Mit neuen Nanopartikeln gegen Krebs
Forschende der Ludwig-Maximilians-Universität München haben aus Kalziumphosphat und Citrat Nanopartikel hergestellt, mit denen sich Krebszellen gezielt abtöten lassen. Damit ergibt sich eine neue Option in der Krebsbekämpfung.
Ein fester Bestandteil der Krebsbehandlung ist die Chemotherapie. Doch sie hat meist erhebliche Nebenwirkungen. Der Grund: Die verabreichten Medikamente schädigen nicht nur die Krebszellen, sondern auch gesunde Zellen. Alternativ könnten Kalziumphosphat und Citrat verabreicht werden. Gelangen die hohen Konzentrationen ins Zellinnere, führen sie zum Zelltod, sind aber für den Körper gut verträglich.
Das Problem: Bisher konnten diese Stoffe nicht an den strengen Kontrollmechanismen der Zellen vorbei ins Zellinnere geschleust werden. Das gelingt nun mit amorphen Nanopartikeln, die ein Team um Constantin von Schirnding, Hanna Engelke und Thomas Bein vom Department Chemie der LMU entwickelt hat. Die Teilchen aus Kalziumphosphat und Citrat umgehen das Hindernis und töten die Krebszellen gezielt ab.
Kontrolle auf Zellebene ausgehebelt
Die Wirkweise von Kalziumphosphat und Citrat setzt an der Regulation zellulärer Signalwege an. Die Aufnahme dieser Stoffe wird von den Zellen aktiv kontrolliert, um giftige Dosen im Zellinneren zu vermeiden. Diese Kontrolle aber umgehen die Forschenden mithilfe der entwickelten Nanoteilchen.
„Wir haben amorphe, poröse Nanopartikel aus Kalziumphosphat und Citrat hergestellt, die von einer Lipidschicht umgeben sind“, sagt von Schirnding. Die Teilchen können dank dieser Beschichtung in die Zelle gelangen, ohne dass dadurch Warnmechanismen in Kraft treten. Im Zellinneren angelangt, lösen sich die Substanzen und geben große Mengen Kalzium und Citrat ab.
Je aggressiver der Tumor, desto besser die Wirkung
Die Nanoteilchen können Krebszellen selektiv abtöten, wie sich in Zellversuchen herausstellte. Gesunde Körperzellen aber überleben, obwohl die Partikel ebenfalls dort eindringen. „Offensichtlich können die Teilchen sehr toxisch sein, wenn sie es mit Krebszellen zu tun bekommen. Und je aggressiver der Tumor war, desto besser wirkten die Teilchen“, sagt Engelke.
Sobald die Nanoteilchen von der Zelle aufgenommen sind, werden sie von einer zusätzlichen Membran überzogen. Ein noch unbekannter Mechanismus, so vermutet das Team, sorgt dafür, dass diese Membran porös wird, weshalb die Bestandteile der Partikel ins Zellinnere gelangen. Gesunde Zellen hingegen halten die Membran intakt. Die Teilchen werden anschließend einfach ausgeschieden.
Tumorwachstum um bis zu 70 % reduziert
„Die hochselektive Toxizität der Partikel ermöglichte es uns, zwei verschiedene aggressive pleurale Tumore bei Mäusen erfolgreich zu behandeln und ihre Größe nach nur zwei lokalen Anwendungen um etwa 40 % bzw. 70 % zu reduzieren“, sagt Engelke. Von pleuralen Tumoren spricht man bei Metastasen von Lungentumoren, die im sogenannten pleuralen Spalt zwischen Lunge und Brust sitzen. Weil in diesen Spalt kein Blut gelangt, können auch die üblichen Chemotherapeutika hier nicht wirken.
„Unsere Partikel dagegen können direkt in den pleuralen Spalt eingebracht werden“, sagt Bein. Im Laufe von zwei Monaten traten keine Anzeichen von gravierenden Nebenwirkungen auf. Das Forschungsteam ist deshalb von dem großen Potenzial der neuen Nanopartikel für die Entwicklung neuer Therapien gegen Krebs überzeugt.