Maja Göpel: „Eine immer schneller rasende Wirtschaft ist nicht unbedingt Fortschritt“
Maja Göpel stellt bisherige Selbstverständlichkeiten in Gesellschaft, Wirtschaft und Technologie infrage. Die Zukunft brauche neue Denkmuster. Die Transformationsforscherin setzt auf Ingenieurinnen und Ingenieure, die gemeinsam mit Visionären und Entrepreneuren neue „Möglichkeitsräume“ schaffen mit dem Ziel einer ökologisch sauberen und am Menschen orientierten Welt.
VDI nachrichten: Frau Göpel, Sie fordern, von alten Denkmustern loszulassen und systemisch neu anzusetzen. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall denkt in klassischen Quantitätsmustern: So sei das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre anzuheben und der Bau weiterer Atomreaktoren voranzutreiben. Ohne das sei „das System mittelfristig nicht mehr finanzierbar“. Damit liegt er systemisch doch nicht so falsch, oder?
Göpel: Das kommt darauf an, was er meint, wenn er von „dem System“ redet. Spricht man von demselben Trend wie bisher mit immer steigendem Energieverbrauch, mit immer mehr Produktion, damit immer mehr konsumiert werden kann, dann gebe ich ihm recht. Andererseits müssen wir uns angesichts des immer weiter steigenden Ressourcenverbrauchs und der Umweltzerstörung auch fragen, wann denn nun genug ist mit dem Torpedieren der planetaren Grenzen. Und wie denn eigentlich ein zukünftiges System aussehen soll, in dem es sich gut leben lässt. Wir werden das bestehende System nicht beibehalten können, weil es ja sowieso schon im Krisenmodus ist. Es ist grob fahrlässig, weiter zu behaupten, wir könnten es irgendwie schadenfrei in die Zukunft führen.
Technische Lösungen sind wichtiger Teil unseres Wohlstands. Ein aktuelles Beispiel. Es wird angesichts des Rheintiefstands über eine Vertiefung des Flusses diskutiert, um die industrielle Schifffahrt aufrechtzuerhalten. Eine Alternative wären neue Schiffstypen mit weniger Tiefgang. Naheliegende Lösungen, oder?
Wenn wir doch jetzt schon wissen, welche Unwetter durch den Klimawandel intensiver und häufiger werden und dass Flüsse mehr als Verkehrswege sind, dann scheint mir eine adaptive Reaktion mit Blick nach vorne wichtig. Klar, man kann auch Schiffe mit geringerem Tiefgang bauen. Damit ist das Klimaproblem aber nicht gelöst. Daher drängt sich die Frage auf: Wie viel Transport brauchen wir künftig, wenn wir über Wertschöpfungsketten sprechen und uns fragen, wie wir die resilienter machen können. Wäre eine teilweise Regionalisierung sinnvoll? Ein Recht auf Reparatur, sodass gar nicht so viel erzeugt und weggeschmissen und damit transportiert wird? Dann sprechen wir von einem anderen System, auf das wir hinsteuern wollen. Ingenieure und Ingenieurinnen würden dafür die besten Lösungen entwickeln können und nicht auf Teufel komm raus die Strukturen verteidigen, die wir heute haben.
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