Weihnachtsfrage 2023 22. Dez 2023 Zusammengestellt von Bettina Reckter Lesezeit: ca. 7 Minuten

Von Unimog, Märklin-Eisenbahnen und eigenen Telefonen

Die Redaktion der VDI nachrichten hat auch im Jahr 2023 Topmanagerinnen und -managern sowie Forscherinnen und Forschern eine spezielle Weihnachtsfrage gestellt. Die Antworten bieten sehr persönliche Einblicke.

Die Märklin H0.
Foto: 2021 by Kaletsch Medien GmbH

Unsere Weihnachtsfrage: „Welcher Gegenstand oder welches technische Gerät aus Ihrer Kindheit oder Jugend lässt Sie heute noch für einen Moment die Gegenwart vergessen?“ 

Als die Bahn-Welt noch in Ordnung war

Prof. Uwe Cantner, Vorsitzender der Expertenkommission Forschung und Innovation. Foto: David Ausserhofer

„Weihnachtszeit – Eisenbahnzeit: die Märklin-H0 lässt uns die Welt um uns herum vergessen. Eine eigene Welt baut sich auf, mit besonderen Bahnkreisläufen, Stationen und Weichenstellungen. In frühen Jahren wird das System mechanisch betätigt und später dann knöpfchendrückend vom Sofa aus. Eigene Geschichten entstehen, Unfälle aller Art werden nachgespielt und fantasievoll weiterentwickelt. Die Kompatibilität mit anderen Verkehrsmitteln – etwa Mattelbahn – ist kein großes Ding; TÜV samt DIN nicht notwendig. Der Gleisanbau und -umbau läuft unbürokratisch ab. Verspätungen und dazugehörige Durchsagen spielen wir nicht. Doch dann, ein ,Kinder, Abendessen, keine Verspätung bitte!‘ – da ist sie wieder, die reale Gegenwart.“

Uwe Cantner, Uni Jena, Vorsitzender der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI)

Unimog des Vaters legte Grundstein

Hartmut Jenner am Unimog seines Vaters. Foto: Privat

Fan: „Der Gedanke an den Unimog meines Vaters, das Modell U84, flaschen, – oder wie es offiziell hieß, ,landwirtschaftsgrün‘ mit seinen großen Scheinwerfern und seinem rundlichen Fahrerhaus, versetzt mich augenblicklich in die Tage meiner Kindheit zurück. Als gerade einmal Drei- oder Vierjähriger durfte ich zum ersten Mal auf dem Schoß meines Vaters mit ins Fahrerhaus. Der Unimog war bei uns auf dem elterlichen Hof ständig und überall im Einsatz.

Hartmut Jenner, Chef von Kärcher. Foto: Kärcher

Auch das Autofahren hat mir mein Vater natürlich auf dem Unimog beigebracht, aber erst Jahre später. Für einen kleinen Jungen wie mich waren damals die Beine viel zu kurz, um an das Gas- oder Bremspedal zu kommen. Heute fahre ich selbst noch regelmäßig in meinem Unimog U1000 (Foto). Die Liebe zum Unimog-Fahren ist mir quasi in die Wiege gelegt worden.“

Hartmut Jenner, Vorsitzender des Vorstands der Alfred Kärcher SE & Co. KG

Elektro-Bastelset bereitet berufliche Laufbahn vor

Gunther Kegel, ZVEI-Präsident. Foto: ZVEI

„Das elektrische Spielzeug, das mich durch meine Kindheit und Jugend begleitet hat, waren die Kosmos-Experimentierkästen. Angefangen hat alles schon 1970, als unter dem Weihnachtsbaum der Kosmos-Elektromann lag. Klingeln, Motoren und sogar ein einfaches Telefon konnten in mehr als 100 Experimenten aufgebaut werden und man lernte schnell, die Anleitungen sorgfältig zu lesen, zu verstehen und möglichst exakt umzusetzen, sonst schlugen die Experimente fehl. Noch heute kann ich mich an die einzelnen Bauteile wie den blauen Spulenkörper, den gelben und grünen Aufbausockel oder Magnetanker genau erinnern. Und auch das Gefühl der Haptik dieser Einzelteile ist mir noch immer präsent. Auf den Elektromann folgte später die ganze Reihe der Radiomann-Experimentierkästen und schlussendlich erwuchs daraus eine leidenschaftliche Elektronik-Bastlerkarriere. Diese Erfahrungen waren – aus heutiger Sicht – prägend für meinen späteren Berufs- und Lebensweg.“

Gunther Kegel, ZVEI-Präsident

Scharfe Bilder aus Zeiten der Analogfotografie

Peter Ottmann, CEO der NürnbergMesse. Foto: David Ausserhofer/Marklin

„Mein technisches Gerät aus meiner Jugend ist meine Nikon EM, die mich jahrelang begleitete, mit der ich Tausende Dias geschossen habe und die ich auch während meines Studiums nutzte, um als Freier Mitarbeiter für eine Lokalzeitung zu arbeiten. Die Nikon und meine Schreibe haben mir mein Studium finanziert und letztlich den Einstieg bei der NürnbergMesse ermöglicht. Gesucht wurde seinerzeit ein Pressereferent, der über ein Studium und Erfahrung im Journalismus verfügt. Seit 13 Jahren bin ich jetzt Geschäftsführer dieses großartigen Unternehmens. Hat sich also nach meinem Einstieg vor nunmehr 29 Jahren gut entwickelt. Die Nikon EM steht immer noch bei mir im Schrank, heute ist die Z6 die Kamera meiner Wahl. So viel Product Placement muss und darf hoffentlich sein.“

Peter Ottmann, Geschäftsführer der NürnbergMesse GmbH

Die 01 war meine erste große Liebe

Heiko Mell, Karriereberater. Foto: privat

„Ich muss schon früh einen Hang zu ‚Großem‘ gehabt haben: Meine kindliche Leidenschaft galt solider mechanischer Technik, je größer, desto besser. Die Wohnung in einem Dorf, in das es uns 1945 verschlagen hatte, bot einen Ausblick auf Bahnhof und Gleise. Dort fuhr die Reichsbahn mit eher kleineren Dampfloks.

Foto: privat

Manchmal aber kam eine der Reihe 01: riesengroß, stolz und unbeeindruckt von den angehängten Personenwagen. Die Triebräder, größer als ich, drehten oft beim Anfahren durch – eine Maschine, die ‚vor Kraft nicht laufen‘ konnte! Das musste meine Welt werden, so etwas wollte ich später konstruieren. Als Ingenieur! Dieser Beruf ist es nur fast geworden. Aber wenn ich eine 01 sehe, bin ich wieder Kind. Und träume von ‚ganz großer‘ Technik.“

Heiko Mell, Karriereberater

Motorsäge und idyllische Tage im Wald

Beate A. Schücking, Präsidentin des Deutschen Studierendenwerks. Foto: Kay Herschelmann

„Das technische Gerät meiner Kindheit, dessen Klang mich die Gegenwart vergessen lässt, ist die Motorsäge. Im ländlichen Raum in einem Forstamt aufwachsend, begleitete ich im Vorschulalter oft meinen Vater in den Wald. Die Waldarbeit wurde damals noch fast ausschließlich per Hand mit der Motorsäge verrichtet; das Zeitalter moderner Harvester war noch nicht gekommen. Das Geräusch der Motorsäge, der Geruch von frisch geschnittenem Holz – das lässt mich an diese Tage im Wald denken, an die mächtigen Bäume, den moosigen Boden, die Gespräche mit den Förstern. Mir damals Vierjährigen waren weder die Probleme der Fichtenmonokultur noch die Gefahren der schweren körperlichen Arbeit bewusst. Das habe ich später gelernt, aber es trübt nicht die Erinnerung an diese idyllischen Tage im Wald.“

Beate A. Schücking, Präsidentin des Deutschen Studierendenwerks

Autospiele in der dritten Generation

Markus Heering, Geschäftsführer VDW – Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e. V. Foto: Sarah Kastner Fotografie

„Noch bevor ich echte Wünsche im Hinblick auf technisches Spielzeug äußern konnte, bekam ich mit vier Jahren von meinem Opa zu Weihnachten eine Carrera-Bahn geschenkt. Auch wenn dieses Geschenk vielleicht etwas zu früh kam, hat es mich doch durch meine gesamte Kindheit begleitet, wurde auch Stück für Stück erweitert und hat sicherlich dazu beigetragen, dass ich mich für technische Dinge begeistere. Alle Gebrauchs- und Unfallspuren, die im Laufe der Jahre entstanden, waren natürlich auf die Unachtsamkeiten und Fehler meiner jüngeren Geschwister zurückzuführen! Noch heute lagert diese Bahn in meinem Elternhaus und wird hin und wieder durch meine Kinder belebt, allerdings immer unter strenger Aufsicht! Dieses führt immer wieder zu liebevollen Erinnerungen an meinen Opa und die tolle Kindheit!“

Markus Heering, Geschäftsführer VDW – Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e. V.

Die Weihnachtsbaumbeleuchtung

Kinderfoto von Hans D. Schotten. Foto: Schotten

„Das Foto zeigt meine Oma und mich an meinem allerersten Weihnachtsfest im Jahr 1965.

Im Hintergrund unser damaliger Tannenbaum, noch etwas mickrig, aber schon mit Lametta und Lichterkette. Die Familie wuchs im Laufe der Jahre und mit ihr der Weihnachtsbaum. Eine Sammlung alten Weihnachtsschmucks kam irgendwann dazu, aber niemals echte Kerzen. Dies schien bei drei Jungs zu gefährlich, kannten wir doch alle die Geschichten von brennenden Bäumen und Feuerwehreinsätzen. Die Lichterkette wuchs mit uns um die Wette. Sie zu beherrschen, erinnerte an Schlangenbändigung.

Hans D. Schotten, Lehrstuhl für Funkkommunikation und Navigation, RPTU Kaiserslautern-Landau, und Wiss. Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz. Foto: Schotten

Aber wenn der Weihnachtsbaum dann in seiner ganzen geschmückten und erleuchteten Pracht dastand am Heiligabend – vorher durften wir Kinder ihn nicht sehen –, war es jedes Jahr wieder ein ganz besonderer ergreifender Moment, der mir bis heute in lebendiger Erinnerung geblieben ist.“

Hans D. Schotten, Lehrstuhl für Funkkommunikation und Navigation, RPTU Kaiserslautern-Landau und Wissenschaftlicher Direktor, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) GmbH

Geniale Konstruktion mit Schreibgefühl

Thilo Brodtmann ist seit dem 1. Februar 2015 Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Fotos: VDMA

„Wir haben uns daran gewöhnt, dass Texte in die Tastatur gehackt werden. Am PC oder unterwegs auf dem Tablet, noch kleiner auf dem Mobiltelefon. Schnell lassen sich Worte löschen, entweder hat man sich vertippt oder der Gedanke soll doch eine andere Wendung nehmen. Der Cursor blinkt, er wartet und drängt zugleich.

Zwar gibt es mittlerweile auch elektronische Stifte, doch ein Schreibgefühl kommt dabei nicht wirklich auf. Das elektronische Schriftbild wirkt anders, distanziert und lückenhaft. Persönlich bin ich daher unverändert ein großer Freund von Füllfederhaltern und das seit frühen Jugendjahren. Ich habe mehrere, und ich benutze sie regelmäßig für den Einsatz im Geschäftlichen und Privaten gleichermaßen. Ich schätze die geniale Konstruktion, die ein einzigartiges Schreibgefühl erlaubt und Gedanken zu Papier bringt. Schön, wenn Gutes bleibt.“

Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA)

Das Telefon im Kinderzimmer

Daniel Brosend ist 1. Vorsitzender des VAF – Bundesverband Telekommunikation e. V. und Geschäftsführender Gesellschafter eines Systemhauses in Bielefeld. Foto: VAF

„Ungefähr im Jahr 1989 präsentierte mir ein Freund ein echtes Telefon in seinem Kinderzimmer. Das wollte ich auch! Doch es gab mehrere Hürden zu überwinden. So konnte man Telefone damals noch nicht in jedem Elektromarkt kaufen. Ich erinnere mich nicht mehr, woher ich es organisiert hatte, aber kurze Zeit später war ich stolzer Besitzer eines grünen Wählscheibentelefons. Zweite Hürde: die Verkabelung. Hierzu habe ich Klingeldraht vom Telefonanschluss im Flur in mein Dachgeschoss-Zimmer mit Tesafilm an der Treppe fixiert und dann hinter Fußleisten versteckt. Eine weitere Herausforderung waren meine Eltern: Ich musste ihnen das Thema als ‚Vorteil‘ verkaufen … Das erforderte einiges diplomatisches Geschick! Der Nebeneffekt war fast unbezahlbar: Ich konnte endlich ungestört telefonieren.“

Daniel Brosend, 1. Vorsitzender des VAF – Bundesverband Telekommunikation e. V. und Geschäftsführender Gesellschafter eines Systemhauses in Bielefeld

Zeitmaschine, Work-out-Gerät und Lametta

Die glorreiche Ära meiner Jugend in der norddeutschen Tiefebene hinterm Deich wird eindeutig von meinem Walkman definiert – diesem klobigen Kassettenabspielgerät, das mehr Batterien verschlungen hat als ein hungriges Monster Marshmallows. Sobald ich den Kopfhörer aufsetzte, tauchte ich ein in meine eigene Welt. Ich wähnte mich im Heldenumhang an Bord meines Raumschiffs.

Stephan Beyer ist CEO von nFrontier. Foto: nFrontier

Der Walkman war so unhandlich, dass er als Work-out-Gerät hätte durchgehen können. Ein weiterer Vorteil: Das Tonband eignete sich auch als Lametta am Weihnachtsbaum. Während die moderne Welt mit drahtlosen Ohrhörern jongliert, erinnert mich der Walkman daran, dass Verheddern im Kabel eine Sportart war. Die Gegenwart mag vielleicht von winzigen kabellosen Ohrstöpseln dominiert werden – aber damals fühlte sich Musikhören wie eine authentische Lebenserfahrung an.

Der klobige Charme des 80er-Jahre Walkmans macht ihn für Stephan Beyer zur „Nostalgiemaschine“. Foto: PantherMedia / Birgit Reitz-Hofmann

In einer Ära, in der Technologie jede Woche einen neuen Tanz aufführt, wirkt der Walkman wie ein archäologischer Fund. Aber für einen kurzen Moment, wenn sich das Klicken der Kassette mit dem Lärm der Straßen in Berlin-Mitte vermischt, vergesse ich die Welt von Smartwatches und KI. Mein Walkman ist meine Zeitmaschine, eine Nostalgiemaschine – so absurd mechanisch und bar jeder KI. Manchmal braucht es einen Schuss Nostalgie, um die Gegenwart mit einem Augenzwinkern zu betrachten. In einer Welt voller Hightech-Gadgets erinnert der Walkman daran, dass Einfachheit auch ihren eigenen klobigen Charme hat. Vielleicht entwickelt ja bald ein ambitionierter Entwickler, der in den 80ern aufgewachsen ist, eine App, die den Walkman-Spirit einfängt – Batterieausfall und Kassettenkuddelmuddel inklusive. Denn manchmal braucht man nicht die neueste Technologie, sondern nur einen knarzenden Kopfhörer und das sanfte Sirren einer alten Kassette, um die Gegenwart besser zu verstehen.

Stephan Beyer, CEO von nFrontier, Berlin

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