MEDIZINTECHNIK 06. Dez 2018 Stefan Asche Lesezeit: ca. 3 Minuten

Dokumentiert desinfiziert

Die GWA Hygiene GmbH aus Stralsund hat ein Monitoringsystem entwickelt, mit dem Krankenhauskeime im Zaum gehalten werden sollen.

Die Sensoren passen an alle gängigen Spender. Sie registrieren neben der Hubzahl auch die Hubtiefe. Somit lässt sich zu jeder Zeit der Restfüllstand ermitteln.
Foto: GWA Hygiene

Die Zahlen sind erschreckend: Alleine in Deutschland infizieren sich jedes Jahr etwa 700 000 Patienten während eines Krankenhausaufenthalts mit Keimen. 30 000 von ihnen bezahlen dieses Unglück mit dem Leben. Helfen kann dagegen nur Prävention – in Form von Desinfektion. „Am wichtigsten sind die Hände“, weiß Tobias Gebhardt. „Über sie werden 90 % aller Erreger übertragen.“ Deshalb hat der Stralsunder zusammen mit vier ehemaligen Kommilitonen eine Monitoringlösung zur Messung der Handhygiene entwickelt. Was als Studentenprojekt an der Hochschule Stralsund begann, wurde 2015 zur eigenen Firma: der GWA Hygiene GmbH.

GWA Hygiene GmbH

Gründung: 2015

Branche: Digital Health

Mitarbeiter: 25

Vertrieb: Europa, bald weltweit

Umsatz: „sechsstellig“

Die Idee zu dem „NosoEx-System“ entstand schon 2013. Teammitglied Maik Gronau musste sich damals einer Operation unterziehen. Anschließend hatte er viel Zeit, um seine Umgebung vom Bett aus zu beobachten. Er sah, wie häufig Ärzte und Pfleger ihre Hände desinfizierten. Sein Fazit: Da ist noch reichlich Luft nach oben!

Das Gründerteam, bestehend aus Daniel Neuendorf, Maik Gronau, Dirk Amtsberg, Marcel Walz und Tobias Gebhardt (v.l.), will einen digitalen Assistenten für die Krankenhaushygiene etablieren. Foto: GWA Hygiene

Vor allem, wenn man die Realität abgleicht mit den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation. Sie rät in fünf Situationen zu einer ausführlichen Reinigung: Vor und nach Patientenkontakt, vor aseptischen Tätigkeiten wie dem Wechseln von Verbänden, nach Kontakt mit potenziell infektiösem Material und nach jedem Kontakt mit der unmittelbaren Patientenumgebung. „Streng genommen müssten viele Krankenhausangehörige dann einen nicht unerheblichen Teil ihres Arbeitstages mit dem Händedesinfizieren verbringen“, so Gebhardt. Im Klinikalltag werde das aber kaum erreicht.

Ist das nun Nachlässigkeit des Personals? Oder gar Vorsatz? „Weder noch“, sagt Gebhardt. Eher liege es an einer zunehmenden Arbeitsverdichtung und einer falschen Selbsteinschätzung. „Vielen Pflegekräften und Ärzten ist gar nicht bewusst, dass sie Defizite im Hygieneverhalten haben.“

Das Stralsunder Jungunternehmen begegnet dem spielerisch. „Wir erfassen nicht jeden einzelnen Mitarbeiter“, erklärt Gebhardt. „Wir schauen uns lediglich verschiedene Berufsgruppen an und vergleichen sie miteinander. Wenn am Ende des Tages beispielsweise sichtbar wird, dass die Pfleger die Hygienevorgaben viel besser einhalten als die Ärzte, werden letztere hoffentlich in Zukunft öfter mal den Spender für Desinfektionsmittel nutzen.“ Diesen hausinternen Wettbewerb könne die Krankenhausleitung durch Incentives zusätzlich befeuern – etwa mit einem Frühstück für die beste Gruppe.

Technologisch basiert das NosoEx-System auf Magnetsensoren und Funksendern. „Beide Komponenten können problemlos an vorhandene Spender montiert werden“, unterstreicht Gebhardt. „Wir passen uns stets den lokalen Gegebenheiten an.“ Das Personal würde zusätzlich ausgestattet mit anklippbaren, anonymisierten Transpondern. „Die Beschäftigten greifen sich morgens einfach irgendein Gerät, das farblich ihrer Berufsgruppe zugeordnet ist.“

Wenn ein Mitarbeiter nun seine Hände desinfiziert, sammelt sein Transponder Daten darüber, wie oft und wie stark er den Hebelarm des Spenders betätigt hat. Diese Informationen werden automatisch weitergegeben an eine Datensammeleinheit, die an einer zentralen, viel frequentierten Stelle der Station montiert ist. „Es genügt, wenn die Person einmal an diesem Knotenpunkt vorbei geht“, so Gebhardt. Eine teure und energieintensive Wlan-Anbindung aller Spender werde dadurch obsolet. Daten von den Mitarbeitern, die sich wenig im Haus bewegen, würden automatisch von solchen Kollegen erfasst und weitergegeben, die viel unterwegs seien.

„Es wäre technisch problemlos möglich, das Hygieneverhalten auch personalisiert zu erfassen“, so Gebhardt. Das setze allerdings das Einverständnis aller Beteiligten sowie des Betriebsrates voraus.

Dank der Software der GWA Hygiene GmbH kann sich die Krankenhausleitung stets ein genaues Bild von der Nutzung aller Spender machen. „Wir bieten zu diesem Zweck jedem Kunden eine individuelle grafische Benutzeroberfläche an“, wirbt Gebhardt. „In Grundrissskizzen der verschiedenen Etagen werden alle Spender angezeigt – inklusive ihrer aktuellen Füllstände. Das erleichtert die Nachfülllogistik erheblich.“

Geld verdienen will das Start-up über ein Mietmodell. Die Miethöhe sei dabei abhängig von der Mietdauer und der Zahl der eingesetzten Sensoren. Konkrete Summen nennen die Gründer nicht.

Seit Mitte 2017 bietet das Jungunternehmen die Systeme an. Das bescherte bisher Umsätze im sechsstelligen Bereich. Dank international agierender Partner wie der B. Braun Melsungen AG oder der Hartmann-Gruppe könnte diese Zahl aber schnell wachsen. Zumal der Kreis potenzieller Kunden groß ist: In Deutschland gibt es etwa 2000 Krankenhäuser. Bedarf gibt es aber auch in den landesweit 13 000 Pflegeheimen.

Finanziert hat sich die junge GmbH anfangs mit Mitteln der MBG Mecklenburg-Vorpommern (MBMV) und der KfW. Im August kamen dann die Münchner MIG Verwaltungs AG, der Hightech Gründerfonds aus Bonn sowie vier Business Angels hinzu. Sie investierten insgesamt 2,5 Mio. €.

In den kommenden Jahren will das Start-up seinen Geschäftsinhalt deutlich ausbauen. „Unser Ziel ist es, der europaweit führende digitale Assistent für die gesamte Krankenhaushygiene zu werden“, so Gebhardt. „Das beinhaltet nicht nur die Erfassung der Handreinigung. Zusätzlich wollen wir beispielsweise die Hygienemaßnahmen im Vorfeld von Operationen dokumentieren. Dazu zählt u. a. die Patientenvorbereitung.“

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