden Säule der deutschen Energiewende. Die Stromerzeugungszahlen legten 2020 deutlich zu. Sorgen bereitet der Industrie eine Lücke beim Ausbau bis 2025: Zieht der sich hin, droht der Wertschöpfungskette ein Ausbluten.

Offshore-Windkraft vor deutschen Küsten: Vor allem die Windernte aus der Nordsee legte nach Angabe des Übertragungsnetzbetreibers Tennet zu. Offshore-Windparks in der Nordsee wie Riffgrund 2 des dänischen Betreibers Oersted erzeugten demanch 2020 mit insgesamt 22,76 TWh 12,4 % mehr Strom als im Jahr zuvor.
Foto: Oersted

Was die Windstromausbeute aus den deutschen Offshore-Gebieten angeht, ist Dennis Kruse zufrieden mit dem abgelaufenen Jahr 2020: „Bei der Stromerzeugung haben wir deutlich zugelegt gegenüber 2019“, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Windguard heute Morgen bei der Vorstellung der aktuellen Zahlen der deutschen Offshore-Windbranche. Insgesamt seien gegenüber der Hochrechnung für 2019 im Jahr 2020 mit fast 30 TWh 13 % mehr Strom aus Offshore-Windenergie eingespeist worden, heißt es im aktuellen Bericht.

Schon gestern hatte der Übertragungsnetzbetreiber Tennet, der einen Großteil der deutschen Offshore-Windparks ans Stromnetz anschließt, mitgeteilt, dass die Windkraftwerke in der Nordsee 2020 so viel Strom geliefert hätten wie noch nie. Die Stromausbeute dort sei um 12,4 % auf 22,76 TWh gestiegen. Aus Ostsee-Windparks sind dies praktisch unverändert 4,13 TWh gewesen, diese gehören aber nicht zum Versorgungsgebiet von Tennet, sondern werden von 50Hertz angebunden. Der Anteil der Stromübertragung aus der Nordsee liegt laut Tennet bei 17,2 % der gesamten Windstromerzeugung in Deutschland.

Ausbauflaute bei Offshore-Windkraft 2020

Nach Angaben der Branchenorganisationen BWE (Bundesverband Windenergie), BWO (Bundesverband der Windparkbetreiber Offshore), VDMA Power Systems, WAB und der Stiftung Offshore Windenergie gingen im vergangenen Jahr 32 Anlagen mit einer Leistung von 219 MW erstmalig ans Netz. Insgesamt, so die von der Deutschen Windguard erhobenen Zahlen, speisten in den deutschen Küstengewässern 1501 Offshore-Windenergieanlagen mit 7770 MW Nennleistung Strom ein.

Sorge bereitet den Verbänden die aktuelle Flaute beim Bau neuer Anlagen. „Kein Zubau im zweiten Halbjahr 2020“, konstatierten die Organisationen. Aufgrund falsch gesetzter politischer Rahmenbedingungen habe man im zweiten Halbjahr 2020 keine neuen Anlagen bauen können. „Während sich die langfristigen Rahmenbedingungen für die Offshore-Windindustrie im vergangenen Jahr mit dem Green Deal der EU und den neuen Langfristzielen der Bundesregierung bis 2040 verbessert haben, bleibt die kurzfristige Situation der Branche mit dem sehr schwachen Heimatmarkt herausfordernd“, heißt es in einer Mitteilung.

Positiver Ausblick beim Offshore-Ausbau

Trotz der Flaute der letzten Monate: Mit der Erhöhung der deutschen Ausbauziele auf 20 GW bis 2030 und 40 GW bis 2040 erhält die Branche mehr Planungssicherheit. Die ist nach Angaben von Heike Winkler, Geschäftsführerin des Branchennetzwerks WAB, dringend nötig. So habe es schon mal rund 1000 Marktteilnehmer gegeben, inzwischen zählt man 771. Eine „deutliche Reduzierung“, so Winkler. Zudem habe man in Deutschland zwischen 2015 und 2020 eine Marktreduzierung von 90 % hinnehmen müssen. Der Ausbau habe nur 15 % des Niveaus von 2017 entsprochen.

„Die Lieferkette benötigt schnell mehr Bauaktivitäten in Nord- und Ostsee“, so Winkler. Es wäre gut, würde man das geplante Ausbauvolumen „ein bisschen verteilter platzieren, um die Wertschöpfungskette auszulasten“. Die Branche wünscht sich daher zusätzlich kurzfristige Ausschreibungsvolumina im Zeitraum bis 2025. Es wäre nicht gut, wenn „ wir bis dahin Marktteilnehmer aus der Wertschöpfungskette verlieren würden“, betont Winkler.

Dafür müssten die vorhandenen Potenziale schnellstmöglich zusätzlich ausgeschrieben und mit raschen Inbetriebnahmen verbunden werden, so die Branchenverbände. Mehr Zubau sollte vor dem Ende der Dekade stattfinden. So ließe sich das Ausbauziel der Bundesregierung von 20 GW bis 2030 sicher erreichen.

Konkurrenz um Meeresnutzung gefährdet Offshore-Windkraft

Stefan Thimm, Geschäftsführer der Offshore-Betreibervereinigung BWO, sieht zwar, dass mit der auch auf europäischer Ebene avisierten Ausbauziele die Branche gut dasteht (300 GW bis 2050), fürchtet aber, diese könnten durch die Hintertür zur Makulatur werden. „Der Platz für Offshore-Windkraftanlagen ist begrenzt. Das zeichnet sich auch im Meeresraum ab“, so Thimm. Dort gebe es Interessenkonflikte zwischen Schifffahrt, Marine, Naturschutz und eben der Energiewirtschaft.

Derzeit sieht der aktuelle Entwurf des Raumordnungsplans Kapazitäten zwischen 33 GW und 41 GW vor. „Das halten wir für zu wenig“, so Thimm. Er erwartet schlicht und einfach, dass im Rahmen des Ausgleichs der verschiedenen Interessen dieses Kapazitätsfenster schrumpft – und nachher zu wenig übrig bleibt. „Durch die Hintertür“ könne man in eine Situation gelangen, „dass wir die Ausbauziele verfehlen, wir brauchen daher ganz klare politische Signale“. Konkret fordert er eine Art „Ausbaupuffer“.

Stromnetzbetreiber bereiten sich auf Offshore-Windboom vor

„Die Nordsee wird das neue Powerhouse Nordwesteuropas“, ist dennoch Tennet-Geschäftsführer Tim Meyerjürgens überzeugt. Damit die Stromanbindungen der Parks an das Übertragungsnetz nicht zum Bottleneck werden, möchte Tennet die Offshore-Kapazitäten bis 2030 auf etwa 17 000 MW erhöhen. Schon heute stellt Tennet nach eigenen Angaben eine Anbindung für 7132 MW für die Nordsee zur Verfügung. Die Zielmarke der Bundesregierung liegt bei 6500 MW für 2020. Bis 2030 sollen es insgesamt 20 GW sein, so die Vorgaben.

Die Übertragungsnetzbetreiber planen darüber hinaus im Offshore-Bereich grenzüberschreitende Windstrom-Verteilkreuze. Tennet ist in der Nordsee beteiligt an einem Kreuz für zwölf Großkraftwerke, an das Verbraucher in Deutschland, Dänemark und den Niederlanden angebunden werden sollen. 50Hertz und der dänische Übertragungsnetzbetreiber Energinet planen einen neuen Interkonnektor, der die beiden Länder verbinden soll. Später sollen weitere Ostsee-Anrainer hinzukommen.

Grüner Wasserstoff aus Offshore-Windparks

Dem Übertragungsnetzbetreiber Tennet ist als längerfristiges Thema die Erzeugung grünen Wasserstoffs sehr wichtig. „Wir müssen besonders das Thema Wasserstoff und dessen Integration in das Energiesystem sehr breit denken, viel breiter als bisher, und dabei einen übergreifenden, systemischen Ansatz verfolgen“, so Geschäftsführer Tim Meyerjürgens: Er fordert einen koordinierten Ausbau der Gas- und Strominfrastruktur. „Nur wenn wir die Elektrolyseure mit Blick auf das ganze Stromsystem sinnvoll positionieren und betreiben, können sie das Stromsystem entlasten.“

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