Cyborg-Quallen als Tiefseeforscher der Zukunft
Biohybride robotische Quallen könnten eine Revolution in der Ozeanforschung darstellen. Forschende am California Institute of Technology statten sie mit Sensorik aus – so können sie nicht nur als Datenlieferanten, sondern auch als ferngesteuerte Erkundungseinheiten für schwer zugängliche Meeresregionen dienen.
In den Tiefen der Ozeane gibt es eine Welt, die für Menschen schwer zugänglich ist. Quallen, scheinbar einfache Kreaturen ohne Gehirne, Augen und Herz, könnten sich als wertvoll für die Wissenschaft erweisen und Daten aus der Tiefsee liefern.
Forschende am California Institute of Technology (Caltech) haben unter der Leitung von John Dabiri erfolgreich biohybride robotische Quallen entwickelt, die mit Elektronik ausgestattet sind, um ihre Schwimmbewegungen zu verbessern. Diese „ozeangängigen Cyborgs“ könnten in der Lage sein, die Tiefen der Ozeane zu erkunden, Daten über Temperatur, Salzgehalt und Sauerstoffgehalt zu sammeln und somit wertvolle Informationen über die Auswirkungen des Klimawandels zu liefern.
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Die lebende Qualle ist als Tiefseeforscher einem rein mechanischen Produkt weit überlegen
Die Grundlage für diese bahnbrechende Forschung liegt in Dabiris langjähriger Arbeit mit Quallen. Ursprünglich versuchte das Forschungsteam einen mechanischen Roboter zu entwickeln, der die effiziente Fortbewegung einer Qualle imitiert. Obwohl es erfolgreich einen solchen Roboter schuf, konnte er nicht mit der natürlichen Effizienz einer echten Qualle mithalten. Die Erkenntnis, dass Quallen bereits die Ozeane erkunden, führte dazu, dass das Team Quallen als lebende, biohybride Roboter einsetzte.
Die biohybriden Quallen wurden mit einem elektronischen Schrittmacher ausgestattet, um ihre Schwimmgeschwindigkeit zu kontrollieren. Die Erkenntnis, dass schnelleres Schwimmen die Effizienz steigert, war der Ausgangspunkt für die nächste Phase der Forschung. Diesmal integrierte das Team sogenannte Vorderkörper, die wie Hüte auf der Glocke der Qualle platziert wurden. Diese Vorderkörper dienen nicht nur dazu, die Quallen stromlinienförmiger zu machen, sondern bieten auch eine Plattform für Sensoren und andere Elektronik.
Simon Anuszczyk, Doktorand und Hauptautor der Studie, erklärt: „Ähnlich wie das spitze Ende eines Pfeils haben wir 3D-gedruckte Vorderkörper entworfen, um die Glocke des Quallenroboters zu optimieren, den Luftwiderstand zu verringern und die Schwimmleistung zu steigern.“ Experimente mit dem 3D-Druck ermöglichten es, die Auftriebskraft auszubalancieren und die Quallen senkrecht schwimmen zu lassen.
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Schwimm-Schrittmacher beschleunigt Qualle auf das 4,5-Fache
Der Forschungsprozess beinhaltete auch den Bau eines dreistöckiges vertikalen Aquariums im Guggenheim-Labor des Caltech. Dieses einzigartige Set-up, ein vertikales Wasserrad, ermöglichte es den Forschern, die modifizierten Quallen unter Bedingungen zu testen, die denen in der Tiefsee ähneln. Die Ergebnisse waren beeindruckend: Eine mit dem Schwimm-Schrittmacher und dem Vorderkörper ausgestattete Qualle konnte bis zu 4,5-mal schneller schwimmen als ihre natürlichen Artgenossen, während sie eine Nutzlast trug.
Die Kosten einer bio-hybriden Qualle: 20 $
Die Kosten für jede biohybride Qualle belaufen sich laut dem Entwicklungsteam auf etwa 20 $, was im Vergleich zu den enormen Kosten Tauchroboter als äußerst attraktiv erscheint. Diese lebenden Roboter könnten eine kostengünstige Alternative sein, um wertvolle Daten aus den Tiefen der Ozeane zu sammeln. John Dabiri betont: „Wir nutzen die natürlichen Fähigkeiten der Qualle, extremen Drücken in der Tiefsee standzuhalten, sowie die Tatsache, dass sie chemische Energie aus Futter gewinnen. So kann ein Großteil der normalerweise für den Unterwasserantrieb benötigten Batterieleistung gespart werden.“
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Die Quallen kommen nach Aussagen der Forschenden durch diese Cyborg-Ausrüstung nicht zu Schaden. Nach dem nach Abnehmen der Kappe leben sie ganz normal weiter. Dazu Anuszczyk: „Wir haben mit Bioethikern kooperiert, um diese biohybride Technik so zu entwickeln, dass sie ethisch vertretbar ist.“
Zukunft der biohybriden Qualle: Sie soll steuerbar werden
John Dabiri gibt einen Ausblick auf die Zukunft der Forschung und betont, dass weitere Arbeiten darauf abzielen könnten, die Fähigkeiten der bionischen Quallen weiter zu verbessern. Die Vision ist, sie nicht nur in geraden Bahnen, sondern auch horizontal und vertikal steuerbar zu machen. Diese biohybriden Roboter könnten nicht nur als Datenlieferanten, sondern auch als ferngesteuerte Erkundungseinheiten für schwer zugängliche Meeresregionen dienen.
In einer Welt, in der der Klimawandel die Ozeane stärker beeinflusst als je zuvor, könnten diese faszinierenden Kreaturen eine Schlüsselrolle dabei spielen, die Geheimnisse der Meere zu entschlüsseln und die Auswirkungen auf unser Klima besser zu verstehen.