Woher unsere Kohle kommt
Steinkohlen werden schon seit vielen Jahren in Deutschland immer weniger genutzt. Der Rohstoff kommt schon länger vor allem aus dem Ausland – in Zukunft ausschließlich.
Ganz in der Nachbarschaft des letzten aktiven deutschen Steinkohlenbergwerkes Prosper Haniel liegt der Chemiepark Marl. Der braucht Energie – und dafür sorgt seit 80 Jahren dort ein Steinkohlekraftwerk.
In Zukunft müssen dessen beide Blöcke ohne die Kohle aus dem 27 km entfernten Bergwerk auskommen. Der letzte Zug mit Steinkohle aus der Produktion des Bergwerks Prosper Haniel hat am „27. November, um 16.49 Uhr den Chemiepark Marl erreicht“, notiert das Unternehmen. Von den täglich 2200 t Steinkohlen stammte zuletzt noch rund die Hälfte aus heimischer Förderung aus dem letzten Bergwerk Prosper Haniel.
Wofür braucht die deutsche Wirtschaft Steinkohle? Der Chemiepark Marl steht für einen der typischen Einsatzzwecke von Steinkohle in Deutschland. Der Rohstoff ist vor allem Energierohstoff, zudem dient Koks bei der Stahlerzeugung als Reduktionsmittel.
Die Haupteinsatzgebiete für Steinkohlen in Deutschland sind Kraftwerke (Kesselkohle) und die Stahlherstellung (Kokskohle, Koks). „Der Anteil der Steinkohlennutzung in der Stahlindustrie wird dabei in der Regel unterschätzt“, erläutert Franz-Josef Wodopia, Geschäftsführer des Vereins der Kohlenimporteure (VDKi) in Berlin. Das liege daran, dass die in der Stahlindustrie eingesetzten Einblaskohlen statistisch der Kesselkohle zugeordnet würden.
Neben dem Einsatz in der Stromerzeugung und der Stahlherstellung gäbe es noch den „Hausbrand“, so Wodopia, und in geringen Mengen die reine industrielle Wärmeerzeugung aus der Steinkohlenverfeuerung ohne Kraft-Wärme-Kopplung. Ein Beispiel dafür ist eine saisonal anfallende Nutzung bei der Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte. Eine nicht energetische Nutzung als chemischer Rohstoff – wie über eine Kohleverflüssigung – spiele derzeit keine Rolle in Deutschland.
Wie entwickelt sich die Steinkohlennutzung in Deutschland? Der Einsatz von Steinkohle zur Primärenergieerzeugung ist hierzulande seit Jahren rückläufig.
Hauptverlustbringer dabei sind die Kesselkohlen, die in der Stromerzeugung eingesetzt werden. Strom aus Steinkohle ist 2017 in Deutschland deutlich gesunken (-17 %). Stand Juni 2018 zeichnete sich ab, dass für den weiteren Jahresverlauf ein erneuter Rückgang um rund 20 % zu erwarten ist. Hintergrund ist eine komplexe Gemengelage, die sich zum Nachteil für die Steinkohle auswirkt.
Der VDKi nennt zum einen die verstärkte Einspeisung erneuerbarer Energieträger, insbesondere der Windenergie, zum anderen den politisch geförderten Einsatz von Erdgas-KWK-Anlagen (KWK: Kraft-Wärme-Kopplung). Bisher auf Kohlebasis befeuerte KWK-Anlagen werden dabei zunehmend durch erdgasbasierte ersetzt. Das KWK-Gesetz von 2016 spiele „eine entscheidende Rolle“, schreibt der VDKi und resümiert: „Die Steinkohle hat somit ihren Beitrag zu den CO2-Reduktionszielen im Rahmen des Klimaschutzplans der Bundesregierung schon heute so gut wie erfüllt.“
Hinzu komme, so der VDKi, das Zusammenwirken mehrerer Einflussgrößen, den Bruttomargen von Steinkohle- und Gaskraftwerken, die von CO2-Preis und Strompreis abhängen.
Die Bruttomarge der Steinkohle sei – unabhängig von der Wettbewerbssituation mit dem Gas betrachtet – viel zu niedrig für einen auskömmlichen Betrieb von Kraftwerken, schreibt der Verband in seinem Jahresbericht vom Juni 2018. Dabei lagen 2017 die Bruttomargen für Erdgas tendenziell unter denen für Steinkohle.
Woher kommt die Steinkohle, die in Deutschland genutzt wird? „Die Importe nach Deutschland sind für alle Qualitäten nach Herkunftsländern breit gestreut“, schreibt der VDKi in seinem jüngsten Jahresbericht. Es handele sich dabei „ganz überwiegend um politisch stabile Länder“. Die Hauptlieferanten sind Russland, USA, Kolumbien, Australien, Polen, Südafrika und Kanada (s. große Grafik). Sie sind seit Jahren die Hauptlieferanten für den deutschen Markt, wobei die Anteile sich über die Jahre hinweg ändern.
Der Löwenanteil liegt dabei beständig bei Russland. 2017 stiegen die russischen Importe sogar um 12 % auf 19,7 Mio. t, was 38 % der gesamten Importkohle von 51,3 Mio. t darstellte. Kolumbien, bisher Nummer zwei der Lieferanten, wurde von den USA abgelöst.
Der große Nachbar im Osten wird von der EU kritisch beäugt, was die Dominanz bei der Lieferung von Energierohstoffen angeht. In Deutschland stellte er 2017 fast die Hälfte (49 %) der deutschen Importe von Kesselkohle (insgesamt 36,2 Mio. t). Nach Russland folgen Kolumbien (18 %) und die USA (16 %).
Australien liefert fast ausschließlich Kokskohle nach Deutschland und ist mit 5,5 Mio. t (43 % Marktanteil) auch deren Hauptimporteur vor den USA (3,4 Mio. t oder 26 % Marktanteil). Hinzu kommen Russland und Kanada mit größeren Marktanteilen bei den insgesamt 12,9 Mio. t an importierter Kokskohle. Die 2,3 Mio. t Importkoks stammen zum Großteil aus den Nachbarländern Polen (63 %) und Tschechien (12 %).
Die „Kohlekommission“ und die Steinkohle: Ist von der sogenannten Kohlekommission – eigentlich: Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ – die Rede, bleibt die (in Zukunft nur noch importierte) Steinkohle in der aktuellen Debatte meist außen vor. Dabei ist sie mit von der Partie. Denn es gehört zum Arbeitsauftrag, „einen Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung, einschließlich eines Abschlussdatums und der notwendigen rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und strukturpolitischen Begleitmaßnahmen“ zu entwickeln.
Die öffentliche Debatte kreißt fast nur um die Braunkohleverstromung. Der „Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung“, muss aber auch auf die Steinkohle eingehen. Wie, ist noch ziemlich unklar. Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze hoffte noch im Sommer: „Erste Ergebnisse erwarte ich bis zur Weltklimakonferenz Ende des Jahres in Kattowitz, damit wir zeigen können, dass Deutschland es ernst meint mit dem Klimaschutz.“ Nur das klappte nicht. Die Standortfrage für die deutschen Braunkohlereviere und deren finanzielle Ausstattung für den anstehenden Strukturwandel überschattet derzeit alles.
Ist eine Nutzung von Kohle als chemischer Rohstoff absehbar? Die Hoffnung darauf, dass Kohle in großem Stil rohstofflich genutzt wird, ist industriegeschichtlich rund ein Jahrhundert alt. Frank Fischer und Hans Tropsch entdeckten 1925 am Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr, wie man aus Kohle Benzin macht. Anlagen, die die Fischer-Tropsch-Synthese nutzen, wurden gebaut und werden erfolgreich betrieben. Wirtschaftlich ist das heute in Deutschland aufgrund des niedrigen Rohölpreises nicht mehr.
Im „Institut für Kohlenforschung“, spielt die Forschung am Rohstoff Kohle heute keine Rolle mehr, wie Pressesprecherin Isabel Schiffhorst erläutert. Die zur Max-Planck-Gesellschaft gehörende Einrichtung konzentriert sich heute auf chemische Umwandlungen. „Die Katalyse steht dabei im Zentrum der Arbeiten“, so Schiffhorst.
Doch selbst in Mülheim arbeiteten sie im Jahr 2006 noch an neuen Katalysatoren, um Magerkohle zu verflüssigen – damals berief man sich auf den hohen Ölpreis. Und im Rahmen der Suche nach Energiespeichern stehen Technologien, die Energieträger jeglicher Art in gut speicherbare Formen umwandeln, hoch im Kurs. „to liquid“, kurz „tL“, ist dabei eines der Zauberworte. Ob Kohle, Gas, oder irgendein anderes kohlenstoffhaltiges Ausgangsmaterial – alle lassen sich in einen Fischer-Tropsch-Prozess einspeisen und verflüssigen.