Neue Materialien beschleunigen Heilung 11. Mai 2020 Von Bettina Reckter Lesezeit: ca. 2 Minuten

Pflaster aus Chitin und Cellulose

Chitin formt das Äußere von Insekten. Ihr hartes Außenskelett besteht maßgeblich aus diesem Vielfachzucker. Forscher an den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung (DITF) haben ihn jetzt mit einem neuen Verfahren so weiterentwickelt, dass daraus ein Verbandsmaterial wird. Es ist in der Lage, den Heilungsprozess sogar zu beschleunigen.

Cellulose-Chitinfasern für die Medizin.
Foto: DITF Denkendorf

Chitin macht den Panzer vieler Insekten erst richtig hart, die Flügel zum Beispiel von Maikäfern aber dennoch beweglich. In der Natur ist dieser nachwachsende Rohstoff reichlich vorhanden. Nun will auch die Textilindustrie verstärkt auf ihn zurückgreifen. Dafür haben Forscher an den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung (DITF) in Denkendorf ein innovatives Verfahren entwickelt. Sie verbinden das Skelettmaterial mit der ebenfalls natürlich vorkommenden Cellulose.

Naturstoffe in neuer Verbindung

Krabbenschalen dienen den Denkendorfer Forschern als Lieferanten, denn von diesen Fischereiabfällen gibt es im Gegensatz zu Maikäfern reichlich. „Von den Schalen entfernen wir dann noch die Proteine und Kalkbestandteile, bevor wir daraus Fasern herstellen“, erläutert Antje Ota, die am Kompetenzzentrum Biopolymerwerkstoffe der DITF forscht und maßgeblich am Projekt mitwirkt.

Da Chitin aber schwer löslich ist, muss es zunächst mithilfe ionischer Flüssigkeiten vorbereitet werden, bevor es mit der Cellulose verbunden und zur Faser geformt werden kann. „Unser Lösungsmittel aus ionischen Flüssigkeiten haben wir so gewählt, dass es für die Verarbeitung von Cellulose und Chitin gleichermaßen geeignet ist“, erklärt die Forscherin Ota. Erstmals sei es damit überhaupt möglich, beide Rohstoffe in einem gemeinsamen Prozessschritt zu Fasern zu verarbeiten.

Geschmolzene Salze als Lösungsmittel

Ionische Flüssigkeiten (Ionic Liquids, IL) sind geschmolzene Salze, die schon bei Temperaturen unter 100 °C flüssig sind, ohne dass die Salze dabei im Lösungsmittel aufgelöst werden. IL sind in der Lage, zahlreiche Polymere zu lösen, so zum Beispiel auch die langen Ketten aus Polysacchariden des Chitins.

Einen Anteil von bis zu 50 % Chitin in den biologisch abbaubaren Fasern erreichen die DITF-Forscher mit ihrem neuen Verfahren. Darüber hinaus sind die Fasern in der Lage, Wasser zu speichern. Gegenüber reinen Cellulosefasern lag das Wasserrückhaltevermögen zwischen 20 % und 60 %.

Beschleunigter Heilungsprozess

„Wir versprechen uns von der völlig neuartigen Cellulose-Chitin-Mischfaser großes wirtschaftliches Potenzial, zum Beispiel für den Heilungsprozess beschleunigende Wundauflagen in der Medizin“, sagt Ota. Dieser gehe nicht zuletzt auf die hohe Luftdurchlässigkeit des neuen Vliesstoffes zurück, den die Denkendorfer daraus herstellen.

Außerdem kann das neue Produktionsverfahren einen weiteren Umweltvorteil für sich verbuchen. Denn die Fasern werden ohne weitere Zusatzstoffe hergestellt, das Lösemittel lässt sich zudem beinahe vollständig recyceln. Damit trägt sowohl der Rohstoff als auch der Verarbeitungsprozess zur zirkulären Wertschöpfung bei.

Keine Rohstoffkonkurrenz

Neben Cellulose, dem wichtigsten Bestandteil pflanzlicher Zellwände und damit die häufigste organische Verbindung, ist Chitin das weltweit zweithäufigste Biopolymer überhaupt. Im Gegensatz zu Biokunststoffen, die aus Ackerpflanzen gewonnen werden, muss bei diesen beiden Substanzen keine Rohstoffkonkurrenz befürchtet werden.

Die Chitin-Forschung der DITF wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg gefördert. Als Teil der Zuse-Gemeinschaft wird auch an den DITF praxisnah geforscht. Das Cellulose-Chitin-Projekt ist ein Beispiel für anwendungsorientierte Forschung, die den Wirtschaftsstandort Deutschland stützt.

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