Kühltechnik 28. Nov 2014 Ralph H. Ahrens Lesezeit: ca. 4 Minuten

Legionellen sind technisch beherrschbar

39 Menschen erkrankten zwischen August und Oktober in Jülich durch Legionellen an einer schweren Lungenentzündung. Währenddessen erarbeitet der VDI eine Richtlinie, um die Verbreitung von Legionellen aus Verdunstungskühlanlagen zu vermeiden.

Kraftwerkskühltürme sind auch potenzielle Quellen von Legionellen, die sich über Aerosole verbreiten können. Technisch gilt diese Gefahr als beherrschbar.
Foto: Thomas Pflaum/Visum

Zum Glück gab es in Jülich keine Todesfälle. Ins Visier des Gesundheitsamts Düren kam dabei auch das Kraftwerk in Weisweiler; Betreiber RWE handelte, aber die eigentliche Quelle der Krankheitserreger bleibt ungeklärt. Das Bonner Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit untersuchte mehr als 200 Umweltproben aus Jülich auf Legionellen. In vielen fand das Institut Legionellen. So wies es im Kühlwasser des Blocks F des RWE-Braunkohlekraftwerks Weisweiler bis zu 61 500 Kolonien/100 ml nach.

Legionellen

Legionellen fühlen sich im warmen Wasser bei 28 °C bis 45 °C am wohlsten. Bekannt sind insgesamt rund 50 Arten.

Vor allem die Art Legionella pneumophilia löst schwere Lungenentzündungen – Leginonellose (Legionärskrankheit) – aus. Legionellen verursachen auch das grippeähnliche Pontiac-Fieber.

Legionellen-Lungenentzündungen sind seit 2001 meldepflichtig. Das Robert Koch-Institut registrierte in den letzten Jahren 644 (2011), 656 (2012) und 923 (2013) Fälle.

Vermutlich erkrankten viel mehr Menschen an der Legionellen-Lungenentzündung als gemeldet, so Benedikt Schaefer, beim Umweltbundesamt zuständig für die Bewertung mikrobiologischer Risiken aus Wassersystemen.

Eine Schätzung geht von jährlich 30 000 Menschen aus, von denen etwa 3000 Patienten an dieser Lungenentzündung sterben.

„Es gibt aber keinen Beleg, dass die Legionellen daher kommen“, betont Norbert Schnitzler. Der Leiter des Gesundheitsamts in Düren ergänzt: „Und auch keinen Beleg, dass die Bakterien nicht von dort kommen.“ Das Bonner Institut fand Legionellen auch in Rückkühlwerken zweier Industriebetriebe und in dem des Forschungszentrums Jülich.

Ein Speziallabor – das Konsiliarlabor Legionellen der Uni Dresden – testete, ob die Legionellen, an denen vier Patienten erkrankten, mit denen der Umweltproben identisch sind. „Das Ergebnis war negativ“, so Schnitzler. Die Suche nach der Ursache in Jülich geht also weiter.

Währenddessen handelte RWE: Die Rückkühlwerke sind außer Betrieb. Das geschah am 30. Oktober im laufenden Betrieb, so RWE-Pressesprecher Manfred Lang. Erst hat RWE dem Kühlkreislauf ein Benetzungsmittel zugegeben, um den vorhandenen Biofilm zu lösen. Daraufhin wurden Kühlturm und Kühlwasser mit dem Biozid Ferrocid 8580 der Firma ICL Watersolution desinfiziert und anschließend wurde noch einmal gespült, um letzte Reste des Biofilms zu entfernen. RWE misst die Legionellenkonzentration seit Anfang 2014 monatlich und wird diese Messungen auch weiter fortsetzen.

Jülich ist kein Einzelfall. Legionellen führten in Ulm um den Jahreswechsel 2009/2010 bei 64 Bürgern zu einer Lungenentzündung und im Sommer 2013 in Warstein bei 165. In Ulm starben fünf, in Warstein zwei Menschen. In Warstein verbreitete das Rückkühlwerk eines Rohrherstellers die Bakterien über Aerosole aus. Er betrieb die Verdunstungskühlanlage mit Wasser aus dem Flüsschen Wester, in der später jene Legionellen nachgewiesen wurden, welche die Krankheiten auslösten. In Ulm fanden sich Legionellen in einem Verdunstungskühlturm der Telekom. Da dessen Ventilator nicht lief, konnte er aber letztlich nicht für die Infektionen verantwortlich sein.

„Die Suche nach der Ursache wurde dadurch erschwert, dass die Gesundheitsämter nicht wissen, wer überall Verdunstungskühlanlagen betreibt“, so Rainer Kryschi. Zudem machten viele Unternehmen bei der Bekämpfung der Legionellen Fehler, so der Inhaber der Firma Kryschi Wasserhygiene in Kaarst.

Beides kann sich bald ändern: So begann der VDI nach der Ulmer Erkrankungswelle, Blatt 2 der Richtlinie VDI 2047 mit Hygieneanforderungen an Planung, Errichtung, Betrieb und Instandhaltung zu Rückkühlwerken zu erstellen. Der VDI wird dieses Regelwerk im Januar 2015 veröffentlichen. Betreiber von Verdunstungskühlanlagen müssen diese Regeln von da an einhalten. Diese Regeln werden aber nicht für große Naturzugkühltürme ab 200 MW thermischer Leistung wie die des Kraftwerks in Weisweiler gelten. Dem Arbeitskreis zur VDI-Richtlinie fehlte hierzu die Datengrundlage.

„Kleine und große Verdunstungskühlanlagen sind offene Systeme“, erklärt Gabriel Reymann, Leiter der Forschung und Entwicklung des Kühlanlagenbauers GEA Energietechnik in Herne. Daher sei es unvermeidbar, dass Bakterien und Nährstoffe von außen in solche Anlagen gelangen. Da ein Teil des Kühlwassers verdampft, muss immer Wasser nachgespeist werden – bei Kühltürmen in Großkraftwerken seien das oft 1000 m3 stündlich.

Wird Kühlwasser nicht richtig behandelt und eine Verdunstungskühlanlage nicht regelmäßig gereinigt, wachsen schnell Algen, Moose und Bakterien wie Legionellen auf den Oberflächen der Bauteile. Das nennt man Biofilm, so Reymann. In der Folge „können legionellenhaltige Aerosole durch vorbeiströmende Luft mitgerissen werden und sich im Umkreis der Anlage verbreiten“. Um solche Hygienemängel zu vermeiden, schreibt die kommende VDI-Richtlinie vor, Kühlwasser alle drei Monate auf Legionellen zu testen. „Stellt ein Labor fest, dass sich aus einer 100-ml-Probe weniger als 100 Legionellen-Kolonien bilden, ist alles in Ordnung“, so Kryschi, der den Ausschuss zur Richtlinie VDI 2047 leitet.

VDI-Richtlinie zur Hygiene bei Rückkühlwerken kommt bald

Werden mehr Kolonien nachgewiesen, sollte das Unternehmen die Ursache suchen und bei Bedarf die Kühlanlage reinigen. Übersteigt die Kolonienzahl den Wert 1000/100 ml, muss die Ursache sofort ermittelt und beseitigt werden. Bei Werten über 10 000/100 ml ist Gefahr im Verzug und umfangreiche Instandhaltungsmaßnahmen sind sofort einzuleiten.

Dabei kann man es Legionellen durch bauliche und betriebliche Maßnahmen erschweren, sich anzusiedeln, erläutert GEA-Experte Reymann. Hohlräume und Totzonen mit stagnierendem Kühlwasser seien zu vermeiden.

Jede Anlage sollte auch gut begehbar sein. Zudem gebe es Kühleinbauten, die durch Zusatzstoffe die Bildung eines Biofilms und damit die Vermehrung von Legionellen auf der Oberfläche verhinderten.

Die VDI-Richtlinie enthält auch Vorgaben zur Desinfektion des Kühlwassers. Dafür stehen mehrere oxidative und nichtoxidative Biozide zur Verfügung.

Künftig muss, bevor ein Biozid eingesetzt werden darf, nachgewiesen sein, dass es wirksam ist. Nichtoxidative Biozide müssen bis zu viermal im Jahr gegen andere Wirkstoffe ausgetauscht werden, um Resistenzbildung zu vermeiden.

Kryschi kennt Fälle, in denen Bakterien wie Legionellen nach zehn bis zwölf Wochen gegen nichtoxidative Biozide resistent wurden. Kleinere Verdunstungskühlanlagen können auch durch dauerhafte Bestrahlung mit ultraviolettem Licht geschützt werden.

„Werden alle Maßnahmen der Richtlinie eingehalten, geht von Verdunstungskühlanlagen keine gesundheitliche Gefährdung aus“, ist sich Kryschi sicher. Er rechnet damit, dass die Bundesregierung bis Ende 2015 eine entsprechende Verordnung zu Verdunstungskühlanlangen im Rahmen des Bundesimmissionsschutzgesetzes erlassen wird.

Damit würden viele Regelungen der VDI-Richtlinie rechtlich verbindlich einzuhalten sein. Die Verordnung werde auch eine Meldepflicht für Verdunstungskühlanlagen einführen, so Kryschi. Dann könnten Gesundheitsämter gezielter nach Bakterienquellen suchen.

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