Energie 18. Okt 2024 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 4 Minuten

Offshore-Windkraft: Gemeinsamer Ausbau in Europa bringt 1000 Mrd. Euro Einsparungen und 300.000 Jobs

Ein neues Konzept soll die Offshore-Windkraft zum energiewirtschaftlichen Powerhouse in Europa machen. Klappt aber nur, wenn alle zusammenarbeiten.

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Ein neues Konzept soll die Offshore-Windkraft zum energiewirtschaftlichen Powerhouse in Europa machen. Klappt aber nur, wenn alle zusammenarbeiten. Das Bild zeigt eine Offshore-Windkraftanlage in der Ostsee bei Rügen.
Foto: IMAGO/agrarmotive

Die Offshore-Windkraft soll in der EU die tragende Säule für eine fast grundlastfähige Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen werden. Vor allem sind Erzeugungskapazitäten im Kraftwerksmaßstab im Vergleich zu Onshore-Windkraft realisierbar. Der belgische Energiekonzern Elia hat heute in Berlin ein Konzept vorgestellt, wie die Branche europaweit abgestimmt schneller in die Umsetzung kommen könnte.

Offshore-Windkraft kann Motor für die wirtschaftliche Entwicklung werden

Laut der neuen Publikation „Going Like the Wind“ könnten durch internationale Zusammenarbeit, Investitionssicherheit und eine großräumige Meeresplanung die Kosten der Energiewende bis 2050 um mehr als 1000 Mrd. € gesenkt werden. Die Studie soll zeigen, wie die Offshore-Windkraft als Dekarbonisierungstechnologie zu einem Motor für die wirtschaftliche Entwicklung und zur Sicherung der Energieversorgung werden kann. Man wolle, dass der Ausbau der erneuerbaren Energie nicht mehr im Schneckentempo vorangehe, sondern koordinierter und effizienter werde, so Volker Gustedt, Pressesprecher von 50Hertz, einer der vier Betreiber von Stromübertragungsnetzen in Deutschland und Teil der Elia Group.

Ausgangspunkt für die Studie, so Gustedt, sei gewesen, wie die das Ausbauziel von fast 500 GW für Offshore-Windkraft in Europa (EU, Großbritannien und Norwegen) unter planerischen und technischen und ökonomischen Aspekten so gut wie möglich erschließen könne. „Es macht keinen Sinn, dieses Thema national anzugehen“, sagte 50Hertz-Chef Stefan Kapferer. „Es wird wesentlich billiger, wenn wir es für alle machen und wenn wir es koordiniert machen“, bestätigte Barbara Praetorius, Professorin für Nachhaltigkeit, Umwelt- und Energieökonomie und -politik an der HTW Berlin bei der Vorstellung der Studie.

Offshore-Windkraft: Grenzüberschreitende Planung schafft Arbeitsplätze

Die geplanten 500 GW für Europa, „da sind wir mit dem derzeitigen Ausbautempo eine ganze Weile entfernt von“, so Kapferer. Aktuell würden absehbar bis 2030 im Schnitt 8 GW/a in den Offshore-Gewässern der EU-Mitgliedsstaaten, Großbritanniens und Norwegens zugebaut. Nötig aber wären 18 GW/a. Wenn jeder nur nationale Ziele beim Offshore-Ausbau verfolgen würde, dann sei der Gesamtausbau längst nicht so effizient, so Kapferer.

Eine koordinierte grenzüberschreitende Planung ermöglicht es, die effizientesten Offshore-Standorte zu nutzen und das volle Potenzial der europäischen Meeresgebiete auszuschöpfen, so das Ergebnis der Studie. Diese Planung müsse durch ein gemeinsames Finanzierungsmodell unterstützt werden, um die hohen Investitionen zu sichern, die für den Ausbau erforderlich sind. Die Elia Group betont, dass nur durch eine solche Zusammenarbeit die Chancen für Wachstum, Innovation und die Schaffung von Arbeitsplätzen in ganz Europa realisiert werden können. „Wir glauben, dass der Ausbau von Offshore-Wind etwas ist, was sich in einem Kreislauf immer weiter befördert“, so Kapferer. „Wir sind fest davon überzeugt, dass, wenn das gelingt, dies für die industrielle Wertschöpfung und die Arbeitsplätze in Europa eine gute Nachricht ist.“

Vier Aspekte sind ausschlaggebend für die Politik

Giles Dickson, CEO des Branchenverbandes Wind Europe, analysierte in Berlin, warum bisher weniger Windkraftanlagen auf See gebaut worden sind, als es sich die politischen Entscheidungsträger in den europäischen Staaten und der EU erhofft hätten. Ausschlaggebend seien vier Aspekte:

„Wir brauchen unkonventionelle Netzanbindungen“, betonte Dickson. Zwei Modelle diskutiert hierbei die Branche. Zum einen sogenannte Cross-Border Hybrids, wie 50Hertz sie beim Ostsee-Windpark Kriegers Flak bereits umgesetzt hat. Dieser ist seit 2021 in Betrieb und sowohl an die Übertragungsnetze Dänemarks wie Deutschlands angebunden. Zum anderen sind es Cross-Border-Radial-Interkonnektoren, die einen Windpark, der auf einem Gebiet eines Landes steht, über die Grenzen hinweg in das Netz eines anderen Staates anbinden. „Beide sind nicht nur gut und positiv, sie sind total notwendig. Sie sparen uns Geld, sie sparen uns Raum im Meer. Sie verbessern die Stromflüsse in den Ländern und verbessern die Liquidität in den Märkten“, fasste Dickson zusammen. Vor allem geht es darum, die Kapazitätsauslastung zu optimieren. Eine einzelne Radialanbindung eines Offshore-Windparks an Land, wie es üblich ist bei einzelnen nationalen Netzanbindungen, hat laut der europäischen Übertragungsnetzbetreiber-Organisation Entso-E eine Auslastung von ca. 40 %. Die ließe sich durch solche Cross-Border-Konzepte erhöhen. Zudem sei es möglich, durch sie Abschattungseffekte im Betrieb der Offshore-Windkraft abzumildern, so Dickson.

Offshore-Windtechnologie könnte „mehrere Silicon Valleys“ in Europa begründen

„Politisch ist Offshore-Windkraft ganz klar ein Kernthema“, sagte Niels Anger, Referatsleiter Gesamtstrategie Europäische Energiewende und EU-Energiegesetzgebung, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). „Was neu ist, ist die grenzüberschreitende Kooperation, das steckt noch in den Kinderschuhen“, sagte er mit Blick auf die Bedeutung in Europa. „Es ist noch kein europäisches Thema. Wir erwarten hier einen neuen Impuls, auch durch den neuen Kommissar Dan Jørgensen.“

Die Offshore-Windkraft könne, weil sie eine Art sich selbst verstärkenden Kreislauf darstelle, rund 300.000 neue Arbeitsplätze in ganz Europa durch den Ausbau der Lieferketten und die Sicherstellung des Zugangs zu Rohstoffen schaffen, so ein Ergebnis der Studie. Catherine Vandenborre, Interims-CEO der Elia Group, spricht davon, dass es möglich sei, durch diese Maßnahmen „mehrere ‚Silicon Valleys‘ für Offshore-Windtechnologien in Europa“ zu begründen. Dazu würden Hubs für Turbinen, Kabel, Plattformen und andere Komponenten gehören können, Innovationszentren, die den Kontinent als technischen Marktführer in der Offshore-Windkraft etablieren.

Eine Reduzierung von Investitionsrisiken könnte Milliarden einsparen

Dabei ist es ja nicht so, als ob es heute keine Wertschöpfung im Bereich Offshore-Windkraft in Europa gibt. Vielmehr bestehen heute verteilt über den Kontinent eine ganze Reihe von Innovations- und Produktionszentren. Auch über die Offshore-Branche hinaus, so die Elia Group in einer Mitteilung, nehme Europa schon heute eine führende Rolle in der Entwicklung sauberer Technologien ein – ein Fünftel der weltweiten grünen Technologien würden aus der EU stammen. Vandenborre warnt, Europa brauche dringend Anreize für Investitionen in die Lieferketten, um den Ausbau von Offshore-Windkraft voranzutreiben. Vor allem aber muss die EU eine Lösung dafür finden, wie mit den chinesischen Herstellern, die in den wachsenden europäischen Markt drängen, umgegangen werden soll. Hierbei dürfte die weitere Ausgestaltung es Net Zero Industry Acts eine entscheidende Rolle spielen.

Um das volle Potenzial der Offshore-Windkraft auszuschöpfen, fordert die Elia Group eine neue Herangehensweise an die Kosten-Nutzen-Verteilung bei grenzüberschreitenden Projekten. Der aktuelle Ansatz einer 50:50-Verteilung der Kosten wird den tatsächlichen Stromflüssen nicht gerecht. „Zwischen 2030 und 2050 könnten durch internationale Zusammenarbeit und die Reduzierung von Investitionsrisiken erhebliche Einsparungen von über 1000 Mrd. € erzielt werden“, so Vandenborre. Die Rede war in Berlin von einer Art Offshore Investment Bank. Hier liefen auch auf europäischer Ebene schon in Zusammenarbeit mit der European Investment Bank (EIB) Gespräche, wie sich so etwas realisieren ließe.

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