Wasserstoff: Bundesregierung will Erzeugungskapazität verdoppeln
Die Bundesregierung hat heute (26. 7. 2023) ein Update der nationalen Wasserstoffstrategie beschlossen. Statt 5 GW Erzeugungskapazität in Deutschland sollen es bis 2030 10 GW werden.
Das Bundeskabinett hat heute neue Leitplanken für die Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland festgelegt, die unter dem Namen „Nationale Wasserstoffwirtschaft“ zusammengefasst wurden. Bis 2030 soll es Erzeugungskapazitäten für grünen Wasserstoff und seine Derivate in Höhe von 10 GW in Deutschland geben – bisher standen 5 GW als Ziel in der Strategie. Der Rest soll, dies ist nichts Neues, importiert werden. Eine entsprechende Importstrategie soll entwickelt werden. Anfangs läuft der Import vor allem per Schiff – nicht umsonst sind die neu eingerichteten LNG-Terminals (Liquefied Natural Gas) an Nord- und Ostsee darauf ausgerichtet, auf das Anlanden von Wasserstofftransportschiffen umgerüstet werden zu können. Zudem will sich Deutschland weltweit bis 2030 als Leitanbieter für Wasserstofftechnologien etablieren.
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Später könnten Pipelines folgen. So will der Hafen von Rotterdam bis 2026 eine Investitionsentscheidung über den „Delta Rhine Corridor“ – eine Pipeline vom Hafen bis zur deutsch-niederländischen Grenze – getroffen haben. Die Betreibergesellschaft will den Hafen zum führenden Wasserstoff-Hub in der EU ausbauen. In den Niederlanden gibt es bereits einen prinzipiell festgelegten Pipelinekorridor. Wichtig ist daher, dass auch die Pläne auf deutscher Seite schnell folgen. Noch dieses Jahr sollen daher die deutschen Gasfernleitungsnetzbetreiber Pläne für ein deutsches Wasserstoffkernnetz vorlegen.
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Wasserstoff gilt als essenziell, um den großen Energiebedarf energieintensiver Industriezweige wie Baustoffe (Zement, Klinker), Stahl, Glas, Papier oder auch der chemischen Industrie so umzuwandeln, dass netto keine Treibhausgasemissionen entstehen. Treibhausgasneutralität nennt sich das. Mehr noch: Grüner, also klimafreundlich hergestellter, Wasserstoff (H2) lässt sich umwandeln in Derivate wie Ammoniak (NH3), Methanol (CH3OH) und weiter bis hin zu synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels). Daher gilt Wasserstoff auch als strategisch, um CO2-Emissionen in bestimmten Langstrecken-Verkehrsbereichen wie in der Schiff- und Luftfahrt und dem Lkw-Verkehr deutlich zu verringern.
Wasserstoff: Konkrete Gesetze und Maßnahmen müssen schnell folgen
Das hatte schon die Vorgängerin der heutigen Bundesregierung erkannt und einen Nationalen Wasserstoffrat (NWR) eingesetzt sowie eine Nationale Wasserstoffstrategie beschlossen (NWS). Diese erste NWS hatte vor allem das Ziel:
- die hohen Investitionen in den Aufbau von Elektrolysekapazitäten auch mithilfe von Förderung zu ermöglichen,
- Wege zu finden, die höheren betrieblichen Produktionskosten zu kompensieren
- und stabile Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen Absatz von grünem Wasserstoff zu etablieren.
Deutsche Energiewende braucht erneuerbare Wärme und Wasserstoff
Die Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz hatte bereits im Koalitionsvertrag beschlossen, diese Nationale Wasserstoffstrategie „ambitioniert“ fortzuschreiben. Daraus müssten jetzt „schnell konkrete Gesetze und Maßnahmen folgen, die Vertrauen in einen breiten Markthochlauf in Anwendungen und Erzeugung schaffen, Planungssicherheit geben und Investitionen anreizen“, zitiert die Deutsche Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Verbände sehen noch Verbesserungsmöglichkeiten bei nationaler Wasserstoffstrategie
Die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie, die allenthalben seitens des BDEW oder auch durch den Verband der kommunalen Unternehmen (VKU) begrüßt wird, geht manchen jedoch nicht weit genug. So sehen Klima-Allianz Deutschland und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Nachbesserungsbedarf in der Priorisierung der Anwendungsbereiche. Der Förderung von blauem Wasserstoff aus Erdgas und dem Einsatz von Wasserstoff in Heizungen stehen die Verbände kritisch gegenüber. Blauer Wasserstoff ist konventionell über Erdgas hergestellter Wasserstoff, jedoch wird das entstehende Treibhausgas CO2 aufgefangen und gespeichert und somit die Emissionen unterbunden. Blauer Wasserstoff gilt daher als klimaneutral, weil netto durch seine Herstellung keine Emission entsteht.
Studie: Deutsche Industrie braucht für Klimaschutz die Option Wasserstoff
Laut des europäischen Wasserstoffverbands Hydrogen Europe ermöglicht die fortgeschriebene Nationale Wasserstoffstrategie Deutschland in neun Jahren die breite Nutzung von grünem Wasserstoff in der Industrie und im Wärmesektor. Deutschland werde so „auf dem Weltmarkt neben China der wichtigste Abnehmer von grünem Wasserstoff sein“, so Verbandschef Jorgo Chatzimarkakis. Der Verband nennt aber auch gleich acht Stellschrauben, an denen aber noch einmal nachjustiert werden müsse, darunter, dass biogener Wasserstoff sowie Wasserstoff aus Abfällen (Waste-to-Hydrogen) bisher nicht berücksichtigt werden, „obwohl sie negative Emissionen aufweisen und einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten können“, so der Verband.
Wasserstoff für Energiewende in vielen Sektoren heute schon wichtig
Wie wichtig die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie ist, zeigen auch andere Felder im Bereich Energiewende und Klimaschutz. So ist die Wasserstoffwirtschaft eng verzahnt mit dem Kohleausstieg und dem Konzept von Gaskraftwerken als Brückentechnologie. Um möglichst schnell diese Gaskraftwerke im Betrieb treibhausgasneutral stellen zu können, sollten diese Anlagen Wasserstoff verfeuern können bzw. perspektivisch umrüstbar. Die Bundesregierung entwickelt daher eine Kraftwerksstrategie für die Weiterentwicklung des Anlagenparks bis 2030. Der BDEW stellte vor einer Woche (20. 7. 2023) dazu ein eigenes Konzept vor für grundsätzliche Kriterien und Anforderungen an die geplanten Ausschreibungen für die geplanten zwischen 20 GW und 40 GW an H2-ready-Kraftwerke. „Die Bundesregierung muss rasch Klarheit darüber schaffen, wie Versorgungssicherheit zudem mittel- und langfristig organisiert werden soll“, fordert BDEW-Chefin Andreae.
Rheinenergie: 3,8 Mrd. € für die Wärmewende, Poleposition für Wasserstoff
Auch die maritime Wirtschaft baut für ihren klimaneutralen Umbau auf grünen Wasserstoff. Laut einer am 25. 7. 2023 vorgestellten Studie beträgt der Bedarf bis etwa 2050 etwa 3,5 Mio. t H2. Das entspricht einem Energiegehalt von rund 120 TWh, errechnete die Ludwig-Bölkow Systemtechnik im Auftrag des Deutschen Maritimen Zentrums. Der weitaus größte Teil davon entfällt auf die deutsche Hochseeflotte mit ihren derzeit rund 1700 Schiffen, der vergleichsweise kleine Rest auf See- und Binnenhäfen sowie auf den Schiffbau und seine Zulieferer.