Was die US-Wahl für die Forschung bedeutet
Project 2025: Wie die ultrareligiöse Rechte unter Trump der Wissenschaft den Garaus machen will.
Inhaltsverzeichnis
- Konservative Denkfabrik legt Plan für eine potenzielle Trump-Regierung vor
- Radikaler Kurswechsel in der Klimapolitik durch „Project 2025“ erwartet
- Kohle, Öl und Gas sollen die US-Wirtschaft dominieren
- Technologische Forschung wandert in militärische Hände
- Zweifel am Erfolg von „Project 2025“ – Checks and Balances im Visier
Donald Trump steht vor dem Sieg bei der US-Präsidentenwahl und der Rückkehr ins Weiße Haus. Seine Wiederwahl hat für jeden Bereich wichtige Konsequenzen, auch für die Wissenschaft. „Es gibt kein anderes Land auf der Welt, mit dem wir so viele gemeinsame Forschungsprojekte haben wie mit den USA, wir tun auf jeden Fall gut daran, uns auf beide Szenarien vorzubereiten“, sagt der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), Patrick Cramer.
Worauf also stellen sich Wissenschaftsmanager wie der MPG-Präsident ein? „Bei Trump wissen wir genau, was er machen will.“ Die „Regierungsprogramme“ bei Präsidentschaftswahlen sind traditionell kaum mehr als skizzenhaft. „Es sind Persönlichkeitswahlen“, sagt Martin Biesel, Büroleiter der liberalen Friedrich-Naumann-Stiftung in Washington und langjähriger Beobachter der US-Politik. „Im Kern geht es um Charakter- und Persönlichkeitsfragen, die programmatische Basis ist immer sehr dünn.“
Konservative Denkfabrik legt Plan für eine potenzielle Trump-Regierung vor
Dass sich MPG-Chef Cramer beim republikanischen Kandidaten trotzdem recht sicher ist, liegt vor allem am „Project 2025“ der konservativen Heritage Foundation, das im April 2023 ein rund 900 Seiten starkes Manifest veröffentlichte. Eine offizielle Publikation der Republikaner ist es nicht, und Donald Trump hat sich sogar öffentlich distanziert. Allerdings sind die Verbindungen zu Mitarbeitern der ehemaligen Trump-Administration und des gegenwärtigen Wahlkampfteams eng, und intern soll der Präsidentschaftskandidat die Schrift doch wieder unterstützt haben. Von den Demokraten wird es daher als Masterplan der Republikaner angesehen.
Drew Mitnick von der Heinrich-Böll-Stiftung sieht das ähnlich: „Es ist als Vision für das erste Jahr einer Trump-Administration gedacht.“ Der US-Anwalt ist im Washington-Büro für Digitale Politik zuständig. Sonja Thielges, Expertin für Klimapolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, ergänzt: „Die Autoren sind Leute, die für ihn in der Vergangenheit gearbeitet haben und ihm sehr nahestehen.“ Doch nicht alle messen dem Heritage-Paper so viel Bedeutung bei. Martin Biesel etwa rät zur Vorsicht: „Seine Glaubwürdigkeit leidet darunter, dass die üblichen Verdächtigen dasselbe da haben schreiben dürfen, was sie immer schon gesagt haben, sodass man davon ausgehen muss, dass das nicht im Einzelnen alles autorisiert worden ist.“
Radikaler Kurswechsel in der Klimapolitik durch „Project 2025“ erwartet
Klar ist auf jeden Fall, dass eine Trump-Administration in der Klima- und Umweltpolitik umsteuern wird. „Man kennt vieles schon im Ansatz“, meint Sonja Thielges und verweist auf Donald Trumps erste Amtszeit, „aber es wird noch mal einen Schritt radikaler werden.“ Die Klimapolitik der Biden-Administration wird nach Kräften zurückgedreht werden, auch wenn das Kernstück, der Inflation Reduction Act, nicht ohne Hilfe des Kongresses zurückgenommen werden kann.
Dafür erwarten die Experten drastische Änderungen in der Regulierung. „Umweltgerechtigkeit, Klimagerechtigkeit, Schutz bedrohter Gemeinschaften, sie wollen das alles loswerden“, befürchtet Mareike Moraal, die im Washingtoner Büro der Böll-Stiftung die Klimapolitik beobachtet. Hauptziel wird die Umweltbehörde EPA sein, die sowohl Aufsichtsorgan ist als auch Umwelt- und Klimaforschung betreut. „Die EPA ist ein symbolhafter Gegner, der zumindest in Teilen abgeschafft werden soll“, sagt Martin Biesel.
Kohle, Öl und Gas sollen die US-Wirtschaft dominieren
Ebenso drastisch wird es die Energiepolitik treffen. „Der Fokus auf die Energiewende, auf Klimatransformation soll nicht mehr weiter existieren, es besteht einfach kein Interesse mehr daran, das zu fördern“, so Sonja Thielges. „Das zeigt sich auch an eher symbolhaften Themen wie Trumps Ablehnung des Elektroautos“, ergänzt Martin Biesel.
Stattdessen werden fossile Energien betont. Die USA sollen die dominante Energiemacht der Erde werden, durch Förderung von Kohle, Öl und Gas im eigenen Land. Der Slogan „Drill, Baby, Drill“ hat es sogar bis ins Wahlprogramm der Republikaner geschafft – und das nicht ohne Grund. „Sie wollen Bohrgenehmigungen beschleunigen, die Umweltauflagen verringern, öffentliches Land unter Bundesverwaltung dafür öffnen“, erklärt Mareike Moraal.
Technologische Forschung wandert in militärische Hände
Eher unterschwellig sind die Änderungen im digitalen Bereich. „Project 2025 zieht große Teile der Digitalpolitik in den Bereich der nationalen Sicherheit, damit werden große Teile dieser Forschung von zivilen Trägern abgezogen und dem Verteidigungsministerium zugewiesen“, warnt Digitalexperte Drew Mitnick von der Heinrich-Böll-Stiftung. Cutting-Edge-Forschung wie künstliche Intelligenz oder Quantencomputing würde weniger transparent und mehr unter sicherheitspolitischen, wenn nicht sogar rein militärischen Gesichtspunkten gefördert.
Zweifel am Erfolg von „Project 2025“ – Checks and Balances im Visier
Die große Frage ist natürlich, wie sich eine Trump-Administration im traditionell robusten US-System der Checks and Balances durchsetzen kann. Die erste Trump-Präsidentschaft hat sich allem Twittergewitter zum Trotz als relativ ineffektiv erwiesen. „Es hat anfangs große Ängste gegeben, auch von Seiten der Wissenschaft, aber es kam dann doch zu weniger Eingriffen, als man befürchtet hatte“, sagt Karina Pallagst, Professorin für Raumplanung an der Universität Kaiserslautern, die lange Zeit in Berkeley forschte und noch enge Kontakte nach Kalifornien pflegt.
Um so misstrauischer wird das „Project 2025“ beäugt. „Es sieht wie ein Trainingsplan für die Trump-Regierung aus“, sagt Drew Mitnick. „Sie wollen nicht noch einmal unvorbereitet an die Regierung kommen, sondern sofort loslegen.“ Wie sehr ihnen der Kongress dabei in den Arm fallen wird, wird erst im November entschieden. Wie stark die Gerichte als Korrektiv auftreten, ist unter den Experten umstritten. Schließlich war die US-Regierung „Trump I“ bei der Besetzung der Bundesgerichte dank Schützenhilfe aus dem damals republikanisch dominierten Senat sehr erfolgreich.
Auch wenn die US-Politik isolationistischer werden sollte, will die deutsche Wissenschaft die erfolgreiche Kooperation über den Atlantik nicht abreißen lassen. „Wir wollen das unbedingt fortsetzen“, betont Max-Planck-Präsident Patrick Cramer. „Das kann sogar so weit gehen, dass wir helfen, einen Teil der amerikanischen Wissenschaft zu stabilisieren.“
Dieser Artikel wurde bereits in einer früheren Fassung am 2. Oktober hinter der Paywall veröffentlicht.