MITARBEITERGESUNDHEIT 4.0 06. Sep 2018 Thomas Corrinth Lesezeit: ca. 3 Minuten

E-Health für den eigenen Betrieb

Die Digitalisierung verändert auch das betriebliche Gesundheitsmanagement. Portale, Apps und Wearables bieten Chancen, sind aber noch ausbaufähig.

Die Smartwatch zeigt, was der Mensch nur erahnt. Mitarbeitergesundheit 4.0 bietet große Chancen, stößt aber auch schnell an rechtliche Grenzen.
Foto: panthermedia.net/Andriy Popov

Digitale Technologien verändern den Gesundheitsmarkt radikal. Von den geschätzt 3,4 Mrd. weltweit genutzten Smartphones im Jahr 2018 haben rund die Hälfte mindestens eine Gesundheits-App installiert, prognostiziert die Beratungsfirma Research2guidance. Immer mehr Menschen informieren sich über gesundheitliche Themen im World Wide Web, messen ihre eigene Fitness und tauschen sich darüber aus.

Diese Entwicklung konfrontiert auch Personal- und Gesundheitsverantwortliche in den Unternehmen mit der Frage, welche der neuen E-Health-Lösungen für den eigenen Betrieb geeignet sind, vor allem vor dem Hintergrund neuester Datenschutzbestimmungen. Anbieter wie das Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFGB) in Konstanz, eine Ausgründung von Wissenschaftlern der Universitäten Konstanz, München (TU) und Karlsruhe (KIT), befassen sich damit, wie ein betriebliches Gesundheitsmanagement 4.0 aussehen kann.

Gemeinsam mit der Techniker Krankenkasse und dem Personalmagazin hat das IFGB Anfang 2017 die Studie „whatsnext – Gesund arbeiten in der digitalen Arbeitswelt“ mit 825 Unternehmensverantwortlichen in Deutschland durchgeführt. Das Ziel: Herausfinden, welche Faktoren heute und in fünf Jahren Relevanz für ein gutes BGM haben. Utz Niklas Walter, Geschäftsführer des IFBG, resümiert: „Als eines der wichtigsten Themen wurde dabei lebenslanges Lernen identifiziert und das betrifft zunehmend den Kompetenzerwerb beim Umgang mit digitalen Medien. Auch die Art und Weise, wie gesundheitliche Themen kommuniziert werden, wird als sehr wichtig eingeschätzt. Konkret wird der digitalen betrieblichen Gesundheitsförderung große Bedeutung beigemessen.“

Digitale Tools beim BGM lassen sich grundsätzlich drei Kategorien zuordnen: Gesundheits-Apps, tragbare Sensoren (Wearables) und Gesundheitsportale. Häufig werden die gesundheitsbezogenen Apps verknüpft mit Wearables, etwa in Form von Fitnessarmbändern, Smartwatches oder sogar T-Shirts. Die Träger solcher Wearables können somit etwa ihr Aktivitäts- oder Schlafverhalten messen. Auch in der betrieblichen Praxis werden diese digitalen Tools zunehmend eingesetzt bzw. in Pilotprojekten getestet. Oft fließen die generierten Daten zudem in ein unternehmenseigenes Gesundheitsportal. So haben etwa einige Unternehmen bereits ein internes Portal für ihre Mitarbeiter speziell zum Thema Schlaf eingeführt. Richtig geplant und umgesetzt eröffnen die digitalen BGM-Tools Unternehmen viele Chancen: „Man kann neue Zielgruppen zum Thema Gesundheit erreichen, zum Beispiel junge oder technikaffine Mitarbeiter oder solche, die unterwegs sind“, zählt Utz Niklas Walter auf.

Auch die spielerische Komponente in Form von Wettbewerben würde Mitarbeiter zur Teilnahme motivieren. Die entsprechenden Daten könnten, immer unter Berücksichtigung aktueller Datenschutzbestimmungen, für ein unternehmensspezifisches Gesundheitsmonitoring genutzt werden. Und auch im Hinblick auf das Arbeitgeberimage könne ein professionelles digitales BGM die Attraktivität steigern.

Bei der recht jungen Technologie sehen sich Unternehmer aber auch noch mit einigen Herausforderungen konfrontiert. „Die Qualität und Messgenauigkeit, insbesondere bei den Gesundheits-Apps, lässt noch zu wünschen übrig. Hier fehlt es derzeit an qualitativ hochwertigen Langzeitstudien“, erklärt Walter. Wearables seien in den letzten Jahren verlässlicher geworden und die Qualitätskontrolle sei bei den Gesundheits-Portalen derzeit am besten. Entsprechende Prüfstellen wie Krankenkassen oder Verbände können darüber Hinweise geben. Es gibt auch noch weitere Hürden beim digitalen BGM: Gerade ältere Beschäftigte können sich mit den neuen Technologien überfordert fühlen; außerdem kann man darüber streiten, ob ausgerechnet das Thema Gesundheit bei ohnehin wachsendem Medienkonsum digital behandelt werden soll. Bedenken im Hinblick auf den Umgang mit gesundheitsbezogenen persönlichen Daten können mit der neuen Datenschutzgrundverordnung, die seit Mai 2018 gilt, zumindest in den wichtigsten Fragen ausgeräumt werden.

Die Enercity AG, ein Energiedienstleister aus Hannover mit rund 2500 Mitarbeitern, beschäftigt sich seit 2017 besonders intensiv mit digitalem BGM – in Form von Gesundheitsportal, Wearables und App. „Das Gesundheitsportal wollen wir vor allem nutzen, um mit den Mitarbeitern in Kontakt zu treten und den Austausch unter den Beschäftigten zu gesundheitlichen Themen zu fördern. Sie können hier Inhalte liken, teilen und kommentieren“, erklärt Hendrik Kuhlenkamp, Gesundheitsmanager bei der Enercity AG.

Wearables kamen zum Einsatz bei einem sechswöchigen Schritte-Wettbewerb, bei dem Enercity-Mitarbeiter gegen andere Unternehmensteams antreten konnten. Bei der Challenge sollte jeder Mitarbeiter mindestens 10 000 Schritte täglich schaffen, das Ergebnis wurde in eine App übertragen. Trotz der positiven Resonanz auf die neuen Tools stellt Hendrik Kuhlenkamp fest: „Sowohl beim Portal als auch bei der Challenge mit den Wearables erreichen wir noch zu wenige Mitarbeiter. Und die, die wir erreichen, achten meistens bereits auf ihre Gesundheit.“

Erfolgreicher sei dagegen die Gesundheits-App in Verbindung mit einem mobilen Labor. Über diese App können sich Mitarbeiter anonym zu Vorsorge-Check-ups anmelden, werden dann in einem mobilen Labor am jeweiligen Standort untersucht und haben ein fachärztliches Gespräch, bekommen ihre Werte in der App angezeigt und erklärt und erhalten daraus abgeleitete personalisierte Empfehlungen für künftiges Verhalten. Ein Jahr später wird ein erneuter Check-up durchgeführt, um Entwicklungen zu dokumentieren. „Hier erreichen wir auch Menschen, die sonst vielleicht keinen freiwilligen Check-up machen, und können die anonymisierten Daten zudem für unser Gesundheitsmonitoring nutzen“, so Hendrik Kuhlenkamp. So kann Mitarbeitergesundheit 4.0 in der Praxis aussehen.

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