Was macht ein Exoskelett beim Parabelflug?
Üblicherweise bieten Exoskelette Menschen Unterstützung bei körperlicher Arbeit und bei der Rehabilitation. Neu ist dagegen ein Ansatz für Arbeit in der Schwerelosigkeit.
Wer auf der Erde einen Wassereimer mit ausgestrecktem Arm halten muss, merkt schnell, was Schwerkraft bedeutet. Im Alltag arbeitet der menschliche Körper dagegen nahezu unbewusst gegen Anziehung des Planeten.
Doch wie reagiert der Mensch, wenn diese Schwerkraft wegfällt? Wichtig ist das für die Arbeit im Weltall – also dort, wo Schwerelosigkeit herrscht. Insbesondere feinmotorische Aufgaben werden unter solchen Bedingungen zur Herausforderung. Wer auf Weltraummission geht, trainiert das deshalb bereits auf der Erde.
Genau damit beschäftigen sich nun auch Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Deutschen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz (DFKI) sowie der Universität Duisburg-Essen (UDE). Gemeinsam untersuchen sie, ob sich ein robotisches Exoskelett für astronautisches Training eignet.
Training der Feinmotorik steigert Effizienz und erhöht die Sicherheit im Weltall
Damit Astronauten und Astronautinnen unter den besonderen Bedingungen von Anfang an effizient und sicher arbeiten können, trainieren sie bisher vor der jeweiligen Mission auf Parabelflügen oder in Raumanzügen unter Wasser. Das ist aufwendig und teuer. Die Schwerelosigkeit beim parabelförmigen Flug mit einem umgebauten Airbus A310 dauert jeweils nur etwa 22 s, weshalb mehrere Durchgänge nötig sind. Eine Alternative könnte deshalb ein robotisches Exoskelett sein, dessen Motoren die Erdanziehung ausgleichen.
Im Projekt NoGravEx haben die Forschenden einen Ansatz weiterentwickelt, der die Mikrogravitation mit dem Exoskelett simuliert. Das System erkennt dabei das Gewicht der Arme einer Person und kompensiert es, sodass sich die Arme schwerelos anfühlen oder so schwer wie auf einem Planeten wie dem Mond. Um Daten für den Vergleich der echten mit der simulierten Schwerelosigkeit zu bekommen, nahmen die Forschenden vor wenigen Tagen an der 42. DLR-Parabelflugkampagne im französischen Bordeaux teil.
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Wir diskutieren regelmäßig mit Vertretern aus Industrie & Forschungseinrichtungen, um unsere strategische Ausrichtung zu verbessern. Künstliche Intelligenz ist ein Schlüsselthema für uns – auch bei robotischen Raumfahrt-Missionen. Gestern wurde von Frank Kirchner @DFKI das… pic.twitter.com/ZPHsSOxXAQ
— Deutsche Raumfahrtagentur (@DLR_SpaceAgency) April 26, 2024
DLR-Parabelflug lieferte Vergleichsdaten für die Simulation von Schwerelosigkeit
Durch spezielle Auf- und Abstiegsmanöver wird bei solchen Parabelflügen 31-mal für jeweils rund 22 s Schwerelosigkeit erzeugt. Diese Zeit steht den wissenschaftlichen Teams für ihre Experimente zur Verfügung. Statt der geplanten drei Flüge an drei Tagen startete der Airbus A310 Zero G der Firma Novespace in dem Fall insgesamt viermal, da der erste Flug nach nur 16 Parabeln wegen technischer Probleme abgebrochen werden musste.
Das Exoskelett-Experiment gehörte dabei zu elf ausgewählten Experimenten an Bord des Flugzeugs. Die Aufgabe der sechs Testpersonen bestand darin, in der Schwerelosigkeit mit dem Zeigefinger des rechten Arms die Mitte einer Zielscheibe auf einem Touchscreen zu treffen. Um visuelle Bewegungskorrekturen zu vermeiden, war der Arm dabei durch einen Umhang verdeckt. Während des Versuchs wurden die Muskelaktivität des Armes, die Gehirnaktivität und die Herzratenvariabilität der Testpersonen sowie deren Bewegungstrajektorien aufgezeichnet. Das Team nutzte für die Arbeit sowohl aktive – also motorisch unterstützte – Exoskelette als auch passive Systeme.
Exoskelett für Schwerelosigkeit wurde mit zwei Vergleichsgruppen erprobt
Die Hälfte der Probandinnen und Probanden hatte die Aufgabe bereits im Labor mit einem aktiven Exoskelett in simulierter Schwerelosigkeit trainiert, die anderen waren untrainiert bzw. nur mit dem Versuchsaufbau vertraut. Im Gegensatz zu den Tests auf der Erde wurden bei den Parabelflügen passive Systeme eingesetzt. Dabei ermöglichten zwei identische Versuchsaufbauten den gleichzeitigen Einsatz von zwei Testpersonen pro Flug. Eine mit allen Sensoren ausgestattete Ersatzperson stand bereit, um bei Unwohlsein einzuspringen. Ansonsten fungierte sie als Operator oder unterstützte die Testpersonen.
Am Ende der insgesamt zehntägigen Kampagne zeigten sich die Forschenden sehr zufrieden mit dem Verlauf. Projektleiterin Elsa Kirchner, Leiterin des Fachgebiets „Systeme der Medizintechnik“ an der Universität Duisburg-Essen, sagte: „Wir haben unsere erste Parabelflugkampagne exzellent gemeistert und alle geplanten Daten erhoben. Das Team hat trotz aller Anstrengung und wenig Schlaf hervorragend zusammengearbeitet.“ Nun gehe es an die Auswertung der umfangreichen Daten.
Datenauswertung soll bessere Vorbereitung auf Weltraum-Missionen ermöglichen
Ob das Training mit dem Exoskelett in simulierter Schwerelosigkeit eine Übertragung des Gelernten in die reale Schwerelosigkeit erlaubt, soll nun die Analyse der Daten zeigen. Wenn sich das bestätigt, könnte Leistungsfähigkeit von Astronautinnen und Astronauten unter den extremen Bedingungen des Weltalls durch das Training vor der Mission weiter verbessert werden.
Unabhängig davon ist aber auch ein Transfer der Erkenntnisse angedacht. Denn das im Rahmen der Weltraumforschung eingesetzte und weiterentwickelte Exoskelett wurde am DFKI ursprünglich für die Rehabilitationstherapie entwickelt. Durch die Möglichkeit der personenspezifischen Gewichtskompensation könne das System körperlich eingeschränkte Menschen, beispielsweise nach einem Schlaganfall, noch individueller unterstützen, berichtet das Forschungszentrum.