Lasertechnologie erkennt das Melanom
Das Berliner Start-up Magnosco bringt Melanome zum Leuchten und liefert so ein objektives Frühwarnsystem für bösartige Hautveränderungen.
Schwarzer Hautkrebs gilt als die bösartigste Form von Hautkrebs überhaupt. Er ist hoch aggressiv, wächst schnell und wird oft viel zu spät erkannt. Das macht ihn so tödlich. Etwa 80 % aller durch Hautkrebs verursachten Todesfälle sind diesem malignen Melanom zuzuschreiben. Von den über 500 000 Menschen, die jedes Jahr in Deutschland neu an Krebs erkranken, sind allein über 36 000 von schwarzem Hautkrebs betroffen.
Branche: Medizintechnik
Produkte: Diagnosegerät zur Früherkennung von schwarzem Hautkrebs
Mitarbeiter: zwölf Wissenschaftler und Techniker.
Ein regelmäßiges Hautscreening macht also Sinn, um bösartige Wucherungen in der Haut möglichst früh zu diagnostizieren. Denn rechtzeitig erkannt sieht die Prognose für den Patienten recht gut aus. Allerdings sind die gängigen Verfahren hierfür oft zu ungenau. Sie stützen sich vor allem auf die Erfahrung des Dermatologen, der die Haut Zentimeter für Zentimeter nach Veränderungen absucht. Aus Angst, einen Hautkrebs zu übersehen, schneiden Hautärzte in der Folge häufig lieber zu viel als zu wenig heraus.
Das Berliner Start-up Magnosco hat nun ein physikalisches Verfahren entwickelt, mit dem ein Melanom aufgrund seiner Struktur eindeutig erkennbar ist. Es liefert damit objektive Ergebnisse zur Diagnoseunterstützung des Arztes. Das könnte eine Vielzahl von chirurgischen Eingriffen, die vorsichtshalber vorgenommen wurden, überflüssig machen. Denn: „Nur 1 % bis 3 % der vom Arzt entfernten Hautpartien erweisen sich später bei der Untersuchung im Labor als Melanom“, weiß Inga Bergen, Geschäftsführerin von Magnosco. Den Patienten würde dies Schmerzen und dem Gesundheitssystem jede Menge Geld sparen, da solche Mini-OPs in Summe ein großer Kostenfaktor sind.
Das nach Angaben von Magnosco weltweit einzigartige Verfahren ist eine Kombination aus Lasertechnologie und Künstlicher Intelligenz. Als Indikator dient das Melanin, ein Pigment in der Haut, das wie ein natürlicher Sonnenschutz wirkt. Jeder kennt es von Sommersprossen und Leberflecken, die durch die Anreicherung von Melanin in der Haut nach einem Sonnenbad entstehen.
In kranken Zellen ändert sich die molekulare Struktur des Melanins, ohne dass dies von außen zu erkennen wäre. Ein Infrarotlaser aber kann die Veränderung sichtbar machen, indem er das Pigment zum Leuchten bringt. Bei dieser sogenannten Dermatofluoroskopie zeigen sich gesunde Hautzellen mit einer grünen oder bläulichen Fluoreszenz. Eine stärkere Fluoreszenz im roten Bereich hingegen weist auf eine krankhafte Veränderung hin. So ergibt sich ein „universeller Fingerabdruck“ des schwarzen Hautkrebses.
Die Idee zur Technologie stammt von Forschern des Laserspezialisten LTB Lasertechnik Berlin. Magnosco übernahm sie und entwickelte sie weiter. Dabei werden zwei ultrakurze Laserimpulse bei 800 nm in die Haut geschickt, die resultierende Fluoreszenz wird im Spektrum von 385 nm bis 785 nm erfasst. Bis auf 200 µm genau lässt sich eine kritische Hautpartie Punkt für Punkt abtasten. Aus den Fluoreszenzwerten erzeugt eine auf künstlicher Intelligenz beruhende Datenanalyse dann einen sogenannten Score als Entscheidungshilfe für die fundierte Diagnose.
„Im Gegensatz zu bildgebenden Verfahren, bei denen der Arzt den Scan erst noch interpretieren muss, liefert die Dermatofluoroskopie sofort einen objektiven Score“, sagt Geschäftsführerin Bergen. Ab einer bestimmten Höhe gilt das Gewebe als krank. Um ihre Entwicklung klinisch testen zu können, hat Magnosco das Fluoreszenzverfahren in einen Prototypen eingebaut, der vom medizinischen Fachpersonal, also von MTAs und Arzthelferinnen, angewendet werden kann.
„Die Diagnose stellt dann aber immer noch der Facharzt“, sichert Bergen zu. Seine Zuverlässigkeit hat das Verfahren im Rahmen erster klinischer Studien an der Charité Berlin sowie an den Universitätskliniken in Tübingen und Heidelberg bereits unter Beweis gestellt. Den Prototypen konnten die Berliner Forscher noch selbst bauen. Fünf Geräte hat Magnosco bereits ausgeliefert – an die Uniklinik in Heidelberg, an die AOK Nord-Ost sowie an dermatologische Praxen. „Für die Serienproduktion im kommenden Jahr aber suchen wir noch einen Medizintechnikhersteller, mit dem wir das Gerät auf den Markt bringen können“, sagt Bergen, „denn wir wollen aus der Manufaktur herauskommen.“
Das Gerät soll nicht verkauft werden. Geplant ist ein einmaliger Betrag bei Installation in der Praxis, dann sollen die Ärzte pro Nutzung eine Lizenzgebühr entrichten. Der Tiefenscan der Haut kann auch zur Verlaufskontrolle von auffälligen Flecken und Hautveränderungen genutzt werden. „Und wir haben das Potenzial, unser System auch auf den weißen Hautkrebs auszuweiten“, ergänzt die Geschäftsführerin. Dieser Krebstyp sei weit verbreitet, aber weniger aggressiv. „Fast jeder Mensch über 80 Jahren kriegt irgendwann einmal in seinem Leben weißen Hautkrebs.“
Bergen ist zuversichtlich, dass ihre Firma in wenigen Monaten das nach eigenen Worten präziseste Diagnostikverfahren auf den Markt bringen kann. Seit die Politikwissenschaftlerin vor fünf Jahren in die Gesundheitssparte wechselte, treibt sie die Frage um, wie man nutzerfreundliche und sichere Digitaltechnik für den Healthsektor entwickeln kann. Als Geschäftsführerin der Welldoo GmbH in Berlin hatte sie bereits rund 100 Gesundheitsapps für Krankenkassen und Pharmaunternehmen entwickelt. Zu deren Kunden zählen die Techniker Krankenkasse, die DAK, Sanofi und die Deutsche Rheuma-Liga. Bergen ist außerdem im Beirat der AOK sowie Botschafterin des Health Clusters Berlin-Brandenburg.
„Mich interessiert einfach, wie man mithilfe von Technologie das Gesundheitswesen voranbringen kann.“ Das Verfahren der Dermatofluoroskopie ist sicher ein gelungenes Beispiel dafür.