Bitkom: Wie Digitalisierung den Klimaschutz voranbringen kann
Mithilfe digitaler Technologien ließen sich 24 % der bis 2030 in Deutschland nötigen Senkung der CO2-Emissionen umsetzen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Unternehmensberatung Accenture im Auftrag des Digitalbranchenverbands Bitkom. Eine Einordnung.
Die Digitalisierung könnte dazu beitragen, in Deutschland 16 % bis 24 % der geplanten Senkungen bei den Treibhausgasemissionen bis 2030 zu realisieren. Das ist das Ergebnis einer Studie, die der IT- und Digitalbranchenverband Bitkom bei der Unternehmensberatung Accenture in Auftrag gegeben hat. Wichtig: Das sind Nettozahlen. Digitalisierung kann helfen, CO2-Emissionen zu senken, verursacht aber ja auch selbst CO2-Emissionen, die bei den Nettozahlen schon eingepreist sind. Bezugsjahr für die Studie ist 2023.
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In Zahlen: Von 2022 bis 2030 möchte die Bundesregierung 308 Mio. t an jährlichen CO2-Äquivalenten einsparen: 2022 lagen die Emissionen bei 746 Mio. t, 2030 sollen sie bei 438 Mio. t liegen. Und die obere Einsparmöglichkeit von 24 % entspricht 72,7 Mio. t der 308 Mio. t an CO2-Einsparungen bis 2030. Die untere Grenze von 16 % sind 49,5 Mio. t. Accenture untersucht dabei zwei verschiedene Digitalisierungstempi, durch die diese beiden Grenzen zustande kommen:
- Eine Standarddigitalisierung, bei der sich die Marktdurchdringung digitaler Technologien in Deutschland wie bisher bzw. wie bis 2030 geplant fortsetzt. In diesem Szenario kommen die 16 % weniger an CO2-Emissionen zustande. So etwas nennt man auch BAU für „Business-As-Usual“.
- Eine beschleunigte Digitalisierung, bei der Unternehmen, öffentliche Institutionen oder Privatpersonen über das BAU-Szenario hinausgehen. „Hinausgehen“ heißt hier, wie Digitalisierung in weltweit führenden Staaten und Unternehmen passiert und ein beschleunigter Zeitrahmen: Marktreife und Marktdurchdringungen digitaler Technologen erfolgen schneller und intensiver. Da kommt die Studie auf besagte 24 % der erforderlichen CO2-Verringerung bis 2030.
Schnellere Digitalisierung in Deutschland nutzt Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz
Sollte die Digitalisierung schneller voranschreiten als bisher, ergäbe sich „ ein schöner Doppeleffekt von Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz“, so Bitkom-Vizepräsidentin Christina Raab. Nötig und schön wäre beides. Dass Deutschland international nicht die Speerspitze bei der Digitalisierung ist und Aufholbedarf hat, beklagt der Bitkom schon seit Jahren. Allein im Energiesektor ist die sich Jahre lang hinziehende Einführung digitaler Stromzähler (Smart Meter) ein Beispiel dafür, wie das Land auf einem wichtigen Feld kontinuierlich den Anschluss verliert. Insofern erscheint ein BAU-Szenario bei der Digitalisierung derzeit realistischer, auch wenn fast ein Viertel der nötigen CO2-Einsparungen möglich sein sollte.
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Die zweite Unterscheidung macht Accenture dabei, wie denn die Senkung von Treibhausgasemissionen generell in Deutschland vorankommt. Die Studie nennt das „Projektion“:
- Projektion 1: Hohe CO2-Emissionen; ist ein BAU-Szenario auf Basis der CO2-Emissionen und der Entwicklung des Energiemixes der letzten fünf Jahre. Sinken die CO2-Emissionen so wie hier angenommen, dann ergeben sich für die Standarddigitalisierung immerhin noch 43 Mio. t an CO2-Einsparungen, das wären 14 % der geforderten CO2-Senkung bis 2030. Bei einer beschleunigten Digitalisierung wären es 20 % (62 Mio. t) – also immer noch ein Fünftel der geforderten CO2-Absenkung.
- Projektion 2: Mittlere CO2-Emissionen; nimmt einfach den Mittelwert der Ergebnisse von Projektion 1 und 3. Es ist die Projektion, für die die 16 % beziehungsweise 24 % des CO2-Sparziels bis 2030 errechnet wurden.
- Projektion 3 arbeitet damit, dass 85 % des deutschen Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Energien gedeckt werden können. Entsprechend wäre der Klimaeffekt der Digitalisierung hier größer: 26 % (80 Mio. t) bei beschleunigter Digitalisierung und 17 % (53 Mio. t) bei der Standarddigitalisierung.
Die Digitalisierung selbst würde bis 2030 je nach Betrachtung zwischen 0,8 Mio. t an CO2-Emissionen (BAU-Szenarien für Treibhausgasemission und Digitalisierung) und 6 Mio. t (beschleunigte Digitalisierung und Projektion 3) verursachen.
Wo lassen sich mit Digitalisierung die größten Effekte beim Klimaschutz erzielen?
Fünf Sektoren wurden eingehender betrachtet: Energie, Gebäude, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft. Dabei ist die Energiewirtschaft immer noch der Sektor mit den größten Treibhausgasemissionen. Von den knapp 750 Mio. t an CO2-Äquivalenten an Treibhausgasen, die Deutschland laut den neuesten Zahlen des Umweltbundesamts 2022 insgesamt emittierte, entfielen 257 Mio. t auf die Energiewirtschaft. 2010 kam die Energiewirtschaft noch auf 371 Mio. t – ein Rückgang also um 31 %.
Wo aber bringt die Digitalisierung am meisten? Absolut betrachtet immer bei der Energie – weil es eben der Sektor mit der höchsten Treibhausgasemission ist. Aber mehr als bisher ohnehin geplant zu digitalisieren, bringt relativ gesehen nur unwesentlich mehr: Bei der Standarddigitalisierung würden sich 8 % der geplanten CO2-Einsparungen bis 2030 durch die Digitalisierung im Bereich Energie ergeben. Würde man die Digitalisierung beschleunigen, wären es 8,6 %.
Relativ gesehen profitieren Industrie und Verkehr jedoch beim Klimaschutz am meisten von einer größeren Digitalisierung: Eine BAU-Digitalisierung würde bei der Industrie zu 1,8 % an den CO2-Einsparungen führen, vor allem durch weitergehende Automatisierung und die stringentere Einführung digitaler Zwillinge. Beim Verkehr sind es 1,1 % beziehungsweise 3 %, vor allem durch Car- und Ridesharing sowie smarte Routen- und Frachtoptimierung.