Umwelt und Gesundheit 22. Mai 2023 Von Bettina Reckter Lesezeit: ca. 3 Minuten

Tiefseebergbau: Gesundheitsrisiko durch radioaktive Manganknollen

Wegen ihrer Metalle sind Manganknollen aus der Tiefsee hochbegehrt. Doch ihre Gewinnung und Verarbeitung birgt Gefahren für die Gesundheit, wie ein deutsches Forschungsteam jetzt herausfand.

In Manganknollen haben AWI-Forscher eine hohe natürliche Radioaktivität nachgewiesen. Der Umgang mit den begehrten Metalllieferanten vom Meeresboden birgt also Gesundheitsrisiken. Im Bild zu sehen ist mit Manganknollen übersähtes Sediment in den Röhren des Probennahmegeräts.
Foto: Alfred-Wegener-Institut/Thomas Ronge

Für die Elektronik- und auch für die Stahlbranche sind Manganknollen vom Meeresboden hochbegehrt, denn sie enthalten wertvolle Metalle. In ihnen finden sich Kupfer, Nickel, Kobalt und Seltene Erden – Elemente, die in Computern, Smartphones, Batterien, Magneten, Motoren und anderen Hightech-Komponenten verbaut werden. Gerade wegen des steigenden Bedarfs an Kobalt und Seltenen Erden setzen einige Staaten deshalb große Hoffnungen in den Tiefseebergbau.

Ökologisch betrachtet ist deren Abbau und Verarbeitung allerdings bedenklich – und, wie Forschende des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) jetzt im Fachblatt Scientific Reports berichten, aufgrund der natürlichen Radioaktivität der Knollen auch für die menschliche Gesundheit. So überschreitet zum Beispiel die Aktivität von Radium-226 in den Knollen einen in der deutschen Strahlenschutzverordnung festgelegten Grenzwert teilweise um das Hundert- bis Tausendfache.

Regeln für den Abbau von Manganknollen will die zuständige Behörde im Juli festlegen

Die begehrten metallreichen Knollen in der Größe etwa von Kartoffeln bedecken weite Teile des Tiefseebodens. Sie wachsen dort über Millionen von Jahren hinweg, vor allem in Wassertiefen zwischen 4000 m und 6000 m. Nachgewiesen wurden sie in allen Ozeanen, besonders häufig aber finden sie sich im Nordpazifik in den Tiefen der Clarion-Clipperton-Zone zwischen Mexiko und Hawaii.

Viele Staaten – darunter auch Deutschland – haben mittlerweile für diese Regionen Lizenzen zum Abbau erworben. Zunächst aber sollen mögliche ökologische Auswirkungen einer kommerziellen Ernte von Manganknollen erfasst werden. Im Juli dieses Jahres will die zuständige Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) dann konkrete Regeln für einen industriellen Abbau festlegen.

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Studie zu Auswirkungen des Tiefseebergbaus auf Ökosysteme und auf die menschliche Gesundheit

Bereits seit 2015 werden die Auswirkungen eines Tiefseebergbaus auf die Lebensräume und Ökosysteme der Sedimente und der Wassersäule im Pazifik in einem internationalen Konsortium von über 30 Partnerinstitutionen untersucht – zum Beispiel im Rahmen der vom Bundesforschungsministerium (BMBF) geförderten Projekte der Joint Programming Initiative Ozeane ,MiningImpact‘.

„Unsere neue Studie zur Radioaktivität von Manganknollen zeigt nun, dass sich neben den Folgen für die Meeresökosysteme auch potenzielle Gesundheitsgefahren für Menschen im Zusammenhang mit der Förderung und Verarbeitung von Manganknollen sowie der Nutzung der daraus gewonnenen Produkte ergeben können“, erklärt Sabine Kasten, Projektleiterin der MiningImpact-Vorhaben am Alfred-Wegener-Institut.

Manganknollen in einem Kastengreifer an Bord des Forschungsschiffes Sonne: Die Expedition führte in den nordöstlichen Pazifik, genauer gesagt in das deutsche Lizenzgebiet zur Manganknollenexploration. Foto: Alfred-Wegener-Institut/Sabine Kasten

Das AWI-Team hat nun Manganknollen untersucht, die bei zwei Expeditionen des Forschungsschiffs „Sonne“ 2015 und 2019 in der Clarion-Clipperton-Zone eingesammelt worden waren. „Aus früheren Studien war bereits bekannt, dass die äußere Schicht der Manganknollen auch natürliche radioaktive Stoffe wie Thorium-230 und Radium-226 enthält, die sie über lange Zeiträume aus dem Meerwasser anreichern. Allerdings wurden diese Werte bisher noch nicht im Kontext der Strahlenschutzgesetzgebung betrachtet“, sagt Studienerstautorin und Biogeochemikerin Jessica Volz.

Radioaktivität übersteigt hundert- bis tausendfach die Grenzwerte

„Unsere Studie zeigt nun, dass die äußere Schicht der extrem langsam wachsenden Knollen für bestimmte Alphastrahler Werte des Hundert- bis Tausendfachen einiger Grenzwerte erreichen kann, die im Rahmen von Strahlenschutzregelungen gesetzt sind“, sagt Volz. Für Radium-226 etwa konnte das Team Aktivitäten von oftmals über 5 Becquerel (Bq) pro Gramm nachweisen.

Zum Vergleich: Die deutsche Strahlenschutzverordnung sieht für eine uneingeschränkte Freigabe Höchstwerte von lediglich 0,01 Bq/g vor. Und selbst beim Umgang mit Altlasten aus dem Uranerzbergbau muss je nach Situation bereits oberhalb von Höchstwerten von 0,2 Bq/g bzw. 1 Bq/g eine genaue Gefährdungsprüfung erfolgen.

Überraschende Ergebnisse beim radioaktiven Edelgas Radon

„Die hohe Bildungsrate des radioaktiven Edelgases Radon war ein überraschend neuer Befund. „Damit kann der ungeschützte Umgang mit Manganknollen ein Gesundheitsrisiko darstellen“, so Studien-Coautor Walter Geibert. Und zwar nicht nur beim Einatmen der bei der Verarbeitung entstehenden Stäube, sondern auch beim Aufenthalt in den Räumen, in denen die Knollen gelagert werden. „Auch in den angestrebten Produkten aus Manganknollen dürften sich einige radioaktive Stoffe anreichern, so zum Beispiel Actinium-227 in den Seltenen Erden“, warnt der Forscher.

Lesetipp: Metalle aus dem Meer

Ob alle Manganknollen verschiedener Tiefseeregionen solche Werte erreichen und wie auf Basis dieser neuen Erkenntnisse die ökologischen, ökonomischen und sozialen Risiken von Tiefseebergbau und der Verwertung von Manganknollen einzuschätzen sind, wollen die Forschenden jetzt in weiteren Studien herausfinden.

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