Studie zu Risiken im Mutterleib 06. Jun 2024 Von Bettina Reckter Lesezeit: ca. 3 Minuten

So dringen Nanopartikel in die Plazenta und schaden dem Baby

Babys im Mutterleib benötigen den größtmöglichen Schutz. Doch jetzt haben Forschende herausgefunden, wie sogar Nanopartikel durch die Plazenta in den kindlichen Organismus dringen und ihm schaden können.

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Damit Babys sich gut im Mutterleib entwickeln, werden sie von der Planzenta geschützt. Doch dieser Schutz scheint löchrig.
Foto: PantherMedia / Andriy Popov

Bislang weiß man wenig darüber, was Nanopartikel während der Schwangerschaft bewirken. Deshalb hat sich ein interdisziplinäres Forschungsteam unter Leitung der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa dieses Themas jetzt angenommen und die Risiken für Babys im Mutterleib untersucht. Zu ihren Forschungsinstrumenten gehört auch ein Labormodell, das zeigt, wie bestimmte Nanopartikel die Ausschüttung von Botenstoffen in der Plazenta stören und so die Ausbildung von Blutgefäßen beeinträchtigen. Im Fachblatt Advance Science stellt das Team seine Ergebnisse vor.

Es beginnt mit einer befruchteten Eizelle und entwickelt sich zu einem Wesen mit Billionen von Zellen. Und obwohl der Prozess millionenfach pro Jahr überall auf der Welt gelingt, ist höchstmöglicher Schutz nötig, damit die hochkomplexe Entwicklung von Geweben und Organen ungestört ablaufen kann. Ein wichtiger Schutzschirm ist die Plazenta, die Krankheitserreger und Fremdstoffe daran hindert, aus dem Mutterleib in den kindlichen Organismus hinüberzugelangen.

Tina Bürki untersucht am Empa in St. Gallen, wie die sogenannte Plazentaschranke Krankheitserreger und Fremdstoffe abhalten kann. Foto: Empa

Geringes Geburtsgewicht, Autismus und Atemwegserkrankungen als mögliche Folgen

Ob und wie dieser Schutzmechanismus mit Nanopartikeln zurechtkommt, das erforscht Tina Bürki mit ihrem Team aus dem Empa-Labor „Particles-Biology Interactions“ der Empa in St. Gallen. Nanopartikel finden sich in unzähligen Produkten, etwa in Form von Titandioxid in Zahnpasta und Sonnencreme, aber auch im Feinstaub und in Abgasen. „Wir nehmen diese Substanzen aus der Umwelt über unsere Nahrung, über Kosmetik oder über die Atemluft auf“, erklärt Bürki. Manche davon stehen im Verdacht, dem Baby bereits im Mutterleib zu schaden. Zu den möglichen Folgen zählen ein geringes Geburtsgewicht, Autismus und Atemwegserkrankungen.

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Menschliche Plazenta als Forschungsgewebe

Doch wie wirken solche Nanopartikel auf das ungeborene Kind ein? „Wir wissen bereits, dass die Plazentaschranke viele Nanopartikel zurückhält oder deren Transport zum Embryo zumindest verzögert“, so Bürki. Dennoch seien Schäden am fetalen Gewebe feststellbar, selbst dann, wenn die Teilchen selbst nicht im Fötus nachgewiesen wurden. Gemeinsam mit klinischen Partnern vom Kantonsspital St. Gallen und mit Forschungspartnern der Universität Genf, des Universitätsspitals Amsterdam und des Leibniz-Instituts für umweltmedizinische Forschung in Düsseldorf ging Bürki diesen Schädigungen jetzt nach.

Dafür standen dem Forschungsteam menschliche Plazenten nach Kaiserschnitten zur Verfügung. „Nur dank menschlichem Plazentagewebe lassen sich aussagekräftige Resultate zum Transport und der Wirkung von Nanopartikeln ermitteln“, sagt die Empa-Forscherin. „Der Aufbau, der Stoffwechsel und das Ineinandergreifen von mütterlichem und fetalem Gewebe sind einzigartig und spezies-spezifisch.“

Experimente mit Hühnereiern zur als Vorstudie

Hauptsächlich betroffen von Nanopartikeln ist wohl die Produktion bestimmter Botenstoffe im Planzentagewebe. Da diese Botenstoffe unter anderem für die Ausbildung von Blutgefäßen während der Embryonalentwicklung zuständig sind, lässt sich daraus auf das Ausmaß einer Schädigung des Fötus rückschließen.

Fluoreszenzmikroskopie im Hühnereimodell: ein gesundes Hühnerei mit einem dichten Teppich aus feinsten Blutgefäßen. Foto: Empa
Gelangen Nanopartikel in die Plazenta, wird die Bildung von Blutgefäßen unterdrückt. Die Äderchen (grün) bilden lediglich ein löcheriges, grobmaschiges Netz aus. Foto: Empa

Um das zu erklären, schauten sich die Forschenden Hühnereier genauer an. Denn im Ei bilden sich Blutgefäße extrem schnell und in hoher Dichte aus, um die Entwicklung des Embryos bestmöglich zu unterstützen. Die Gefäße sind als dichtes Netzwerk in der Innenseite der Eierschale zu erkennen. Wurden nun die Hühnereier mit Botenstoffen behandelt, die aus einer Nanopartikel-belasteten Plazenta stammten, so blieb das Netzwerk löcherig und grobmaschig. „Nanopartikel wirken offenbar indirekt auf das Kind im Mutterleib ein, indem sie die Bildung von Blutgefäßen über Botenstoffe hemmen“, resümiert Tina Bürki.

Wie die Schweizer Forscher vorgehen, erklärt Tina Bürki in diesem Video.

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Welche gesundheitlichen Folgen Nanopartikel nach sich ziehen

Nun haben sich die Forschenden systematisch sämtliche Botenstoffe vorgenommen, die eine mit Nanopartikeln belastete Plazenta abgibt. Das Team spricht vom sogenannten Sekretom. Unbelastet gleicht das Zusammenspiel von Hormonen, Entzündungsmediatoren und Signalstoffen zur Bildung von Organsystemen einem perfekt abgestimmten Orchester.

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Nun aber zeigte sich, dass die Kommunikation zwischen Plazenta und ungeborenem Kind durch die Anwesenheit von Nanopartikeln gestört wird – etwa durch die Schädigung der Blutgefäßbildung. Entwarnung hingegen geben die Forschenden bezüglich der Entwicklung des Nervensystems. Hier gab es keine Hinweise auf eine Schädigung. Weitere Analysen sollen folgen.

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