Medizintechnik 11. Nov 2024 Von Martin Ciupek Lesezeit: ca. 4 Minuten

Medica 2024: Feinfühlige Antriebe und Roboter für den Einsatz im Krankenhaus

Automatisierung bietet große Chancen für Medizintechnik und Gesundheitsweisen. Aktuelle Trends zeigt die Messe Medica in Düsseldorf.

Robotik unterstützt die Neurochirurgie: Auf der Messe Medica 2024 zeigt Roboterhersteller Kuka zusammen mit dem Partner Ronna Medical einen mobilen Roboter für Operationen am Gehin. Foto: M. Ciupek
Robotik unterstützt die Neurochirurgie: Auf der Messe Medica 2024 zeigt Roboterhersteller Kuka zusammen mit dem Partner Ronna Medical einen mobilen Roboter für Operationen am Gehin.
Foto: M. Ciupek

Niemand möchte gern ins Krankenhaus – und wenn es doch nötig ist, dann sollte der Aufenthalt möglichst angenehm sein. Wie Automatisierungstechnik dem Krankenhauspersonal dabei helfen kann und gleichzeitig Komplikationen bei Operationen reduziert werden können, ist in dieser Woche (11. bis 14. November 2024) Thema auf der Messe Medica in Düsseldorf. Dort werden aktuelle Trends der Medizintechnikbranche vorgestellt und können teilweise auch selbst getestet werden.

Medica 2024: Krankenhausbett mit E-Bike-Antrieb entlastet Pflegekräfte

Eigentlich sollten schwere Betten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen von zwei Personen geschoben werden. Doch in der Praxis übernimmt das oft eine einzelne Pflegekraft. Schon auf geraden Strecken in der Ebene kann das eine große körperliche Anstrengung bedeuten. Muss das Bett dann auch noch um Kurven oder Hindernisse manövriert werden, bringt das zusätzliche Herausforderungen mit sich.

Kaum erkennbar: Ein elektrischer Antrieb in der Rolle des Krankenhausbettes erleichtert das Schieben. Die Funktionsweise wurde von den Unternehmen Linak und Tente entwickelt und ist vergleichbar mit einem E-Bike-Antrieb. Foto: M. Ciupek

Antriebshersteller Linak und Rollenspezialist Tente ( Halle 12, Stand B53) haben sich dafür nun etwas einfallen lassen. Ein Elektromotor wird nach dem Prinzip eines E-Bikes zur Schiebeunterstützung. Das Besondere: Bei elektrisch verstellbaren Betten wird nur eine Rolle des Bettes durch die Antriebseinheit ersetzt. Laut den beiden Unternehmen können auf diese Weise Klinikbetten mit Tente-Rollen einfach nachgerüstet werden. „WeAssist“ nennen sie ihr Konzept für den elektrisch unterstützten Krankentransport. Die Rolleneinheit ist nur unwesentlich breiter als die klassischen Rollen. Erst im Vergleich mit den anderen Rollen fällt der Unterschied auf.

Welche Antriebs- und Steuerungstechnik sich in der motorisierten Rolle befindet, verraten die beiden Unternehmen nicht. Beim Test zeigt sich aber, dass der Antrieb sehr intuitiv auf Schiebebewegungen reagiert und sanft unterstützt. Auf diese Weise bietet das System laut Hersteller bei jedem Fahrmanöver Hilfe, auch beim Befahren einer Rampe. Ein spezielles Training sei nicht nötig.

Sobald das System aktiviert ist, schiebt eine scheinbar unsichtbare Kraft mit. Das schont Wirbelsäule, Muskeln und Gelenke des medizinischen Personals. Das bedeutet für Kliniken, dass der Bettentransport ressourcensparend von nur einer Person durchgeführt werden kann.

Roboter unterstützen Operationen in Orthopädie und Neurochirurgie

Wie sich die Robotertechnik weiterentwickelt, zeigt auf der Medica unter anderem Roboterhersteller Kuka (Halle 10, Stand A22). Die Augsburger haben dazu eine Medical-Feature-Zelle konzipiert. Darin können Messegäste selbst ausprobieren, wie intuitiv der Roboter mit ihnen interagiert. Dazu zählen unter anderem Methoden wie die Telemanipulation und das Anlernen des Roboters durch Vormachen (Teaching by Demonstration).

Ganz neu ist dabei eine Funktion zur Kollisionsvermeidung. Dazu erfasst eine Stereokamera das Arbeitsumfeld des Roboters, während er per Bluetooth über den Controller einer handelsüblichen Spielkonsole bedient wird. Vor einem Hindernis stoppt der Roboter mit seinem Werkzeug, etwa einem Endoskop, dann automatisch.

Wie die Technik in der Praxis eingesetzt werden kann, das zeigen in Düsseldorf zwei Partner des Roboterherstellers. Einer von ihnen ist die italienische Firma Orthokey mit ihrer Applikation Robin. Sie nutzt den kollaborativen Roboter für die orthopädische Chirurgie, beispielsweise am Kniegelenk.

Das Operationssystem „Robin“ ist eine innovative, kollaborative Roboterlösung für die orthopädische Chirurgie. Hier arbeitet der Roboter an einem Kniegelenk. Foto: M. Ciupek

Die offene Plattform ist dabei laut Hersteller für verschiedene Implantate von unterschiedlichen Herstellern geeignet. Auch hier kommen Stereokameras zum Einsatz. Sie verfolgen Referenzpunkte, die zuvor am Modell eines Beinknochens und der Implantate befestigt wurden. Wird das Bein bewegt, passt der Roboter somit automatisch seine Bewegung an. Neben der robotergestützten Knietotalimplantation unterstützt das Robotersystem eine Vielzahl von orthopädischen Eingriffen, beispielsweise Hüftimplantationen.

Auch der zweite Partner von Kuka nutzt die Fähigkeiten des Leichtbauroboterarms LBR Med. Für neurochirurgische Eingriffe hat sich Ronna Medical aus Kroatien etwas Besonderes einfallen lassen. Denn ihr Robotersystem ist mobil, während der Kopf des Patienten bzw. der Patientin für den Eingriff fixiert wird. Auch hier wird mit Referenzpunkten gearbeitet. Zunächst erfasst dazu eine externe Stereokamera die Lage des Kopfes. Dann fährt der mobile Roboter automatisch in Position. Die Plattform wird schließlich abgesenkt, um dem Roboter einen festen Stand zu geben. Erst dann beginnt der Roboterarm seine Tätigkeit. Er scannt die Position des Kopfes noch einmal genau, bevor der eigentliche Eingriff beginnt.

Das System Ronna G6 wurde speziell für die stereotaktische, kraniale Neurochirurgie entwickelt. Es soll Chirurgen und Chirurginnen bei verschiedenen minimalinvasiven, neurochirurgischen Eingriffen unterstützen. Dazu zählen unter anderem stereotaktische Hirnbiopsien, externe Ventrikeldrainage (EVD) und Hirntumorchirurgie.

Kraniotomie: Lasern statt Bohren und Fräsen im OP

Bei manchen neurochirurgischen Eingriffen ist es dabei nötig, dass der Patient bei Bewusstsein ist, beispielsweise wenn während der OP komplexe Hirnfunktionen wie Sprache getestet werden müssen. Die dafür erforderliche Schädelöffnung erfolgt bisher mit mechanischen Bohrern und Fräsen. Das ist für betroffene Patientinnen und Patienten in hohem Maße traumatisierend. Das möchte das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT in Aachen ändern. Dessen Team hat ein Verfahren entwickelt, das den Schädelknochen nahezu lautlos und schonend mit kurzen Laserpulsen öffnet. Der Kurzpulslaserprozess trägt dabei wenig Wärme in das Knochengewebe ein und sorgt damit für intakte Knochenzellen an den Schnitträndern. Das schont nicht nur den Patienten während des Eingriffs, sondern begünstigt den Heilungsprozess und das Zusammenwachsen des Knochens an der Operationsstelle.

Feinarbeit mit dem Laser: Die Lösung des Fraunhofer ILT kann die Schädeldecke schonend öffenen. Ein Roboter führt dabei die Lasereinheit. Foto: M. Ciupek

Während des Gewebeabtrags überwacht ein im Laserkopf integriertes optisches Messsystem den Schnittprozess. Damit wird sichergestellt, dass unter dem Schädelknochen liegende Strukturen unversehrt bleiben. Eine feine Sprühdüse sorgt dabei dafür, dass der Knochen an der Schnittstelle immer feucht bleibt und der Laser perfekt arbeiten kann. Ein Roboter führt den Laser während der Operation. Auf der Medica 2024 stellen Forschende des ILT die Technologie des Laserkraniotoms Stella am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand in Halle 3 vor.

Erst kürzlich hatten die Forschenden aus Aachen eine Anwendung des Lasersystems zum Beseitigen von Spinalkanalstenosen vorgestellt. Auch bei dem Eingriff in der Wirbelsäule ist die Feinfühligkeit des robotergeführten Lasersystems gefragt. Denn zum Durchdringen des Knochens ist bisher einerseits Kraft beim Einsatz des Fräsers gefragt. Gleichzeitig darf das daneben liegende Rückenmark nicht verletzt werden. Deshalb gilt der Eingriff bisher immer noch als Risikoreich. Das soll sich durch den Lasereinsatz nun ändern.

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