Medizintechnik 13. Sep 2024 Von Stefan Asche Lesezeit: ca. 2 Minuten

Gedanken und Magnete steuern Handprothese

Forschende aus Italien implantieren winzige Magnete in Restmuskeln und erfassen so vielerlei Bewegungswünsche. Der erste Patient ist begeistert.

Schon nach wenigen Versuchen konnte der erste Nutzer Wäscheklammern öffnen oder Reißverschlüsse verschließen: "Es fühlt sich an, als würde ich meine eigene Hand bewegen.“
Foto: 2024 Scuola Superiore Sant’Anna

Eine voll funktionsfähige prothetische Hand, die mit Gedanken gesteuert wird, haben Forscher des BioRobotik-Instituts der Scuola Superiore Sant‘Anna in Pisa/Italien entwickelt. Sie ist so feinfühlig, dass sie selbst empfindliche Gegenstände wie rohe Eier ergreifen kann, ohne diese zu zerbrechen. Institutsdirektor Christian Cipriani setzt mit seinem Team bei der Steuerung der Hand auf Magnetismus statt auf elektrische Signale.

Menschen, die eine Hand durch Amputation verloren haben, haben das Gefühl, diese bewegen zu können, meist nicht verloren. Durch ihre Gedanken können sie nach wie vor die Muskeln aktivieren, die für gezielte Bewegungen von Hand und Fingern nötig sind. Die Forscher in Pisa erfassen diese Muskelbewegungen mit millimetergroßen Dauermagneten, die in die Restmuskeln implantiert werden. Diese machen die Muskelbewegungen mit, die gedanklich ausgelöst werden. Dadurch verändert sich das magnetische Feld.

Myokinetische Steuerung

Das italienische Team hat die Bewegungen kartiert und übersetzt sie in Signale, die die Finger der Roboterhand steuern. Die Magnete haben ein natürliches Magnetfeld, das sich leicht im Raum lokalisieren lässt. Zieht sich der Muskel zusammen, bewegt sich der Magnet, und ein spezieller Algorithmus übersetzt diese Veränderung in einen spezifischen Befehl für die Roboterhand. Myokinetische Steuerung nennt sich dieses Verfahren.

Händeschütteln gehört zu den leichteren Aufgaben.

Foto: 2024 Scuola Superiore Sant’Anna

Dem Probanden war es schnell möglich, ein Glas mit Wasser zu füllen.

Foto: 2024 Scuola Superiore Sant’Anna

Gläser öffnen und verschließen? Kein Problem!

Foto: 2024 Scuola Superiore Sant’Anna

Sogar das Hantieren mit einem Messer klappte auf Anhieb.

Foto: 2024 Scuola Superiore Sant’Anna

Dünnwandige Plastikbecher verlangen besonders viel Fingerspitzengefühl.

Foto: 2024 Scuola Superiore Sant’Anna

Daniel ist der erste Patient, der die neuartige Roboterhand bekam. Er verlor im September 2022 seine linke Hand: „Ich stand plötzlich ohne Hand da: In einem Moment hatte ich sie noch, im nächsten war sie weg.“ Er wurde als Proband für die Studie ausgewählt, weil er seine Hand noch spürte und die Restmuskeln in seinem Arm auf seine Bewegungsabsichten reagierten. Im April 2023 wurden ihm dann die Steuermagnete implantiert.

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„Eine der komplexesten Herausforderungen war die Identifizierung der Restmuskulatur im Amputationsbereich, die mithilfe präoperativer MRT-Aufnahmen und Elektromyografie genau ausgewählt wurde“, sagt der Chirurg Lorenzo Andreani. „Der tatsächliche Zustand des Gewebes aufgrund von Vernarbung und Fibrose erforderte jedoch eine intraoperative Anpassung. Trotz dieser Schwierigkeiten konnten wir das Implantat fertigstellen und die Verbindungen knüpfen.“

Prothesenschaft aus Kohlefaser

In Daniels Arm wurden sechs Magnete implantiert. Für jeden dieser Magnete lokalisierte und isolierte das Team aus Chirurgen und Ärzten den Muskel, positionierte den Magneten und überprüfte, ob das Magnetfeld in der gleichen Weise ausgerichtet war. „Um die Verbindung zwischen dem verbleibenden Arm und der Roboterhand zu erleichtern, haben wir einen Prothesenschaft aus Kohlefaser hergestellt, der das elektronische System enthält, das die Bewegung der Magnete interpretiert und in Befehle für die Finger umsetzt“, so Cipriani.

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Die Ergebnisse des Experiments haben die optimistischsten Erwartungen übertroffen. Daniel konnte die Bewegungen seiner Finger kontrollieren, Gegenstände unterschiedlicher Form aufnehmen und klassische Alltagshandlungen ausführen. Auch das Öffnen von Gläsern, das Arbeiten mit einem Schraubendreher oder das Schneiden mit einem Messer oder das Schließen eines Reißverschlusses waren keine Probleme. „Dieses System ermöglichte es mir, verlorene Empfindungen und Gefühle wiederzuerlangen: Es fühlt sich an, als würde ich meine eigene Hand bewegen“, so der Patient.

Wie der Entwicklungsprozess ablief, zeigt ein Video der BioRobotik-Instituts der Scuola Superiore Sant‘Anna:

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