Weltpremiere beim Wasserstoff: Fossilfreier Stahl an Volvo geliefert
Die schwedische Stahlschmiede SSAB hat nach eigenen Angaben den ersten fossilfreien Stahl der Welt hergestellt und bereits an seinen Kunden, den Autohersteller Volvo, geliefert. Eine Testlieferung – bis 2026 will SSAB den Markt regulär mit Wasserstoffstahl beliefern können.
„Der weltweit erste fossilfreie Stahl wird geliefert“, freuen sich die Konsortialpartner des schwedischen Projekts Hybrit der Spezialstahlhersteller SSAB, der staatliche schwedische Energiekonzern Vattenfall und das Bergbauunternehmen LKAB, das vornehmlich Eisenerz fördert. Hybrit wurde schon 2016 aus der Taufe gehoben und hat das Ziel im Stahlherstellungsprozess nicht mehr mit Kohle und Koks, sondern zu 100 % mit grünem Wasserstoff zu reduzieren. Fossilfreier Stahl oder Wasserstoffstahl heißt dann das fertige Produkt, Defossilisierung der Wertschöpfungskette das Prinzip.
Wie dringlich diese Technologie für die Branche ist, machte der schwedische Stahlverband Jernkontoret schon während der Weltklimakonferenz im November 2017 in Bonn deutlich. „Es kostet uns zwischen 20 Mio. € und 45 Mio. €, um überhaupt die erste Anlage zu bauen“, erklärte damals Eva Blixt, Chefberaterin in Umweltfragen von Jernkontoret, die wirtschaftliche Herausforderung im Rahmen des Hybrit-Projekts, das sie dort vorstellte. Das Problem: „Unsere Industrie hat sehr lange Investitionszyklen. Bis 2050 haben wir die Möglichkeit für eine neue Technologie nur eine einzige neue Anlage zu bauen.“ Die Branche, machte Blixt deutlich, habe einen Schuss frei. Der müsse sitzen. Das die Volvo-Gruppe jetzt die erste Lieferung fünf Jahre nach dem Start erhalten hat, um damit auch Erfahrungen sammeln zu können, ist dabei ein wichtiger Meilenstein.
Wasserstoff, der neue Freund des Stahls
Die Schweden sind nicht allein. Deutschlands größter Stahlkonzern Thyssen setzt auf Wasserstoff und will in Zukunft vermehrt in Wasserelektrolyse investieren und sich so langfristig vom Hochofen verabschieden. Auch der weltgrößte Stahlkonzern Arcelor Mittal setzt auf Emissionsreduktion bei der Stahlherstellung und will die Hochöfen in seinen deutschen Hüttenwerken ersetzen. Auch ein deutsch-französisches Konsortium aus der Stahl-Holding-Saar, Liberty Steel und dem Anlagenbauer Paul Wurth arbeitet gemeinsam an der Wasserstoffroute in der Stahlproduktion und will einen Riesenelektrolyseur bauen.
Den jetzt an die Volvo Group gelieferten Stahl hat SSAB in Oxelösund bereits im Juli gewalzt. Martin Lindqvist, Präsident und CEO von SSAB bezeichnet diesen Stahl als „großer Durchbruch für SSAB“. Er beweise, dass die Klimaauswirkungen der globalen Stahlindustrie deutlich reduziert werden können. „Wir hoffen, dass dies andere dazu inspirieren wird, das Tempo der Transformation zu beschleunigen“, sagt er. Im Juni 2021 hatten SSAB, Vattenfall und LKAB den ersten wasserstoffreduzierten Eisenschwamm präsentiert, der in der Hybrit-Pilotanlage in Luleå produziert wurde. Aus diesem neuartigen Eisenschwamm wurde jetzt der erste Stahl hergestellt.
Viel Strom für grünen Stahl
Ziel ist es, ab 2026 den Markt mit fossilfreiem Stahl zu beliefern und die Nutzung der Technik im industriellen Maßstab zu demonstrieren. Nach Angaben des Hybrit-Konsortiums ließen sich die gesamten Kohlendioxidemissionen Schwedens um mindestens 10 % und Finnlands um 7 % reduzieren, wenn SSAB seine Stahlherstellung komplett auf Wasserstoffreduktion umstellt. Damit liegt Finnland nach Angaben von SSAB exakt im weltweiten Durchschnitt für die Stahlbranche.
Die Energie für die gesamte Wertschöpfungskette kommt aus Wasserstoffelektrolyseuren, die den grünen Wasserstoff erzeugen, sowie aus fossilfreien Pellets und Ökostrom: Die fossilfreie Eisen- und Stahlproduktion mit der entwickelten Wasserstofftechnologie entsprechend dem aktuellen Produktionsniveau von SSAB werde etwa 15 TWh an Ökostrom pro Jahr benötigen, heißt es bei Vattenfall. Zum Vergleich: Wenn alle derzeit rund 45 Mio. Pkw auf deutschen Straßen weitgehend elektrisch fahren würden, so wären nach Angaben des deutschen Bundesumweltministeriums dafür gut 100 TWh im Jahr nötig.
Diese 15 TWh an Ökostrom schnell genug bereitstellen zu können, ist auch in Schweden offenbar eine Herausforderung. Die Genehmigungsverfahren für den Ausbau des Stromnetzes und der Stromerzeugung in Schweden müssten schneller und einfacher werden, so Vattenfall. Eine Klage, mit der die Schweden nicht allein dastehen: Auch in Deutschland gilt der lahmende Stromnetzausbau als einer der Haupthinderungsgründe für ein schnelles Ausrollen von Ökostromerzeugungskapazitäten.