Übergewinne aus Öl und Gas könnten Klimaschutz finanzieren
Auf der COP29 verhandeln die Staaten, wie sich der Klimafonds für die ärmeren Staaten füllen lässt. Übergewinne der Öl- und Gaskonzerne könnten helfen.
Inhaltsverzeichnis
- Übergewinne aus dem Kriegsjahr 2022 könnten den Klimafonds fünf Jahre füllen
- Um wie viel Geld geht es bei den Finanzverhandlungen in Baku?
- Das Problem: Der Finanzbedarf ist groß, die öffentlichen Kassen klamm – weltweit
- 42 % der Übergewinne bei staatlichen Firmen
- Ziel: Geld aus der Öl- und Gasbranche in den Klimaschutz umlenken
Gestern begann in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, die 29. Weltklimakonferenz, die COP29. Schwerpunkt ist, das war im Vorfeld von Fachleuten übereinstimmend zu hören, die Klimafinanzierung. Es geht nicht um symbolträchtige Abkommen, sondern schlicht ums Geld. Woher soll das Geld kommen, damit ärmere Länder Klimaschutz und Klimaanpassung bezahlen können?
Übergewinne aus dem Kriegsjahr 2022 könnten den Klimafonds fünf Jahre füllen
Die Studie eines internationalen Forschungsteams, an der auch die TU München (TUM) beteiligt war, zeigt nun: Allein mit demjenigen Teil der Gewinne von Öl- und Gasunternehmen, der wegen der Energiekrise 2022 höher als erwartet ausfiel, hätten die bislang zugesagten Gelder der Industriestaaten – 100 Mrd. $/annum – für fast fünf Jahre gedeckt werden können. Die Studie empfiehlt daher: Besteuert doch diese Übergewinne. Ein anderes Herangehen, um die Unternehmen der Branche im Rahmen der Klimapolitik zu verpflichten, war die Vorgehensweise der niederländischen Umweltorganisation Milieudefensie, die Shell per Gerichtsurteil zu massiven Minderungen bei den Treibhausgasemissionen zwingen will. Ein Gericht in Den Haag hat das am heutigen 12. November vorerst gestoppt.
Um wie viel Geld geht es bei den Finanzverhandlungen in Baku?
Die Industrieländer hatten schon 2009 zugesagt, zwischen 2020 bis 2025 jährlich 100 Mrd. $ an ärmere Länder für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel zu mobilisieren. Das klappt inzwischen, auch wenn der Großteil dieser Summe kreditbasiert ist. Was aber ist ab 2026? Da soll die Nachfolgevereinbarung, das New Collective Quantified Goal (NCQG), gelten. Folgende Fragen sind dafür zu klären:
- Welche Länder sollen zahlen?
- Woher kommt das Geld?
- Welche Länder bekommen Geld?
- Wie lange gilt das NCQG?
- Wie viel Geld soll fließen?
Das Problem: Der Finanzbedarf ist groß, die öffentlichen Kassen klamm – weltweit
Bisher hat man sich auch bei den Vorverhandlungen zur COP29 nicht auf beschlussreife Vorvereinbarungen zum NCQG einigen können. Unter anderem auch deshalb, weil es Unsicherheiten gibt, was die Verlässlichkeit der Zahlungen angeht. Die gibt es zum Beispiel, wenn Hausnummern für Summen seitens privater Geldgeber in solch einer Vereinbarung stehen. Wer bitte schön haftet, wenn das Geld nicht fließt?
Die Antwort der Studie: unvorhergesehene Einnahmen, sogenannte Übergewinne (im Englischen treffender: windfall profits), der bisherigen Profiteure im Öl- und Gassektor besteuern. Das würde verlässliche Einnahmen schaffen. Das Forschungsteam untersuchte laut TUM die veröffentlichten Gewinne des Jahres 2022 von 93 der weltweit größten Öl- und Gasunternehmen.
Um die unerwarteten Einnahmen zu beziffern, verglichen die Forschungsteams die erzielten Gewinne mit den vorher geäußerten Einnahmenprognosen von Analystinnen und Analysten zu Beginn des Jahres. Fazit: 753 Mrd. $ Gewinn waren erwartet worden, 1,243 Billionen $ blieben in den Kassen hängen. Das sind fast 500 Mio. $ mehr gewesen als erwartet. „Diese zusätzlich erzielten Profite nur eines Jahres belaufen sich annähernd auf die Summe, die den ärmeren Staaten für einen Fünfjahreszeitraum versprochen wurde“, sagt Studienleiter Florian Egli, der an der TUM den Lehrstuhl für „Public Policy for the Green Transition“ (Öffentliche Ordnung für die Grüne Wende) innehat.
42 % der Übergewinne bei staatlichen Firmen
Welchen Zugriff aber hätten die Regierungen auf diese knapp 500 Mrd. $ realistischerweise gehabt? Immerhin 42 % der besagten Gewinne erzielten staatlich kontrollierte Firmen, der größte Anteil in Norwegen, so das Ergebnis. Geld also ist da. „Die Regierungen haben also die unmittelbare Möglichkeit, die aufgrund einer Krise erzielten Profite abzuschöpfen, um sie zur Bekämpfung der Klimakrise einzusetzen“, folgerte die zweite Studienleiterin, die Wirtschaftswissenschaftlerin Anna Stünzi von der Universität St. Gallen.
Von den privatwirtschaftlichen Unternehmen, die Übergewinne erzielten, hätten 95 % ihren Hauptsitz in Staaten, die sich auf einen Beitrag zur Klimaschutzfinanzierung verpflichtet haben, so die TU München zu den Studienergebnissen. „Mit einer Steuer auf Übergewinne aus Öl und Gas könnten zumindest einige Industriestaaten Einnahmen generieren, mit denen sie ihre Versprechen gegenüber den ärmeren Ländern erfüllen könnten“, sagt Egli. Unter den privatwirtschaftlichen Unternehmen sei gut die Hälfte dieser Gewinne (143 Mrd. $) an Firmen in den USA geflossen, weitere 37 % an Unternehmen in Großbritannien, Frankreich und Kanada. Fast alle Firmen hätten ihren Sitz in G20-Staaten.
Die Forschenden weisen darauf hin, dass Gewinne großer Unternehmen in der Studie fehlten. Einige der größten Unternehmen, so aus Russland, dem Iran, Südafrika und Venezuela, veröffentlichten ihre Zahlen nämlich nicht.
Ziel: Geld aus der Öl- und Gasbranche in den Klimaschutz umlenken
Die Öl- und Gasindustrie sei seit jeher eine der profitabelsten Branchen, weiß Florian Egli. An das Geld heranzukommen, weiß er aber auch, ist schwierig: „Ein internationales Abkommen, diese Gewinne zu besteuern, wäre sicher nicht leicht zu erreichen. Aber die Vereinbarung zur globalen Mindeststeuer für Unternehmen, die mehr als 130 Staaten 2023 unter dem Dach der OECD und der G20 getroffen haben, könnte ein Vorbild sein.“ Die Steuern könnten in einen Fonds fließen, sodass auch in Jahren ohne Übergewinne Gelder zur Verfügung stünden.
„Die Neuausrichtung der Einnahmen aus fossilen Brennstoffen im Einklang mit den Klimazielen sollte als Nächstes auf der globalen Agenda stehen“, fordert auch Michael Grubb, der am University College London die Professur für Energie und Klimawandel innehat. „Die Besteuerung von Übergewinnen könnte Investitionen in Öl und Gas eindämmen und auslaufen lassen, einen stabilen und effizienten Markt für saubere Energie aufbauen und dazu beitragen, die Finanzströme mit den Zielen des Pariser Abkommens in Einklang zu bringen.“