Chemie-Nobelpreis für Väter der Lithium-Ionen-Batterie
Lithium-Ionen-Batterien sind Stand der Technik, wenn es um Elektromobilität und Stromspeicherung für Ökostrom geht. Jetzt erhalten deren Erfinder den Chemie-Nobelpreis.
Der US-Amerikaner John Goodenough, der in England geborene Stanley Whittingham und der Japaner Akira Yoshino seien entscheidend an der Entstehung von Lithium-Ionen-Batterien beteiligt gewesen. Deshalb würde ihnen der diesjährige Chemie-Nobelpreis verliehen. Das teilte heute die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm mit. Die Auszeichnung ist derzeit mit umgerechnet ca. 830.000 € dotiert.
Die Energiespeicher sind inzwischen allgegenwärtig, in Smartphones, Laptops, Solarspeichern und in Elektroautos. Aufgrund der letzten beiden Anwendungen gilt die Batterietechnik auch als Schlüssel für die Energiewende weltweit. Weil der Rohstoff Lithium aber unter teils fragwürdigen Bedingungen gefördert wird und es noch keine marktgängige Recyclingtechnik bis hinunter auf die Stoffebene gibt, steht der Ausbau der Technik inzwischen in der Kritik.
Forschungen der Nobel-Preisträger bauen aufeinander auf
Die erste funktionsfähige Lithium-Batterie entwickelte Whittingham in den 1970er-Jahren, Goodenough verwendete 1980 erstmals Lithiumcobaltoxid (LCO) und schuf die Voraussetzung für die Leistungsfähigkeit der heutigen Technik. Yoshino schließlich schuf 1985 das erste kommerziell verwertbare Produkt.
Akira Yoshino passt so gar nicht ins Schema eines seriösen Wissenschaftlers. Als er 2018 auf Einladung seines Arbeitgebers, des japanischen Spezialchemiekonzerns Asahi Kasei, in Europa war, begegnete man einem gertenschlanken japanischen Spitzenforscher, den es nicht so recht an einem Fleck halten will – er ist offenbar auf dem Sprung, obwohl er fast in dem Sessel versinkt, in dem er gerade sitzt. Kaum zu glauben, wie der agile Chemiker viele Jahre in den Forschungslabors des Asahi-Kasei-Konzerns verbracht haben soll.
Hoffnung auf Chemie-Nobelpreis 2018 für Yoshino erfüllt sich ein Jahr später
Leise Hoffnung schwang mit, als Asahi Kasei im letzten Jahr den heute 71-Jährigen zu einem längeren Besuch nach Europa brachte; Hoffnung, es würde eventuell letztes Jahr etwas werden mit dem Nobelpreis. Es wurde dieses Jahr etwas. Und nicht zum ersten Mal war Yoshino nominiert, der 1983 Lithiumcobaltoxid für den Pluspol des Akkus mit Polyethin als Minuspol kombinierte. „Wir probierten alle möglichen Materialien in den Labors aus“, so Yoshino. Schließlich erhielt er 1985 ein Patent für die Idee, Polyethin zu ersetzen und den Minuspol auf Basis von Grafit aufzubauen. Ohne seine Arbeit gäbe es wohl weder Smartphones noch Elektroautos.
Heute soll Yoshino seinem Heimatland helfen: Japan gilt als Wiege der Lithium-Ionen-Technik, allein die großen Lieferanten kommen derzeit vor allem aus China und Südkorea. Yoshino ist dabei eine Schlüsselfigur bei den Plänen des Kaiserreichs. Knapp 12 Mio. € steckte das japanische Wirtschafts- und Industrieministerium (Meti) 2018 in das Technologie- und Evaluierungszentrum Libtec (Lithium Ion Battery Technology and Evaluation Center) für eine Initiative.
Unter der Ägide der Autohersteller Toyota, Honda und Nissan sowie des Elektronikriesen Panasonic will Japan die kommende Generation der Lithium-Ionen-Akkus dominieren. Und Yoshino ist seit 2010 Präsident dieses Zentrums, das damals von Asahi Kasei mit gegründet wurde. Die Japaner stellen die Separatoren für die Lithium-Ionen-Batterien her.
Lithium-Ionen-Akkus werden die Zukunft beherrschen
Die bisherige Lithium-Ionen-Technik sieht Yoshino auf ihrem Zenit angekommen: Akkus mit Festkörperelektrolyten seien die kommende Technologie, die bisher allein im Labor bereits den Durchbruch geschafft hätte.
Festkörper-Akkus ohne Lithium? Yoshino ist kurzfristig leicht verwundert: Er lässt keinen Zweifel. Nein, damit meint er Lithium-Batterietechnik: Der bisher flüssige Elektrolyt, in dem die Ionen vom Plus- zum Minuspol wandern, wird durch einen festen ersetzt.
Die Zukunft, macht er deutlich, liege nicht ganz so weit von dem entfernt, was er, der frisch annoncierte Chemie-Nobel-Preisträge,r seit Jahrzehnten erforscht. Weder Lithium-Luft-Akkumulatoren noch Batteriezellen auf Basis anderer Materialien (z. B. Magnesium) hätten bisher den nötigen Durchbruch geschafft, um als Nachfolger der Lithium-Ionen-Technologie geeignet zu sein.
Chemie-Nobelpreisträger Akira Yoshino tritt bescheiden auf
Yoshino genießt hohes Ansehen bei seinem Arbeitgeber, das ist zu spüren. 1972 trat er als junger Chemiker mit 24 Jahren in das Unternehmen ein. Dass er immer noch dort arbeitet, ist für japanische Firmen nicht ungewöhnlich. Dass er 2005 Generaldirektor des nach ihm benannten Yoshino-Labors bei Asahi Kasei wurde, schon. Inzwischen hat ihn der Material- und Chemiekonzern sogar zum „Honorary Fellow“ ernannt. Eine hohe Wertschätzung.
Mithilfe des von ihm geleiteten Libtec will Japan dank der Lithium-Festkörpertechnologie die Reichweite von Elektroautos glatt verdoppeln. 2025 sollen 550 km drin sein, 2030 glatt 800 km. Und die Europäer? Das Wichtigste bei der Batterieherstellung sei die Erfahrung, die in den gemachten Fehler stecke, verdeutlicht Yoshino. Entweder braucht es viel Geld oder viel Zeit, um das aufzuholen. Oder man kooperiert, schlägt Yoshino vor – sprich: Europa würde sich mit den Experten aus Japan zusammentun.
Yoshino studierte 1970 Chemie an der Universität Kyoto, er kam dann zur Elektrochemie. Was für ihn denn damals den Reiz ausmachte? Anscheinend einen so großen Reiz, dass er auch Jahrzehnte später noch leuchtende Augen beim Erzählen bekommt. „Die Elektrochemie ist wie eine Art Wundertüte. Man weiß nicht genau, was passiert.“ Und das, so bestätigt er, mache es für ihn auch nach so viel Jahren immer noch spannend.