Ärzte in Praxen kommunizieren immer noch per Telefon und Fax
Zwischen Ärzten in Kliniken und Praxen öffnet sich ein digitaler Graben. Unter den Medizinern sehen mehr Frauen als Männer eine Chance in der Digitalisierung. Das sind nur zwei Ergebnisse einer Umfrage der Verbände Bitkom und Hartmann-Bund.
Die Corona-Pandemie mag in einigen Bereichen auch ihre guten Seiten haben. So hat die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung in den vergangenen Monaten große Fortschritte gemacht. Doch wenn es um den Einsatz digitaler Technologien im Praxis- oder Klinikalltag geht, dann ist Deutschlands Ärzteschaft gespalten. Das zeigt eine Umfrage, die der Branchenverband Bitkom gemeinsam mit dem Hartmann-Bund – Verband der Ärzte Deutschlands e. V. unter 500 Ärztinnen und Ärzten durchgeführt hat.
Demnach sehen 864 % der Klinikärzte in der Digitalisierung primär Chancen für das Gesundheitswesen – 10 % halten die Digitalisierung für ein Risiko. Anders bei Praxisärzten: Hier betonen lediglich 53 % die Chancen – und 39 % sehen Risiken. Zugleich gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen Ärztinnen und Ärzten: 74 % der Frauen sehen die Digitalisierung als Chance, aber nur 63 % der Männer. Und: Je jünger die Ärzte sind, desto aufgeschlossener sind sie. So sieht nur jeder zweite Arzt ab 45 Jahren Chancen in Videosprechstunden, elektronischen Patientenakten, Gesundheits-Apps auf Rezept und anderem mehr.
Defizite werden schonungslos offengelegt
Zugleich wünschen sich vor allem Klinikärzte, dass es bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens schneller vorangeht: 82 % der Mediziner in Krankenhäusern sagen, es sei mehr Tempo beim Ausbau digitaler Angebote nötig. Unter den Praxisärzten sind es lediglich 38 %. In Krankenhäusern wünschen sich zwei Drittel aller Befragten, dass Deutschland im Kampf gegen die Corona-Pandemie stärker auf digitale Technologien setzen müsse. „Zwischen den Ärzten in Kliniken und Praxen öffnet sich ein digitaler Graben“, erklärt Bitkom-Präsident Achim Berg.
„Die Corona-Pandemie hat den Gesundheitssektor vor riesige Herausforderungen gestellt. Während Ärzte und Pflegende Höchstleistungen für ihre Patienten erbringen und immense Belastungen schultern, werden die Defizite schonungslos offengelegt“, so Berg. Dazu zähle die Nachverfolgung von Infektionsketten, die Information potenziell Infizierter oder jetzt die Terminvergabe bei der Schutzimpfung. Zettelwirtschaft, analoge Prozesse und hohe Datenschutzhürden sorgen noch immer für Verzögerungen, unnötigen Mehraufwand und Informationsdefizite.
Jeder fünfte Arzt setzt noch auf Fax
Innerhalb der Praxen und Kliniken schreitet die Digitalisierung voran: Jeder zweite Arzt erstellt Medikationspläne überwiegend digital. Eine digitale Patientenakte ist bereits bei 66 % im Einsatz. Eigene Notizen und Dokumentationen werden zu 61 % digital verwaltet, nur 37 % tun das noch analog.
Zwar lässt sich ein deutlicher Zuwachs bei den Angeboten von Videosprechstunden beobachten. So bieten 17 % der Praxisärzte Videosprechstunden an: 11 % haben damit während der Corona-Krise begonnen. Weitere 40 % können sich dies für die Zukunft vorstellen. Bei den Klinikärzten sind es sogar drei Viertel aller Befragten.
Telefon wichtigstes Kommunikationsmittel
Die Kommunikation verläuft jedoch größtenteils traditionell: Das Telefon ist der wichtigste Kanal im Austausch mit Patienten (77 %), Apotheken (61 %) und Praxen (53 %). Jeder fünfte Arzt hält den Kontakt zu anderen Arztpraxen überwiegend per Briefpost, 22 % setzen vornehmlich auf das Fax. Lediglich jeder 20. Arzt kommuniziert hier überwiegend via E-Mail.
Für den Bitkom-Präsidenten ein schwieriger Zustand. Die Zeiten, in denen die Menschen ein Leben lang bei ihrem Hausarzt blieben, seien vorbei. Sie wechselten Wohnorte ebenso wie Ärzte. Wenn Akten und Befunde in Papierform abgeheftet werden, seien Doppeluntersuchungen, Sicherheitsdefizite und der Verlust von Informationen vorprogrammiert. Umso wichtiger seien durchgängig digitale Prozesse im Gesundheitswesen.
Hoffnung auf elektronische Patientenakte
Die seit dem 1. Januar in Deutschland verfügbare elektronische Patientenakte (ePa) weckt bei vielen Ärzten große Hoffnungen: Fast neun von zehn Klinikärzten erwarten durch die ePa eine einfachere Zusammenarbeit zwischen Ärzten – bei den Praxisärzten sind es 54 %. Zugleich sehen Klinikärzte (76 %) wie Praxisärzte (85 %) die Gefahr des Datenmissbrauchs. Beinahe zwei Drittel aller Praxisärzte fürchten hohe Investitionskosten und mehr als die Hälfte eine schwierige Integration der ePa in den eigenen Behandlungsalltag.
Internet macht Patienten auch mündig
Viele Menschen informieren sich mittlerweile im Internet über Symptome und Krankheiten, bevor sie zum Arzt gehen. Dabei stellen neun von zehn Medizinern fest, dass Patienten durch die Internetrecherche verunsichert werden. Die werden allerdings auch mündiger, haben 42 % der Ärzte festgestellt. Knapp die Hälfte lernt sogar durch informierte Patienten hinzu.
Mit Algorithmen gegen Pandemien
Insgesamt erwarten die Ärzte in Deutschland durch die Digitalisierung maßgebliche Fortschritte in der Medizin – auch bei der Bekämpfung globaler Pandemien. 80 % halten es für wahrscheinlich, dass spätestens im Jahr 2030 computergestützte Voraussagen flächendeckend im Einsatz sind, die vor Pandemien warnen und z. B. durch Algorithmen die Dynamik von Infektionsgeschehen vorhersagen. 72 % glauben, dass Organe wie Speiseröhrenimplantate, Haut oder Knorpelscheiben künftig mithilfe von 3-D-Druckern entstehen.