Elektroden: Warum Platinelektroden manchmal einfach verschwinden
Die Forschung versteht endlich, warum Platin in Elektrolyseuren korrodiert. Ein wichtiger Schritt für die Weiterentwicklung der Wasserstofftechnologie.

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Platin ist ein Edelmetall – das sind Metalle, die als korrosionsbeständig gelten. Gold ist sicherlich das bekannteste; Platin, Iridium und Palladium sind weitere, vor allem aus technischer Sicht hoch spannende Kandidaten. Dumm, wenn eines dieser Edelmetalle in technischen Anlagen eingesetzt wird wegen seiner Korrosionsbeständigkeit – und dann unter bestimmten Umständen sehr schnell chemisch reagiert. Und auch die Wissenschaft noch nicht so ganz genau weiß, warum. Denn erst dann ließen sich gezielte Gegenmaßnahmen treffen.
So ist das beim Platin und seinem Einsatz als Elektrodenbeschichtung in Wasserstoffelektrolyseuren. Auch bei elektrochemischen Sensoren, die Platinelektroden nutzen, kann das Problem auftauchen. „Seit fast zwei Jahrzehnten versuchen Wissenschaftler zu verstehen, wie negativ polarisierte Platinelektroden korrodieren“, so das SLAC National Accelerator Laboratory der Stanford University in einer Mitteilung. Endlich hätten jetzt Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Stanford Synchrotron Radiation Lightsource (SSRL) den „Fall des fehlenden Platins“ gelöst, zusammen mit der niederländischen Universität Leiden. Sie hätten endlich ermitteln können, wie sich genau die Platinelektrode auflöst.
Was genau ist das Rätsel des fehlenden Platins in Wasserstoffelektrolyseuren?
Das Phänomen, das es zu erforschen galt, ist folgendes: „Wenn man ein Stück Platin nimmt und ein sehr negatives Potenzial anlegt, kann sich das Platin innerhalb von Minuten auflösen“, sagt Marc Koper, Professor für Katalyse und Oberflächenchemie an der Universität Leiden und Leiter des Leidener Teams.
Elektrolyseure nutzen negativ polarisierte Platinelektroden, die in einen Elektrolyten – im Wesentlichen Salzwasser – getaucht werden. Eine wegen des Platins teure, aber haltbare und im Allgemeinen stabile Option, „aber dass sie recht stabil ist, bedeutet nicht, dass sie sich nicht zersetzt“, sagt Dimosthenis Sokaras, leitender Wissenschaftler an der Stanford Synchrotron Radiation Lightsource (SSRL), mit der die Untersuchungen gemacht wurden.
Welche Erklärungen gibt es bislang für das Phänomen des fehlenden Platins?
Die Teams am SLAC und der Universität Leiden untersuchten zwei konkurrierende Erklärmodelle für dieses plötzliche Verschwinden von Platin. Beide gehen davon aus, dass Natriumionen (Salzwasser mit gelöstem NaCl) eine wichtige Rolle spielen:
- Variante 1: Natriumionen drängen sich in das Atomgitter des Platins und bildeten Platinide – Platinatome, die positiv geladene Natriumionen mit sich herumschleppen. Diese lösen sich aus dem Metallgitter und lösen sich ab.
- Variante 2: Natrium- und Wasserstoffionen – also Protonen – führen gemeinsam dazu, dass sich Platinhydride bilden, als Verbindungen von Platin und Wasserstoff.
Für die Untersuchung mussten sich die Forscher also darauf konzentrieren, während er Elektrolyse – also im Betriebsmodus der Platinelektrode – die Platinoberfläche zu beobachten. „Die hochenergetisch auflösende Röntgenabsorptionsspektroskopie war für uns die einzige Technik, die wir finden konnten, die mit den experimentellen Bedingungen zurechtkam“, sagte SLAC-Wissenschaftler Thom Hersbach. So konnte das Team zum ersten Mal eine aktive Korrosion von Platin beobachten und Röntgenspektren von der negativ polarisierten Oberfläche der Elektrode aufzeichnen.
Platin-Wasserstoff-Verbindung setzt den Elektroden zu

Die Forscherinnen und Forscher in Kalifornien und den Niederlanden sind nicht die einzigen, die diesen Phänomen seit Jahren auf der Spur sind. So gelang es bereits vor gut viereinhalb Jahren einem Team der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel, „diesen Auflösungsprozess auf atomarer Ebene darzustellen“, wie die CAU im August 2020 mitteilte. Auch sie nutzten harte Röntgenstrahlung, die Hochenergie-Oberflächenröntgenbeugung. „Während der Oxidation verändert sich die Platinoberfläche der Elektroden sehr schnell. Das zu messen, war nur möglich durch eine neue, sehr schnelle Technik zur Charakterisierung der Oberflächenstruktur“, so Forscher Timo Fuchs, der damals an der CAU promovierte.
Zu verstehen, was aber genau passiert, stellte sich nach Angaben des SLAC als langwieriges Unterfangen heraus. „Es brauchte einfach eine Menge verschiedener Iterationen, um herauszufinden, wie wir genau erfassen können, was vor sich geht“, heißt es in der Meldung. Zuerst simulierten sie daher mithilfe von Computermodellen auf modernen Supercomputern die zu erwartenden Röntgenspektren beider Kandidaten, der Platinhydriden und der Platiniden. So sei es schließlich über den Vergleich mit den experimentellen Daten gelungen zu bestätigen, „dass nur Platinhydrid ihre Ergebnisse hervorbringen konnte“.
Mit dem Wissen, dass es um Platinhydrid geht, habe die Wissenschaft, so das SLAC, „möglicherweise den Weg für eine billigere Energieerzeugung aus Wasserstoff und zuverlässigere elektrochemische Sensoren geebnet“.