Materialforschung 20. Jun 2022 Von Bettina Reckter Lesezeit: ca. 2 Minuten

Superkleber aus der Mistelbeere

Aus den Beeren der Mistel lässt sich ein Kleber entwickeln, der natürliche wie künstliche Gewebe und Materialien zusammenhält. Das haben deutsche und kanadische Forschende herausgefunden.

Nahaufnahme von Mistelbeeren, die klebrigen Samen beinhalten.
Foto: Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung / Nils Horbelt

In der Mistel steckt, glaubt man Asterix und den Galliern, nicht nur Zauberkraft, sondern auch ein natürlicher Superkleber. Den haben Forschende des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) und der McGill University in Kanada aus den Früchten der Weißbeerigen Mistel extrahiert. Die flexiblen Fasern der Mistelbeere haften sowohl an Haut und Knorpel als auch an verschiedenen synthetischen Materialien. Ihre Verarbeitung ist einfach.

Misteln sind pflanzliche Schmarotzer und wachsen im Geäst großer Bäume, so auch vor dem Bürofenster von Peter Fratzl, dem Direktor der Abteilung Biomaterialien am MPIKG. Seine Mitarbeitenden stiegen kurzerhand selbst auf die Leitern, um die Mistelbeeren zu ernten. „Misteln wachsen überall in großer Zahl, so auch am Max-Planck-Campus, sie sind biologisch abbaubar und erneuerbar“, sagt Peter Fratzl und ergänzt: „Erstmals wird nun untersucht, wie man die hervorragenden Klebeeigenschaften für potenziell medizinische oder technische Verwendungen nutzbar machen kann.“

Kleber lässt sich einfach wieder ablösen

Erste Experimente zu den Klebeeigenschaften unternahm Nils Horbelt, früher Schreiner und nun Materialwissenschaftler im Team. Er verteilte im Selbstversuch den Mistelkleber zwischen den Fingern und ließ ihn drei Tage dort. „Anschließend konnte ich das Viscin durch einfaches Aneinanderreiben der Finger wieder ablösen“, sagt er.

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Aus jeder Mistelbeere kann ein bis zu 2 m langer Faden aus klebrigen Fasern gewonnen werden. Er besteht aus Viscin, einem natürlichen Zelluloseklebstoff. Damit gelingt es den Samen der halbparasitären Pflanze, sich an an ihre Wirtspflanzen anzuheften. Forschende in der ehemaligen Arbeitsgruppe von Matthew Harrington, der inzwischen auf eine Professur an der McGill University in Kanada gewechselt ist, experimentierten nun mit der Verarbeitung des Stoffes.

Dünne Filme oder dreidimensionale Strukturen von Viscinfasern

In nassem Zustand lassen sich Viscinfasern zu dünnen Filmen dehnen oder zu dreidimensionalen Strukturen zusammenfügen. In der Medizin könnte der natürliche Superkleber als Wundverschlussmittel angewendet werden. Außerdem haftet er an Metallen, Glas und Kunststoffen.

Da die Klebeeigenschaften unter feuchten Bedingungen vollständig reversibel sind, ist er zudem problemlos lösbar. „Es bleiben noch viele Fragen zu diesem sehr außergewöhnlichen Material offen“, räumt allerdings Nils Horbelt ein, Erstautor der vorliegenden Studie. Deshalb soll zunächst die Chemie hinter diesem quellfähigen, extrem klebrigen Material genauer untersucht werden.

Lesetipp: Neue Klebetechnik für die Baubranche

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