Weniger Geld für die Forschung – Förderorganisationen sehen den Mittelstand bedroht
Der von Bundesfinanzminister Christian Lindner vergangene Woche vorgelegte Entwurf für den Bundeshaushalt sieht Kürzungen der Budgets für die Industrieforschung vor. Für den Mittelstand wäre das fatal.
Es ist keine leichte Aufgabe, in Zeiten der Pandemie und des Kriegs in der Ukraine eine Finanzierung von Investitionen in die Zukunft festzulegen. Zu viele Unsicherheiten gilt es abzuwägen. Dennoch ist es das erklärte Ziel der Ampelkoalition, die deutsche Wirtschaft zu einer nachhaltigen, klimaneutralen und digitalen Volkswirtschaft umbauen. Mit den jetzt angekündigten Kürzungen für die industrielle Forschung dürfte das schwierig werden.
„In einer Zeit, in der forschungsaffine kleine und mittlere Unternehmen durch die Folgen der Corona-Krise, die aktuelle geopolitische Lage und die laufenden Transformationsprozesse sogar in ihrer Existenz bedroht sind, ist eine Kürzung der Budgets für die weltweit einzigartige Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF) und das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) wirklich fatal“, erklärt Sebastian Bauer, Präsident der AiF Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e. V.
Dramatische Beschneidung von erfolgreichen Forschungsförderprogrammen
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Für die IGF sieht der am 16. März veröffentlichte zweite Regierungsentwurf für den deutschen Bundeshaushalt bislang Mittel nur in Höhe von 180 Mio. € vor, für das ZIM nur in Höhe von 600 Mio. €. Im vergangenen Jahr konnte die IGF hingegen mit rund 20 Mio. € mehr planen, das ZIM sogar mit 35,5 Mio. € zusätzlich.
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Bleiben die Budgetansätze in dieser Form im Regierungsentwurf, wären das dramatische Beschneidungen für die beiden so erfolgreichen Forschungsförderprogramme. „Die geplanten Mittelkürzungen sind angesichts der gewaltigen Herausforderungen, beispielsweise beim Klimaschutz, bei der Digitalisierung oder der Nutzung von künstlicher Intelligenz, auch überhaupt nicht nachvollziehbar“, sagt AiF-Präsident Bauer. Nur mit zusätzlichen Forschungsanstrengungen und daraus resultierenden Innovationserfolgen seien diese Herausforderungen zu bewältigen.
In der aktuellen Situation müsse es unbedingt Ziel sein, das Steueraufkommen nachhaltig zu erhöhen, damit die bereits aufgenommenen und inzwischen geplanten Schulden schnellstmöglich getilgt und künftige Generationen nicht noch stärker belastet werden. Das ließe sich nur erreichen, indem Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit gestärkt würden, sonst seien Arbeitsplätze und damit Steueraufkommen gefährdet. Bauer: „Wir erwarten somit im Interesse einer aussichtsreichen gesamtwirtschaftlichen und -gesellschaftlichen Entwicklung eine signifikante Anhebung des IGF-Budgets, zumal im Koalitionsvertrag explizit ausgeführt ist, dass diese erfolgreichen Förderprogramme bedarfsgerecht ausgestattet werden sollen.“
Zuse-Gemeinschaft pocht auf Einhaltung des Koalitionsvertrags
Auch die Zuse-Gemeinschaft kritisiert die geplanten Kürzungen im Forschungsetat. Dem technologie- und branchenoffenen Verband, der die Interessen gemeinnütziger, privatwirtschaftlich organisierter Forschungseinrichtungen vertritt, gehören bundesweit aktuell 77 Mitglieder an. Die Institute zeichnen sich durch praxisorientierte Forschung für mittelständische Unternehmen aus.
„Die Kürzung der Budgets für Industrieforschung und das ZIM auf Vor-Corona-Niveau ist ein verstörendes Signal in Richtung forschungsaffiner mittelständischer Unternehmen und der Industrieforschungseinrichtungen“, kommentiert Klaus Jansen, Geschäftsführer der Zuse-Gemeinschaft, den Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2022. „Die Herausforderungen der Mobilitäts-, Energie-, Produktionswende und den Klimawandel können nur durch deutlich intensivierte Forschung und die so zu erreichenden Innovationen bewältigt werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Zusage aus dem Koalitionsvertrag einzuhalten und die Mittel für anwendungsorientierte Industrieforschung deutlich zu steigern.“
Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) fordert verlässliche Mittel für die Forschung
Grundsätzlich beabsichtigt die neue Bundesregierung sehr wohl, im Rahmen der bestehenden Förderstrukturen die Entwicklungsschritte bis hin zum Markteintritt wirkungsvoll zu unterstützen. Eine Aufstockung der Budgets für IGF und ZIM wären daher nur folgerichtig. So sieht es auch das Bundeswirtschaftsministerium, das die IGF in einer kürzlich veröffentlichten Evaluationsstudie als effektives Instrument der Forschungsförderung mit hohem Alleinstellungscharakter bewertet. Nahezu alle befragten Unternehmen und Forschungseinrichtungen hatten der Studie zufolge die Unterstützung ihrer Innovationsaktivitäten durch den erleichterten Zugang zu praxisorientierten Forschungsergebnissen gewürdigt. Auch das ZIM war 2019 erneut positiv evaluiert worden.
Und auch die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), die die technologische Leistungsfähigkeit Deutschlands in ihrem aktuellen Jahresgutachten bewertet, mahnt die Bereitstellung „ausreichender und verlässlicher finanzieller Mittel für die Förderung von Forschung und Innovation“ an. „Wir sollten uns freuen, dass die Unternehmen zurzeit so viele IGF- und ZIM-Vorhaben wie noch nie initiieren“, betont der AiF-Präsident. Das zeige doch, dass sie sich den Herausforderungen des Transformationsprozesses stellen und ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken wollen. „Insofern werden wir alle profitieren, wenn die Budgets für IGF und ZIM bedarfsgerecht ausgestattet und damit gestärkt werden.“