NMI in Reutlingen 16. Mai 2024 Von Bettina Reckter Lesezeit: ca. 2 Minuten

Krebs austricksen: Tumor-on-a-Chip verbessert Behandlung

Ein Team aus Reutlingen bringt Krebsgewebe auf einen Chip, um daran Medikamente und die sogenannte CAR-T-Behandlung zu testen. Ein wichtiger Schritt in Richtung personalisierte Medizin.

Tengku Ibrahim Maulana (li.) und Peter Loskill mit dem Chip, der Chancen eröffnet: Darauf lässt sich Tumorgewebe züchten, mit Zelltherapeutika behandeln und dann die Reaktion beobachten.
Foto: NMI

Krebs ist eine heimtückische Erkrankung. Vor allem dann, wenn er auch noch zusätzlich das Immunsystem von Patienten und Patientinnen austrickst. Doch nun hat ein deutsches Forschungsteam eine Methode entwickelt, den Krebs quasi selbst auszutricksen.

Damit können die Forschenden genau beobachten, wie das Krebsgewebe von konkret Betroffenen auf eine Therapie anspricht – und zwar in Echtzeit. Das gelingt dem Team vom NMI (Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut) in Reutlingen sowie den Universitätskliniken Tübingen und Würzburg mit der sogenannten Tumor-on-Chip-Technologie sowie der CAR-T-Zelltherapie. Beides trägt zur besseren Vorhersagbarkeit der Erfolgsaussichten einer Behandlung bei.

„Damit können wir individuell untersuchen, wie genau diese Tumorzellen auf die geplante Therapie reagieren, mit welchen Nebenwirkungen möglicherweise gerechnet werden muss und wie diese direkt verringert werden können“, beschreibt Peter Loskill, Professor an der Universität Tübingen und Gruppenleiter am NMI. Die Forschungsergebnisse hat das Team jetzt im renommierten Journal Cell Stem Cell publiziert.

So funktionieren Chip-Technologie und CAR-T-Zelltherapie bei Krebs

Für die Tumor-on-Chip-Technologie hat das Forschungsteam Gewebe eines Brustkrebstumors auf einem Chip herangezüchtet. Dabei bildeten die Forschenden die exakte dreidimensionale Mikroumgebung des Tumors. Zudem gelang es ihnen, eine Art Ersatz für die Blutgefäße auf dem Chip zu schaffen, um das Tumorgewebe künstlich mit Blut zu „versorgen“. Doch sie nutzten diese Versorgungsleitung auch, um den Krebszellen die CAR-T-Zellen zuzuführen, die für die Therapie so wichtig sind.

Wenn Krebsgewebe die Immunabwehr täuscht, können die menschlichen T-Zellen, eine spezielle Art der weißen Blutkörperchen, körperfremde Strukturen wie den Krebs nicht mehr erkennen und zerstören. Für die CAR-T-Zelltherapie werden nun die T-Zellen aus dem Blut der Betroffenen isoliert und anschließend im Labor gentechnisch so verändert, dass sie von den Krebszellen nicht ausgetrickst werden können. So erhalten sie ihre Fähigkeit zurück, die gefährlichen Krebszellen spezifisch zu erkennen.

„Die Tumor-on-Chip-Technologie gibt uns die Möglichkeit, Zellen zu beobachten, die aus genau dem Tumor stammen, den wir bekämpfen wollen“, beschreibt Wissenschaftler Tengku-Ibrahim Maulana von der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen. „Das heißt, wir können sehen, wie der Tumor der Patientin auf die CAR-T-Zelltherapie reagiert und zusätzlich, wie Medikamente im Fall eines Zytokinsturmes wirken.“

Warum ein Zytokinsturm so gefährlich ist

In dem Moment, wo die veränderten T-Zellen auf Tumorgewebe stoßen, setzen sie sogenannte Zytokine frei. Dies sind Botenstoffe, die andere Zellen an den Ort des Geschehens locken sollen. Allerdings kann diese Zytokinausschüttung auch regelrecht eskalieren. Fachleute sprechen dann von einem Cytokine-Release-Syndrome (CRS) oder auch „Zytokinsturm“. Dann reagieren die Betroffenen mit Entzündungen im ganzen Körper, die mit Fieber, Schüttelfrost und Übelkeit einhergehen, manchmal aber auch sogar zu Organversagen führen. Mediziner haben also großes Interesse daran, diese erhöhte Zytokinausschüttung von vornherein auszuschließen. Mit der neuen Chip-Technologie kann dies gelingen.

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