Photovoltaik: Wir brauchen die Produktion von Zellen und Modulen in Europa im 100-GW-Maßstab
Zwei VDI-Energieexperten, Martin Kaltschmitt und Stefan Müller, plädieren für den Aufbau einer kompletten Wertschöpfungskette für die Photovoltaik in Europa. Dabei müsste in der Größenordnung von 100 GW gedacht werden. Die EU wie die nationalen Regierungen müssten dafür in einer konzertierten Aktion den Weg frei machen und die Voraussetzungen schaffen.
Die Ukraine-Krise zeigt überdeutlich, wie anfällig unsere Energieversorgung auf eine Unterbrechung der globalen Lieferketten reagieren kann und wie fragil die Versorgung unserer Volkswirtschaft mit Energie und Rohstoffen letztlich ist. Deshalb gewinnt die Frage der Versorgungssicherheit für Energie und strategisch unverzichtbare Produkte im aktuellen politischen Handeln sowohl national als auch im europäischen Kontext immer mehr an Bedeutung.
Photovoltaik: Revival für das Solar Valley in Ostdeutschland
In der Konsequenz bedeutet dies auch, dass die Nutzung der erneuerbaren Energien, vor allem auch in Deutschland, forciert ausgebaut werden muss. Dadurch kann der Eigenversorgungsgrad einfach und letztlich auch kostengünstig erhöht werden. Dieses Ziel steht auch auf der Agenda der amtierenden Bundesregierung, wenn auch bis vor wenigen Wochen noch ausschließlich aus Klima- und Umweltschutzgründen.
Photovoltaik: Produktion in Europa bringt mehr Unabhängigkeit von China
Eine derartige weitergehende Nutzung des erneuerbaren Energieangebots bedeutet – folgt man den laufenden Diskussionen und berücksichtigt man die gegebenen Befindlichkeiten – im Wesentlichen einen Ausbau der Sonnen- und der Windenergienutzung. Von diesen beiden Optionen ist die Photovoltaik in der Theorie sehr schnell umsetzbar. Photovoltaikkraftwerke im zweistelligen Megawattbereich können in wenigen Wochen installiert werden, falls die Module vor Ort verfügbar sind.
Derzeit werden aber über 90 % der globalen Photovoltaikzellen- und -modulproduktion in China realisiert. Da das Land eine sehr strikte No-Covid-Politik verfolgt, kommt es immer wieder zu entsprechend großen Wartezeiten bzw. zu merklichen Lieferengpässen. Das heißt: Der Ausbau der vermeintlich krisensicheren Nutzung der Sonnenenergie kann durch die zum Teil begrenzte Verfügbarkeit von Photovoltaikmodulen durch ein den globalen Markt praktisch dominierendes Land stark eingeschränkt werden. Die Tatsache, dass Deutschland und Europa nicht die einzigen Nachfrager nach Photovoltaikmodulen aus China mit ambitionierten Ausbauzielen sind, verschärft die Situation zusätzlich.
Das EU-Klimapaket „Fit for 55“ kann nur mit einer Wertschöpfungskette für Photovoltaik in Europa gelingen
Die ambitionierten Ziele des „Fit for 55“-Pakets der EU unterstreichen die Ausbaunotwendigkeiten der Photovoltaik. In Abhängigkeit vom Ausbau anderer „grüner“ Stromerzeugungsoptionen dürfte in der EU bis 2030 ein jährlicher Photovoltaikzubau von über 50 GW/Jahr erforderlich werden. Gegenüber dem zuletzt realisierten Ausbau von etwa 21 GW/Jahr bedeutet dies mehr als eine Verdopplung. Wird dieser Zubau – zum Beispiel durch eine mangelnde Lieferkettensicherheit – verzögert, muss zum Erreichen der gesetzten Ziele in den Folgejahren ein noch stärkerer Ausbau realisiert werden. Die existierenden Produktionskapazitäten können eine dann entsprechend erhöhte Nachfrage jedoch nicht zwingend bedienen.
Photovoltaikbranche im Brennpunkt
Ein temporärer oder dauerhafter Einbruch des Photovoltaikzubaus verzögert de facto den immer dringender werdenden Klimaschutz. Eine zusätzlich zu der asiatischen beziehungsweise chinesischen Produktion realisierte großvolumige Fertigung von Photovoltaikwafern und -zellen könnte das Risiko für entsprechende Disruptionen hingegen mindern. Gleichzeitig könnte sie durch eine weitergehende Konkurrenz helfen, vorhandene Optimierungspotenziale zu erschließen.
Investitionen in eine EU-weite Wertschöpfungskette für Photovoltaik ist volkswirtschaftlich sinnvoll
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