Der Mobilfunkstandard 6G soll medizinische Anwendungen auf ein neues Level heben
Im Leipziger Uniklinikum fällt der Startschuss für das Forschungsprojekt „6G Health“. Es geht dabei um die Erarbeitung gemeinsamer Grundlagen und Anforderungen für 6G-basierte medizinische Anwendungen. Die Forschungsergebnisse sollen dann in die internationalen Standardisierungs- und Zulassungsprozesse für den Mobilfunkstandard 6G einfließen.
Der künftige Mobilfunkstandard 6G – erste Netze sind voraussichtlich nicht vor 2030 zu erwarten – verspricht gegenüber 5G einen Zuwachs an Geschwindigkeit, Kapazität und Zuverlässigkeit. Doch 6G soll erstmals mehr als nur ein Funknetz sein: Die neue Mobilfunktechnologie kombiniere Sensorik, Mobilfunk und Rechenleistung, um virtuelle Welten und reale Wirklichkeit tatsächlich miteinander zu verweben. Künstliche Intelligenz in der Netztechnik und mehr Energieeffizienz sollen weitere Merkmale sein, die 6G-Netze auszeichnen.
Das digitale Gesundheitswesen krankt
19 Partner arbeiten an medizinischen Anwendungen von morgen
Nun ist am heutigen Mittwoch (8. 2. 2023) der Startschuss für das bundesweite Forschungsprojekt „6G Health“ am Leipziger Uniklinikum gefallen, in dessen Rahmen 19 renommierte Partner gemeinsam Grundlagen und Anforderungen für 6G-basierte medizinische Anwendungen erarbeiten wollen. Die Forschungsergebnisse sollen dann in den internationalen Standardisierungs- und Zulassungsprozess für den Mobilfunkstandard 6G einfließen.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das auf drei Jahre ausgelegte Verbundprojekt mit rund 10 Mio. €. So sind Vodafone, Charité Berlin sowie 17 weitere Partner aus Industrie, Forschung & Medizin beteiligt, um Verbesserung der klinischen Zusammenarbeit mit 6G zu erforschen. „Der ganzheitliche Ansatz und die interdisziplinäre Zusammenstellung des Konsortiums gewährleisten, dass die Anforderungen des klinischen Alltags berücksichtigt werden“, sagt Thomas Neumuth, stellv. Geschäftsführer, Innovationszentrum für Computerassistierte Chirurgie (ICCAS) des Uniklinikums Leipzig. „Damit soll eine effiziente und langfristige Nutzbarkeit ermöglicht werden.“
Die Probleme im Gesundheitswesen sind vielfältig – 6G soll helfen, sie zu lösen
Digitales Gesundheitswesen: Kaum am Start, schon veraltet
Die Probleme sind schon lange lokalisiert: Ob Hausärztemangel im ländlichen Raum oder fehlendes Pflegepersonal in der Klinik – das Gesundheitswesen steht vor großen Herausforderungen. Zu lange Liegezeiten von Patienten und Patientinnen in den Krankenhäusern, die medizinisches Personal binden, verschärfen den Fachkräftemangel zusätzlich und gefährden die Patientenversorgung. Das Ziel ist: Digitalisierung. Neue Technologien und Vernetzung sollen dieser Entwicklung entgegenwirken, indem sie die klinische Zusammenarbeit verbessern.
5G ist gut, 6G ist besser
Schon heute schafft das 5G-Netz für die Patientenversorgung auf dem Land und in Kliniken neue Möglichkeiten: Im ländlichen Raum verbessert die videobasierte Onlinesprechstunde den Zugang zu Ärzten. Smarte Diagnostikgeräte wie der mobile Ultraschall übertragen in Echtzeit hochauflösende Bilder auf das Smartphone eines Arztes auf einer anderen Station, der so eine erste schnelle, aber präzise Diagnose stellen kann. Und auf dem Gelände des Uniklinikums Düsseldorf wird der Transport von Medikamenten und Nahrungsmitteln durch autonom agierende Drohnen getestet. Auch an der plastischen Darstellung von Befunden mittels AR-Technologie wird gearbeitet.
Hacker und Mitarbeiter bedrohen deutsches Gesundheitswesen
Noch mehr Möglichkeiten für die medizinische Versorgung durch 6G werden die beteiligten Partner gemeinschaftlich analysieren, etwa darüber, über welche Leistungsmerkmale die nächste Mobilfunkgeneration verfügen muss, um bestmöglich für die Herausforderungen der medizinischen Versorgung aufgestellt zu sein. Denn die Entwicklung von 6G steht noch ganz am Anfang – erste Netze auf Basis der sechsten Mobilfunkgeneration wird es in Europa wohl erst ab 2030 geben. Sicher scheint zu sein: Das Mobilfunknetz der sechsten Generation wird gegenüber 5G einen Zuwachs an Geschwindigkeit, Kapazität und Zuverlässigkeit bieten. Aber 6G wird erstmals mehr als nur ein Funknetz sein: Die neue Mobilfunktechnologie kombiniert Sensorik, Mobilfunk und Rechenleistung, um virtuelle Welten und reale Wirklichkeit tatsächlich miteinander zu verweben. Künstliche Intelligenz in der Netztechnik und mehr Energieeffizienz sind weitere Merkmale, die 6G-Netze auszeichnen sollen.
6G: Echtzeitanalysedaten angestrebt
Zudem sollen die Kommunikation und Interaktion zwischen Mensch und Maschine möglichst schnell werden, damit zum Beispiel am Körper getragene Stützstrukturen (Exoskelette) Patienten beim Laufen oder Pflegekräfte beim Schieben von Betten unterstützen. Dazu sind besonders niedrige Latenzen erforderlich.
Die Selbstheilung des Gesundheitswesens
Mario Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, ist sich sicher: „Moderne Kommunikationssysteme sichern die zukünftige Gesundheitsversorgung. Die Integration moderner 6G-Technologien in die Medizin eröffnet vielfältige Perspektiven, hilft bei den Herausforderungen des demografischen Wandels und kann entscheidend zur Steigerung der Lebensqualität sowie zur Entlastung des Gesundheitssektors beitragen.“
Drei Forschungsfelder für 6G in der Medizin
Aus medizinischer Perspektive werden im Rahmen von „6G Health“ Anwendungen aus drei Innovationsfeldern bearbeitet:
- Im Fokus steht einerseits die Erfassung von Biosignalen direkt am Patienten und die anschließende Übertragung und Verarbeitung dieser Daten direkt vor Ort. Dadurch soll die klinische Zusammenarbeit verbessert werden, um Patienten schneller aus dem Krankenhaus zu entlassen. Dafür müssen Möglichkeiten geschaffen werden, um Blutdruck, Körpertemperatur, Atemfrequenz und andere Vitaldaten von Patienten verlässlich aus der Ferne in Echtzeit beobachten zu können.
- Im zweiten Forschungsfeld stehen die Behandelnden im Mittelpunkt. Ärzte und Pflegekräfte sollen zukünftig mittels erweiterter Netzfunktionalitäten von neuen Formen der Zusammenarbeit profitieren – zum Beispiel durch Anwendungen aus dem Umfeld der erweiterten Realität („Augmented Reality“) oder Telemedizin. Ärzte könnten sich so beispielsweise vor Operationen dreidimensionale Darstellungen der Organe zur Vorbereitung ansehen oder bei chirurgischen Eingriffen Spezialisten dazu holen.
- Im dritten Forschungsfeld geht es um die Vernetzung medizinischer Geräte und die Kommunikationsinfrastruktur für das zukünftige smarte Krankenhaus.
Digitales Gesundheitswesen: Israels Geheimdienst war involviert
6G-Forschungszentrum in Dresden
Vodafone leitet das Leuchtturmprojekt für die 6G-Forschung von Dresden aus. Dort betreibt das Unternehmen ein globales Kompetenzzentrum für Forschung, Entwicklung und Innovation, in dem rund 200 Mitarbeitende an Zukunftstechnologien wie 5G und 6G sowie konkreten Anwendungen in den Bereichen Healthcare, autonomes Fahren, vernetzte Landwirtschaft, Chemie und Bau forschen. Ralf Irmer, Leiter des 6G-Forschungszentrums von Vodafone, erläutert: „6G wird mehr als nur ein Funknetz sein: 6G wird Mobilfunk, Sensorik und Rechenpower miteinander vereinen. Daten werden dann schneller verarbeitet, als wir fühlen können. 5G brachte Echtzeitanwendungen vor allem für die Industrie. 6G bringt das taktile Internet für alle. Unser Forschungsvorhaben ebnet den Weg für medizinische Innovationen, über die Vitaldaten der Patienten auch aus der Ferne sicher und zuverlässig erhoben und übermittelt werden können. Technologie, Vernetzung und 6G werden die Patientenversorgung und die standortübergreifende Zusammenarbeit von Ärzten in Zukunft deutlich verbessern.“