Speicherung von Wasserstoff 30. Aug 2024 Von Bettina Reckter Lesezeit: ca. 2 Minuten

Kann Backpulver die Probleme der Energiewende lösen?

Mit einfachen Haushaltsmitteln wie Backpulver will ein Forschungsteam aus Rostock die Probleme der Wasserstoffwirtschaft lösen. Eine kommerzielle Anlage ist für Ende 2025 geplant.

Die Entwicklung der Katalysatoren erfolgt zunächst im Labormaßstab. Anschließend wird das funktionierende Katalysatorsystem in einen größeren Pilotmaßstab übertragen.
Foto: LIKAT/Gohlke

Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger der Energiewende. Allerdings ist dieses flüchtige und brennbare Gas nicht so einfach zu speichern. Eine Möglichkeit, wie der Energieträger sogar mit einfachen „Zutaten“ zu bändigen wäre, sehen Forscher vom Leibniz-Institut für Katalyse in Rostock (Likat) und der Firma H2Apex in Bikarbonat, also herkömmlichem Backpulver. Über ihre Forschung berichten sie im Fachblatt Nature Communication.

Das Team hat für diesen Zweck ein homogenes Katalysatorsystem entwickelt, mit dem sie Wasserstoff (H2) an Kaliumbikarbonat binden und so sicher und stabil chemisch speichern. Bikarbonat ist ein Salz der Kohlensäure, landläufig als Backpulver oder Natron bekannt.

Wasserstoff in einem Salz der Ameisensäure gebunden

Nötig dafür, dass Bikarbonat und Wasserstoff miteinander zu Formiat, einem ebenfalls harmlosen Salz der Ameisensäure reagieren, ist allerdings noch ein Katalysator. Die Rostocker nutzen dafür Ruthenium. Der Clou des Ganzen: Der Prozess ist reversibel. „Den im Formiat gespeicherten Wasserstoff können wir jederzeit wieder freisetzen – mit demselben Katalysator, im selben System“, erläutern Rui Sang und Doktorandin Carolin Stein, beides Erstautoren der wissenschaftlichen Publikation.

„Den im Formiat gespeicherten Wasserstoff können wir jederzeit wieder freisetzen – mit demselben Katalysator, im selben System“, sagt Promovendin Carolin Stein. Foto: C. Stein

Das System arbeitet stabil bei Temperaturen um 60 °C. Ein weiterer Vorteil: Die Reaktion läuft in einer Lösung ab, in der sich Wasserstoff und Bikarbonat sowie der Katalysator befinden. Wobei der Katalysator im Prozess selbst nicht verbraucht wird. Und das System sei technisch gut zu steuern, sagt Peter Sponholz, Forschungsleiter bei H2Apex. „Je nachdem, mit welchem Druck ich den Wasserstoff in das System gebe, wird das Gas entweder an das Bikarbonat zu Formiat gebunden oder die Reaktion kehrt sich um und das Formiat gibt den Wasserstoff wieder frei.“

Einfach zu lagern und zu transportieren

Als Speichermedien für eine künftige Wasserstoffwirtschaft werden derzeit Methanol, Ammoniak und Methan näher erforscht. Demgegenüber seien Ameisensäuresalze im Vorteil, was die Giftigkeit der Stoffe und den Energieverbrauch angeht. Formiat ließe sich einfach in Kunststoffcontainern lagern und in Tanklastern transportieren, sagen die Forscherinnen und Forscher.

Zusammen mit dem Bikarbonat bildet das Formiat ein Energiesystem, das wie eine Batterie über Wasserstoff be- oder entladen wird. Ein solches System eignet sich tatsächlich für den Einsatz vor allem im lokalen, etwa ländlichen Bereich. Dort kann Windkraft oder Solarenergie in Phasen, wo mehr Strom bereitgestellt als abgenommen wird, über die Elektrolyse grünen Wasserstoff produzieren, der dann als Formiat gespeichert wird.

Klimaneutraler Prozess liefert Wasserstoff in einer Reinheit von 99,5 %

Wichtig ist dem Forschungsteam, dass der Prozess CO2-neutral ist. Üblicherweise werde bei der Rückgewinnung von Wasserstoff ein Teil des Bikarbonats zu CO2 zersetzt und freigegeben, erläutert Carolin Stein. „Unser System hingegen hält das CO2 dauerhaft fest.“ In ihrer Studie berichten die Autoren von 40 aufeinanderfolgenden Zyklen der Wasserstoffspeicherung und -abgabe über einen Zeitraum von sechs Monaten. Unter Verwendung minimaler Mengen des Ruthenium-Katalysators im ppm-Bereich produzierten die Chemiker mit ihrer Laboranlage 50 l Wasserstoff mit einer durchschnittlichen Reinheit von 99,5 %. In Rostock will das Unternehmen H2Apex jetzt einen größeren Demonstrator bauen. Läuft alles wie geplant, wird die entsprechende Anlage bis Ende 2025 kommerzialisiert.

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