Fermentierte Wolle lässt Farbe leuchten 08. Mrz 2021 Von Bettina Reckter Lesezeit: ca. 3 Minuten

Geheimnis um berühmten Pazyryk-Teppich gelüftet

Er gilt als der älteste geknüpfte Teppich der Welt und seine Farben besitzen eine wundersame Leuchtkraft. Nun haben Forschende der Universität Erlangen-Nürnberg das Rätsel um die leuchtenden Farben entschlüsselt.

Probe für die Untersuchung mit dem Röntgenfluoreszenzmikroskop: Fasern des historischen Pazyryk-Teppichs, eingebettet in Epoxidharz (li.). Zum Vergleich: selbst fermentierte und gefärbte Standardproben (re.).
Foto: FAU/Dr. Andreas Späth

Der Pazyryk-Teppich ist fast zweieinhalbtausend Jahre alt, doch noch immer leuchten seine Farben äußerst brillant in Rot, Gelb und Blau. Warum das so ist, hat ein Wissenschaftsteam der Universität Erlangen-Nürnberg nun mit hochauflösender Röntgenfluoreszenzmikroskopie untersucht. Die Studie hat das Team jetzt im Fachblatt Scientific Reports veröffentlicht.

Der älteste in Knüpftechnik hergestellte Teppich der Welt ist im Eremitage-Museum im russischen St. Petersburg ausgestellt. Um 400 v. Chr. soll er aus Schurwolle hergestellt worden sein. Er gilt als eines der spannendsten Beispiele eisenzeitlicher zentralasiatischer Handwerkskunst. Entdeckt wurde er 1947 in einem Kurgangrab im Altai-Gebirge von russischen Archäologen. Seitdem rätseln Fachleute für traditionelle Färbetechniken, woher dessen besondere Leuchtkraft stammt.

Zusammenarbeit mit dem Paul-Scherrer-Institut in der Schweiz

Karl Meßlinger vom Institut für Physiologie und Pathophysiologie und die Röntgenmikroskopieexperten Andreas Späth und Rainer Fink vom Lehrstuhl für Physikalische Chemie II kamen nun diesem Rätsel auf die Spur. Dafür bildeten sie die Verteilung von Pigmenten entlang des Querschnitts einzelner Wollfasern mittels hochauflösender Röntgenfluoreszenzmikroskopie (µ-XRF) direkt ab.

Die Experimente wurden mit dem Röntgenmikroskop Phoenix am Paul-Scherrer-Institut im schweizerischen Villigen durchgeführt. Dessen räumliche Auflösung liegt bei 3 µm bis 5 µm, zudem weist es eine hohe Empfindlichkeit für charakteristische chemische Elemente auf.

Rote Fasern unter dem Mikroskop

Das Team nahm hauptsächlich die roten Wollfasern unter die Lupe. Seit Jahrhunderten wird in Zentralasien und im Nahen Osten nahezu ausschließlich das Pigment Türkischrot verwendet, um den charakteristischen roten Farbton zu erzielen. Dabei handelt es sich um einen metallorganischen Komplex aus Alizarin, das aus den Wurzeln des Färberkrapps gewonnen wird, und Aluminium.

In der µ-XRF-Bildgebung zeigt sich bei fermentierten Wollfasern eine charakteristische Verteilung des Aluminiums entlang des Faserquerschnitts. „Das gleiche Muster haben wir nun in Fasern aus dem Pazyryk-Teppich gefunden“, erklärt Andreas Späth.

Der Pazyryk-Teppich gilt als der älteste erhaltene Knüpfteppich der Welt. Foto: The State Hermitage Museum, St. Petersburg / Photo by Vladimir Terebenin

Frühester Nachweis der Fermentationstechnik

Damit war der mit Abstand früheste Nachweis der Fermentationstechnik gefunden. Und die Forschenden erhielten Einblicke in die bereits hoch entwickelten Techniken des eisenzeitlichen Textilhandwerks. Damit zeigte sich der Vorteil der Röntgenmikroskopie für die analytische Untersuchung archäologischer Textilproben im Vergleich zur bisher verwendeten Rasterelektronenmikroskopie (REM).

Die jetzt untersuchten Fasern des Pazyryk-Teppichs erhielt Karl Meßlinger bereits im Jahr 1991. Nur wenige Knoten reichten für die Analyse mit dem Rasterelektronenmikroskop. Gemeinsam mit dem Experten für orientalische Textilfärbetechniken Manfred Bieber konnte er mit der REM Wollfasern identifizieren, die zuvor fermentiert worden waren.

Fermentierte Wolle bleicht nicht aus

Der Fermentationsprozess führt dazu, dass die Pigmente tiefer in die Wollfasern eindringen können, was die Farbe beständiger und brillanter macht. In der Rasterelektronenmikroskopie lässt sich die Fermentation anhand eines charakteristischen Aufstellens der äußersten Schuppenschicht an der Faser erkennen. „Das traditionelle anatolische Textilhandwerk kennt jedoch eine kostengünstigere Technik, die aber trotzdem zuverlässig ist“, weiß Meßlinger. „Sie setzen die gefärbte Wolle mehrere Wochen lang auf einer Weide direkter Sonneneinstrahlung aus, stellen sie in einer Scheune den Tieren als Bodenbedeckung zur Verfügung und waschen sie abschließend in einem fließenden Gewässer aus. Nur fermentierte Wolle zeigt dabei kein nennenswertes Ausbleichen.“

Nutzung und Witterung schaden der Schuppenschicht

Bis ins 17. Jahrhundert konnten Meßlinger und Bieber diese traditionelle Fermentationstechnik zurückverfolgen. Allerdings stellten sie fest, dass die Schuppenschicht schwindet, je intensiver das jeweilige Textil genutzt oder der Witterung ausgesetzt wurde. Auch beim weltberühmten Pazyryk-Teppich war die Schuppenschicht weitgehend abgefallen. Den Einfluss der Fermentation konnten die Wissenschaftler aber nun durch den Vergleich der Fluoreszenzbilder mit denen von selbst fermentierten und gefärbten Standardproben nachweisen.

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