Datenrettung von Flash-Speichern ist knifflig und kostspielig
Wie eine Festplatte weist ein Flash-Medium wie etwa eine Solid State Disk (SSD) einen Controller-Chip mit eigener Firmware und einer logischen Zuordnungstabelle sowie mehrere Memory-Chips auf, die wichtige interne Daten speichern. Jede dieser Komponenten kann einen Defekt erleiden – z. B. durch Schadsoftware, Überspannung oder Abnutzung. Je nach Typ (siehe Kasten) halten auch die eigentlichen Flash-Chips unterschiedlich lange.
Flash-Speicher: Technologien und Lebensdauer
-Nand: Der nach der Logik seines Floating Gate sogenannte Nand-Speicher eignet sich für große Speichervolumina. Die kleinste Blockgröße beträgt 16 KByte. Sein Platzbedarf entspricht etwa 2/5 des Platzbedarfs einer Nor-Speicherzelle.
-Nor: Nor-Flash wird v. a. zur Speicherung von Boot-Programmcode bzw. der Firmware eines Geräts verwendet. NOR-Flash-Speicher sind für rund 100 000 Schreib- und Löschzyklen geeignet.
-Die Lebensdauer der verschiedenen Flash-Medien ist gemäß aktuellen Herstellerangaben sehr unterschiedlich:
-SLC – Single Level Cell: 100 000 Schreibzyklen
-MLC – Multi Level Cell: 5000 Schreibzyklen
-eMLC – Enterprise MLC: 30 000 Schreibzyklen
-TLC – Triple Level Cell: 1000 Schreibzyklen
-Die Formel lautet: Lebensdauer = Flash-Kapazität x Qualitätsfaktor/Schreibdatenrate. Beispiel: Kapazität 10 TByte, Qualitätsfaktor 30 000 (vgl. eMLC), Schreibrate 1 GByte/s ergibt 10 TByte x 30 000: 0,001 TByte/s = 9,5 Jahre.
-TLC wird beispielsweise in USB-Sticks verbaut. Fast alle SSDs weisen MLC-Chips auf, deren Lebensdauer aber nur ein 1/20 des Typs SLC beträgt.
– Erst beim Typ eMLC sieht etwa der Hersteller IBM eine Haltbarkeit sichergestellt, die sechsfach über der von MLCs liegt und damit industriellen Ansprüchen genügt. mima
Quelle: Wikipedia
Flash-Medien bestehen aus Speicherchips à 4, 8, 16, 32 und seit Neuestem auch 64 GByte Kapazität. Eine Flash-Zelle z. B. beim Nand-Flash-Typ MLC (Multi Level Cell) kann 2 bit speichern. Sie ist ein modifizierter Feldeffekttransistor (Mosfet) mit einer zusätzlichen Elektrode, dem sogenannten Floating Gate, erklärt Sebastian Krause, Vice President, Global Storage Sales bei IBM.
Krause: „Bei Schreibzyklen muss das Floating Gate bei jedem Schreibzugriff einmal entladen werden. Dazu wird die Ladung durch eine Oxidschicht gepresst, die eigentlich dazu da ist, die Ladung nicht abfließen zu lassen. Diesen Ladungspressvorgang halten die Oxidschichten nicht unbegrenzt aus und gehen in der Regel nach einer bestimmten Anzahl von Schreibzyklen kaputt.“ Manche, etwa ein TLC, halten nur 1000 Schreibzyklen lang.
Für private Zwecke wie die MP3-Speicherung auf einem USB-Stick mag das genügen, aber die Industrie benötigt bessere Qualität. Und da SSDs mittlerweile aufgrund ihrer hohen Performance in Hochleistungsservern verbaut werden, dienen sie auch als Speicher für wertvolle Daten, etwa von Kunden. Zur Datensicherung dienen natürlich primär regelmäßige Backups. Aber das reicht nicht immer aus, bei einem plötzlich auftretenden Defekt sind also auch andere Methoden gefragt.
Hochqualitative SSDs mit den Nand-Flash-Typen eMLC und SLC erlauben eine von Haus aus große Zahl von Schreibzyklen und verfügen zusätzlich über eigene Mechanismen, um systemintern Fehler zu vermeiden oder auszugleichen. Aber irgendwann zeigt auch die beste Hardware Defekte. Was ist z. B., wenn der Controller ausfällt, wie dies prinzipiell bei jedem Typ passieren kann?
Bei solch einem Ausfall sieht der österreichische Dienstleister Attingo nach den Worten seines Geschäftsführers Nicolas Ehrschwendner gute Voraussetzungen, ein eigenes Verfahren anzuwenden, „bei dem wir die Speicherchips von der SSD oder dem CompactFlash-Medium entlöten und mit spezieller Hardware auslesen.“ Danach würden die so gewonnenen Rohdaten zusammengesetzt und die Daten des Kunden extrahiert. Je nach Hardware-Defekt repariere Attingo auch bei Bedarf Lötstellen, tausche Controller-Chips aus oder repariere über geheime Herstellerbefehle die Firmware.
Besonders knifflig macht die Datenrettung der Umstand, dass die SSD-Hersteller sogenannte „Wear Levelling“-Algorithmen einsetzen. „Der Controller verteilt hierbei die Schreibvorgänge dergestalt, dass alle NAND-Speicherzellen etwa gleich häufig beschrieben werden, um die Belastung zu reduzieren“, erläutert Conrad Heinicke von CBLtech in Kaiserslautern. „Die Zuordnung der physikalischen Speicheradresse zur logischen Sektornummer wird ausschließlich in der SSD gespeichert und ist von außen nicht ersichtlich.“
Die Algorithmen für diese Zuordnung sind meist streng geheim und variieren von Modell zu Modell, von Serie zu Serie, von Hersteller zu Hersteller. In der Datenrettung folgt daraus, dass die logische Rekonstruktion von Dateien aus den auf dem ganzen Datenträger verteilten Fragmenten langwierig sein kann. Manchmal hilft nur Reverse-Engineering durch eine kompetente Forschungsabteilung, also die Nachkonstruktion der ursprünglichen Konstruktionselemente.
Wenn hingegen der Memory-Chip, der die Speicherverwaltung steuert, kaputtgeht, sei keine Rettung mehr möglich, gibt Peter Böhret, Managing Director beim Datenretter Kroll Ontrack, an. Er rät auch dringend vom Einsatz von Self-encrypting Drives (SEDs) ab, denn den Schlüssel für diese Verschlüsselung gibt der jeweilige Hersteller nicht heraus, und dann sei ebenfalls nichts mehr zu retten. Böhret empfiehlt den Einsatz einer eigenen Verschlüsselungssoftware von Tag eins des Betriebs an.
„Die nach Aufwand berechneten Preise für die Datenrettung von einer einzelnen SSD bewegen sich derzeit meist im Bereich zwischen 1000 € und 4000 €“, gibt Conrad Heinicke an. Es wäre also klug, schon bei der Auswahl des Flash-Typs auf lange Lebensdauer zu achten.