Gesundheit 13. Feb 2015 Ralph H. Ahrens Lesezeit: ca. 3 Minuten

Hormone in der Dose

Dosen sind mit Epoxidharz ausgekleidet, um die Lebensmittel zu schützen. Doch aus dem Harz entweicht das hormonähnliche Bisphenol A.
Foto: Caro/Hoffmann

„Aus Dosen zu trinken, kann die Gesundheit gefährden.“ So drastisch formuliert es jedenfalls Thomas Fischer, Leiter der Abteilung Kreislaufwirtschaft der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Denn einige Dosengetränke enthalten die Substanz Bisphenol A (BPA), einen Grundstoff jener Epoxidharze, mit denen Getränke- und Konservendosen klassischerweise innen beschichtet sind. Das Problem: BPA steht im Verdacht, schon in geringen Konzentrationen hormonell wirksam zu sein.

Die DUH ließ den Inhalt von zehn in Supermärkten gekauften Getränkedosen untersuchen. Das Institut Prof. Dr. Georg Kurz GmbH aus Köln wurde nun in zweien fündig: Eine Eiskaffeedose der Hochwald-Genossenschaft aus Thalfang, Rheinland-Pfalz, enthielt 2,5 µg BPA/l und ein Faxe-Dosenbier der dänischen Royal Unibrew-Brauereigruppe aus Aarhus kam auf 1,4 µg/l.

Ob solch geringen Mengen aber überhaupt ein Risiko für den Verbraucher darstellen, ist strittig. Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hatte zwar im Januar die tolerierbare Aufnahmemenge für BPA verschärft, doch lässt sich dieser Wert durch den Genuss von besagtem Eiskaffee oder Dosenbier nur schwerlich erreichen. Demnach darf jeder täglich – ohne Nebenwirkungen befürchten zu müssen – statt bisher 50 µg BPA/kg Körpergewicht nun nur noch 4 µg BPA/kg zu sich nehmen.

Abgesichert ist, dass BPA in hohen Konzentrationen Leber und Nieren von Tieren und Brustwarzen weiblicher Tiere schädigen kann und dass BPA im menschlichen Organismus deutlich langsamer abgebaut wird als in Mäusen. Alles andere ist für die Behörde spekulativ. „Auswirkungen auf Fortpflanzungsorgane und die Stoffwechsel-, Herz-Kreislauf-, Nerven- und Immunsysteme sind nicht wahrscheinlich, können aber nicht ausgeschlossen werden“, sagt Trine Husøy. Sie leitet die BPA-Arbeitsgruppe der Efsa.

Der niedrigere TDI-Wert genügt Umweltschützern nicht. Zwar weiß DUH-Experte Fischer, dass sich mit den festgestellten Mengen in Eiskaffee und Bier der TDI-Wert nicht überschreiten lasse. Doch da BPA weiterhin im Verdacht steht, bereits in sehr geringen Mengen etwa Herz- und Kreislauferkrankungen verursachen zu können, rät er vorsorglich dazu, Getränke aus Glasflaschen zu trinken. „Nur Glas geht keinerlei Wechselwirkungen mit dem Füllgut ein.“

„Wir brauchen weitere Einsatzverbote“, fordert auch Ann-Katrin Sporkmann vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Bislang darf BPA seit 2011 in der EU nicht mehr in Babyfläschchen vorkommen. Seit Anfang 2015 zumindest in Frankreich auch nicht mehr in Getränke- und Konservendosen.

Sporkmann fordert nun ein BPA-Verbot für alle Lebensmittelkontaktmaterialien sowie für Produkte, mit denen Schwangere und Kleinkinder in Berührung kommen können.

Husøy hingegen glaubt nicht, dass sich Kinder oder Erwachsene durch zu hohe BPA-Aufnahmen gefährden können. Ein 10 kg schweres Kind müsse demnach täglich mehr als 40 µg BPA aufnehmen, eine 70 kg schwere Person sogar mehr als 280 µg BPA.

Das sei unwahrscheinlich, da die Substanz nur in geringen Mengen etwa im Hausstaub, in Polycarbonat-Kunststoffflaschen, in der Epoxidharz-Lackschicht von Dosen oder in Kassenbons und Quittungen aus Thermopapier vorkommt.

Der neue TDI-Wert ist zudem vorläufig: Die Behörde wird ihn 2017 überprüfen, wenn die Ergebnisse einer US-amerikanischen Langzeituntersuchung an Ratten vorliegen. Dann wird man mehr darüber wissen, ob BPA auch in sehr geringen Konzentrationen bereits schädigende Wirkungen etwa auf die Fortpflanzung hat. Bis dahin dürfte auch die EU mit möglichen weiteren Einsatzverboten warten.

Die Wirtschaft hat sich längst auf das französische BPA-Verbot eingestellt – so auch Ball Packaging Europe, von denen etwa jene Dose mit dem Hochwald-Eiskaffee stammt. Die Tochter des US-Konzerns Ball Corporation stellt in ihren französischen Dosenwerken in Bierne und La Ciotat nur BPA-freie Getränkedosen her. Diese sind innen mit Polyacrylatharz beschichtet, deren Deckel mit Polyesterharz. In anderen europäischen Dosenwerken – zum Beispiel in Braunschweig – stellt Ball je nach Nachfrage Dosen mit Epoxid- oder mit anderen Harzen her.

Die Umstellung der Produktion von einem zum anderen Harz sei schwierig, meint Georg Frommholz, Qualitätsmanager im Erftstädter Werk des irischen Dosenherstellers Ardagh. Polyesterharze erwiesen sich als kratzempfindlicher. „Das kann im Verformungsprozess des Dosenblechs zu Porigkeiten führen, die schlecht für die Haltbarkeit des Füllguts sind.“

Das Ardagh-Forschungszentrum in Crosmières, Frankreich, fand gemeinsam mit Lackherstellern eine Lösung: Lacke mit sehr langkettigen Polyestermolekülen. Mit solchen Lacken bilden sich härtere und kratzunempfindlichere Polyesterharze aus.

Seit Oktober 2013 stellt Ardagh in Erftstadt Konservendosen mit Polyesterharzen her. Frommholz spricht von BPAnia-Dosen. Die Abkürzung steht für „BPA Not Intentionally Added“, also für nicht absichtlich zugefügtes BPA. Viele Lebensmittelkonzerne nutzen heute nur noch solche Konservendosen, so der Qualitätsmanager.

Doch nicht alles ist positiv, weiß Frommholz: „Wir mussten einige Produktionsprozesse aufwendig an den neuen Werkstoff anpassen.“ Zum Teil laufen Lackierprozesse mit Polyesterharzen langsamer als mit Epoxidharzen.

Und nicht alle Lebensmittelhersteller seien von BPA-freien Dosen überzeugt, berichtet Frommholz. Die Haltbarkeit des Doseninhalts sinke etwa um ein Drittel. Daher nutzt auch Ardagh in Erftstadt heute sowohl Produktionslinien mit Epoxid- als auch mit Polyesterharz.

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