Forschung für die Energiewende 09. Jan 2020 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 3 Minuten

Synthetisches Erdgas: Entstehung in Echtzeit beobachtet

Schweizer Forscher haben erstmals in Echtzeit beobachten können, wie synthetisches Erdgas aus Kohlendioxid (CO2) und Wasserstoff (H2) entsteht. So lässt sich die Power-to-Gas-Technik als wichtiges Standbein der Energiewende optimieren.

Im Mobilitätsdemonstrator "move" auf dem Empa-Campus in Dübendorf soll die Sabatier-Reaktion zur Synthese von E-Fuels – synthetischen Treibstoffen – genutzt werden.
Foto: Empa

Schweizer Wissenschaftler der beiden eidgenössischen polytechnischen Hochschulen in Lausanne (EPFL) und Zürich (Empa) haben nach eigenen Angaben einen Reaktor entwickelt, der mithilfe von Infrarotthermografie dynamische Oberflächenreaktionen sichtbar machen kann. Korreliert man diesen neuen Reaktor mit anderen schnellen Gasanalysemethoden, so kann man ein ganzheitliches Verständnis der Reaktion unter sich schnell ändernden Bedingungen erhalten.

Gegenstand der Untersuchung war dabei die Synthese von Erdgas im Labor aus Kohlendioxid (CO2) und Wasserstoff (H2). Diese Synthese so effizient wie möglich zu gestalten, ist ein wichtige Aspekt im Rahmen der Energiewende. Denn mithilfe der sogenannten Power-to-Gas-Technologien soll im Endeffekt Ökostrom umgewandelt werden in gasförmige oder flüssige Energieträger wie synthetisch erzeugtes Erdgas (Methan) oder auch Kraftstoff, die sogenannten E-Fuels. Der Vorteil: Der eingebundene Kohlenstoff kann im Kreislauf geführt werden, das Verbrennen dieser Stoffe würde also den Gehalt des Treibhausgases in der Atmosphäre nicht erhöhen.

Optimierte Reaktor- und Katalysatordesigns

Die Herstellung von synthetischem Erdgas aus CO2 und nachhaltig produziertem Wasserstoff wurde erstmals in Echtzeit zu beobachtet.Hinweis des idw zur Verwendung von Bildmaterial: Die Verwendung des Bildmaterials zur Pressemitteilung ist bei Nennung der Quelle vergütungsfrei gestattet. Das Bildmaterial darf nur in Zusammenhang mit dem Inhalt dieser Pressemitteilung verwendet werden.
Die Herstellung von synthetischem Erdgas aus CO2 und nachhaltig produziertem Wasserstoff wurde erstmals in Echtzeit beobachtet. Foto: EPFL

Die Wissenschaftler wandten ihre Methode auf katalytische Oberflächenreaktionen zwischen Kohlendioxid (CO2) und Wasserstoff (H2) an, darunter auch die Sabatier-Reaktion. Mit dieser lässt sich eben synthetisches Methan aus erneuerbarer Energie durch die Kombination von atmosphärischem CO2 und H2 aus der Wasserspaltung herstellen. Und die beteiligte Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) plant im Mobilitätsdemonstrator „move“ auf dem Empa-Campus in Dübendorf die Sabatier-Reaktion für die Methanherstellung einzusetzen.

Beim chemischen Prozess der Sabatier-Reaktion wird ein Katalysator benötigt, um das relativ inerte CO2 zur chemischen Reaktion zu aktivieren. Vor allem die Untersuchung dynamischer Reaktionsphänomene, die bei der Reaktionsaktivierung aus unterschiedlichen Ausgangszuständen des Katalysators auftreten, habe im Mittelpunkt der Untersuchungen gestanden, so Forscher. „Dank dieses neuen Ansatzes konnten wir neue dynamische Reaktionsphänomene sichtbar machen, die noch nie zuvor beobachtet wurden“, sagte Emanuele Moioli, einer der beiden Wissenschaftler, die im EPFL-Empa-Labor in Sion die Forschungsarbeiten leiteten.

Hocheffiziente Erdgassynthese wichtig für Energiewende

In ihrer Studie zeigten die Forscher nach eigenen Angaben erstmals in Echtzeit, wie der Katalysator arbeitet und wie er auf Änderungen in der Zusammensetzung der Ausgangsgase reagiert. „Die Reaktion auf dem Katalysator wird durch eine hydrierte Oberfläche begünstigt, während eine Exposition mit CO2 den Katalysator vergiftet und eine schnelle Reaktionsaktivierung verhindert“, erklärt Moiolis Kollege Robin Mutschler.

Die Ergebnisse hätten zu einem besseren Verständnis der genauen Reaktionsabläufe während der Aktivierungsphase geführt, so die Schweizer Wissenschaftler. Damit ließen sich jetzt Reaktor- und Katalysatordesigns so optimieren, dass man die Systemleistung unter dynamischen Bedingungen verbessern kann. Dies sei vor allem „von entscheidender Bedeutung“, so die Empa in einer Mitteilung, weil sowohl die erneuerbaren Energien in Form von Ökostrom wie auch die daraus gewonnenen Ausgangsstoffe für die Methansynthese typischerweise in wechselnden Mengen zur Verfügung stehen. „Daher müssen Reaktoren, die erneuerbare Energie in synthetische Brennstoffe umwandeln, an den Betrieb unter dynamischen Bedingungen angepasst werden“, so die Empa.

Power-to-Gas-Schlüsseltechnik für Wasserstoffwirtschaft

Aus Ökostrom wird erst einmal über Elektrolyse molekularer Wasserstoff (H2) erzeugt. Im nächsten Schritt, den die Schweizer Wissenschaftler betrachtet haben, wird der grüne Wasserstoff (weil über Ökostrom entstanden) dann mit atmosphärischem CO2 oder mit CO2, das aus Verbrennungsprozessen abgetrennt wurde, zu Methan gewandelt wird (Methanisierung). Diese auch Power-to-Gas genannte Prozesskaskade lässt sich weiter fortführen und ein Energieträger- und Rohstoffsystem etablieren, das auf Wasserstoff basiert; kurz Wasserstoffwirtschaft genannt.

Mit Power-to-Liquid steht eine weitere Prozesskette bereit, um aus synthetischem Erdgas CO2-neutral synthetische Kraftstoffe herzustellen, angefangen bei der Methanolsynthese. Diese ließen sich dann ohne Systembruch in Verbrennungsmotoren im Verkehr oder für andere Zwecke einsetzen. Knackpunkt ist hier, dass mit jedem Konversionsschritt der Wirkungsgrad weiter absinkt. Die VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt arbeitet seit November an einer neuen Richtlinienreihe zu Power-to-X, um die verschiedenen Prozessschritte auch in diesem Bereich regeltechnisch zu begleiten.

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