Wissenschaftler simulieren Photosynthese
Chemische Energie aus dem Sonnenlicht zu gewinnen, könnte die aktuellen Energie- und Umweltprobleme überwinden helfen. Ein internationales Forscherteam ist diesem Ziel jetzt einen entscheidenden Schritt nähergekommen.
Wenn es gelänge, die Photosynthese nachzustellen, mit der Pflanzen Sonnenlicht in chemische Energie umwandeln, würde sich ein lang gehegter Forschertraum erfüllen. Doch es ist ein überaus komplexer Prozess. In einer der größten Simulationen eines Biosystems weltweit haben Wissenschaftler diesen Vorgang jetzt an einem Bestandteil eines Bakteriums nachgeahmt.
An der internationalen Forschungskooperation unter Leitung der University of Illinois war auch ein Team der Jacobs University Bremen beteiligt. Ihre Arbeit haben sie jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Cell“ veröffentlicht.
Künstliche Photosynthese
So wie in biologischen Systemen, also in Pflanzen und auch in einigen Bakterien, mithilfe von Sonnenlicht Kohlenhydrate entstehen, so soll der Prozess einer künstlichen Photosynthese auch im Chemielabor nachgestellt werden. Weiter nötig wären dann nur Kohlendioxid (CO2) aus der Luft und Wasser, um etwa Brennstoffe, Chemikalien oder Kohlenhydrate sowie Sauerstoff zu produzieren. Nötig dafür ist allerdings ein grundlegendes Verständnis der Prozesse, die in den Teilen der Zelle ablaufen, die mit der Lichtumwandlung befasst sind.
Der lichtabsorbierende Teil der Zelle
Die ursprüngliche Idee zu dem Projekt hatte der inzwischen verstorbene, deutsch-US-amerikanische Physikprofessor Klaus Schulten von der University of Illinois. Ihm ging es vor allem darum, die atomaren Wechselwirkungen lebender Systeme zu verstehen und darzustellen. Seine Arbeitsgruppe modellierte daraufhin das Chromatophor. So nennen Wissenschaftler den lichtabsorbierenden Teil einer Zelle, der chemische Energie in Form eines Moleküls namens ATP ausschüttet. Chromatophoren finden sich in pflanzlichen Zellen sowie in manchen Bakterien.
„Sie wirken wie eine Solarzelle der Zelle. Mit ihren Antennenkomplexen nehmen sie das Licht auf und schütten Energie in Form von ATP für alle anderen Aktivitäten der Zelle wieder aus“, sagt Ulrich Kleinekathöfer. Der Professor für theoretische Physik an der Jacobs University hat gemeinsam mit seiner Doktorandin Ilaria Mallus an dem Projekt mitgewirkt. Auf Basis der Daten der amerikanischen Kollegen führten sie quantenmechanische Berechnungen für das Modell durch.
Chromatophor in seine Einzelteile zerlegt
Um herauszufinden, wie dieses System funktioniert, sezierte die internationale Forschergruppe das Chromatophor mit jedem der Wissenschaft zur Verfügung stehenden Werkzeug, von Laborexperimenten über Rasterkraftmikroskopie bis hin zu Softwareinnovationen. Alle Teile wurden in einem Modell zusammengesetzt, das 136 Millionen Atome umfasst. Es verhält sich praktisch wie sein Gegenstück in der Natur. Dazu nötig waren enorm leistungsfähige Supercomputer. Standardsimulationen arbeiten mit bis zu 100 000 Atomen. Hier handelte es sich aber um ein Modell, das um den Faktor 1000 größer war. „Es ist ein Vorstoß in neue Dimensionen“, beschreibt es der Bremer Forscher Kleinekathöfer.
Bislang konnten nur einzelne Proteine simuliert werden. Das Modell aber zeigt nun das Wechselspiel sehr vieler Proteine über die gesamte Prozesskette, von der Lichtabsorption bis zur Herstellung von ATP. „Irgendwann werden wir es schaffen ein ganzes Bakterium oder eine ganze Zelle zu simulieren“, glaubt Kleinekathöfer. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur künstlichen Photosynthese.