Forschung für Lebensmittelproduktion 17. Jan 2022 von Martin Ciupek Lesezeit: ca. 3 Minuten

Automatisierte Aufzucht von Insekten für Nutztierfütterung kommt voran

Eine wachsende Weltbevölkerung bei gleichzeitig steigenden Anforderungen an den Klimaschutz erfordert auch einen Wandel in der Lebensmittelproduktion. Eine Lösung für die Aufzucht von Nutztieren könnten Proteine aus Insekten sein.

Essbare Insekten: Gebratene Käfer, Grillen und Larven an einem Marktstand in Kambodscha.
Foto: panthermedia.net/ConnyFuchs

Mit Erkenntnissen aus ihrem Forschungsprojekt zur Produktion von Insekten und deren Verarbeitung als zukünftige Futtermittel soll der Ertrag aus der Lebensmittelproduktion gesteigert werden. Dazu wollen Forschende unterschiedlicher Institute beitragen. Denn alternative Protein- und Fettträger für die Fütterung von Nutztieren werden überlebenswichtig, wenn die Weltbevölkerung weiter wächst. „Um ausreichende Mengen an Insekten herstellen zu können, ist eine weitgehende Automatisierung der Aufzucht notwendig“, erklärte Rainer Michael Benning von der Hochschule Bremerhaven. Der Professor für Lebensmitteltechnologie forschte in den vergangenen Jahren dazu gemeinsam mit Verena Böschen vom Forschungsinstitut Futtermitteltechnik der Internationalen Forschungsgemeinschaft Futtermitteltechnik e.V. (IFF) in Braunschweig, Andreas Baur und Tobias Beck von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sowie Nina Kröncke, ebenfalls von der Hochschule Bremerhaven. Im Team untersuchten sie im Rahmen eines Projekts der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF), wie das gelingen kann.

Prozesstechnik in Anlage optimiert

Das Ergebnis ist eine kleinmaßstäbliche Anlage zur Produktion von Insekten. Darin wird der gesamte Weg der Aufzucht – vom Ei bis zur Larve – sowie die Weiterverarbeitung der Insekten zu Futtermitteln abgebildet und prozesstechnisch optimiert. Im Mittelpunkt standen dabei letztlich Mehlkäferlarven. Forscherin Böschen erklärte dazu: „Bei der Aufbereitung der Insekten haben wir uns an handelsüblichen Industrieprozessen orientiert, z. B. für die Erzeugung von Olivenöl über Seiherschneckenpressen. Das ist das sogenannte Trockenverfahren.“ Ihre Kollegin Kröncke ergänzte: „Im Nassverfahren arbeitet man mit Zentrifugationstechnik. In beiden Fällen entstehen am Ende ein Proteinmehl und ein Öl.“ Aus dem Proteinmehl werde schließlich ein Futtermittel hergestellt. Das sind Pellets, die laut dem Team für die Schweine- oder Geflügelernährung eingesetzt werden können.

Maschinenhersteller will damit in neue Marktsegmente vorstoßen

Wirtschaftlichen Nutzen möchte daraus der Projektpartner Maschinenfabrik Reinartz GmbH & Co. KG ziehen. Niklas Stadermann, Geschäftsführer des Unternehmens, machte deutlich: „Dieses IGF-Projekt hat uns als Anlagen- und Verfahrenstechniker die Möglichkeit eröffnet, in neue Marktsegmente vorzustoßen. In Kooperation mit dem AiF-Mitglied haben wir unsere Technologie in einem neuen Industriezweig zur Entfettung von Insekten erproben und weiterentwickeln können.“

Für Rolf-Michael Blume, Geschäftsführer der Internationalen Forschungsgemeinschaft Futtermitteltechnik, ist das ein Paradebeispiel der Industriellen Gemeinschaftsforschung. „Verschiedene Player aus dem Bereich der Industrie, kleine und mittlere Unternehmen, Maschinenbauunternehmen und Futtermittelhersteller haben sich zusammengefunden und beim Thema ‚Insektenaufzucht‘ erstmalig zusammengearbeitet. Erste Ergebnisse wurden bereits in die Industrie transferiert“, erklärte er.

Auch für Produktion von Fleischersatz und Kosmetika interessant

Die Forschenden sehen aber auch noch weitere Einsatzmöglichkeiten für die auf diese Weise gezüchteten Insekten. Über die Verwendung als Futtermittel hinaus können die Insekten oder deren Bestandteile auch in der Produktion von Fleischersatz und anderen Lebensmitteln oder bei der Herstellung von Kosmetika und Pharmazeutika eingesetzt werden. Die Ergebnisse der technologieoffenen Forschung kämen dabei mittelständischen Unternehmen in Deutschland aus allen Branchen zugute.

Die vorwettbewerbliche Industrielle Gemeinschaftsforschung wird im Innovationsnetzwerk der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. (AiF) organisiert und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mit öffentlichen Mitteln gefördert. Das Forschungsprojekt zur Produktion von Insekten und deren Verarbeitung als zukünftige Futtermittel war Ende 2021 unter den Nominierten für den Otto von Guericke-Preis der AiF Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke e.V.“ Die AiF vergibt den mit 10 000 € dotierten Preis seit 1997 an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für besondere Innovationsleistungen auf dem Gebiet der vorwettbewerblichen Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF). Letztlich mussten sich die Forschenden aus der Lebensmitteltechnik einem Team des Instituts für Energie- und Umwelttechnik e.V. – IUTA geschlagen geben. Sie hatten neue Erkenntnisse zur Entwicklung poröser papiertechnisch hergestellter Titan-Stromverteiler für die Elektrolyse mit Proton-Exchange-Membrane (PEM) geliefert.

Mit Informationen von AiF e.V.

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