Die Cloud aus der offenen Quelle
Cloud-Lösungen auf Open-Source-Basis überzeugen durch Sicherheit, Transparenz und Nachhaltigkeit. Auch Bundesbehörden erkennen nun die Vorteile.
Systeme und Anwendungen mit offenem Quellcode sind für IT-Anwender interessant, die höchsten Wert auf die Kontrollierbarkeit ihrer Systeme legen. So etwa auch für die Bundesverwaltung, die sich kürzlich für die Open-Source-Lösung Nextcloud als eigene Cloud-Umgebung entschieden hat. Rund 300 000 Anwender aus verschiedenen Ministerien und Behörden werden über den Dienst arbeiten.
In einem bundeseigenen Rechenzentrum wird die Nextcloud-Software direkt gehostet und gepflegt. Das Data Center wird vom zentralen IT-Dienstleister der Bundesverwaltung, dem Informationszentrum Bund (ITZBund), betrieben. Die Stuttgarter Nextcloud GmbH wird das ITZBund beim Betrieb und Support unterstützen.
Die Lizenzkosten bei diesem Modell basieren nicht auf der Anzahl der Anwender oder der verwendeten Endgeräte, sondern auf der Dienstleistung von Nextcloud, die langfristig planbare Updates oder einen frühzeitigen Zugriff auf Sicherheitspatches garantiert. Nextcloud verspricht u. a. einen „vollständigen Lifecycle-Support mit bis zu 15 Jahren Sicherheits- und Stabilitätsfixes“.
Auch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) setzt schon seit Jahren auf Open Source. Die Bundesbehörde mit 750 Mitarbeitern an neun Standorten arbeitete zunächst lange mit einer individuell konfigurierten Lösung verschiedener Systeme. Der Wartungsaufwand stieg und das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten wurde immer anspruchsvoller – insbesondere im Hinblick auf die steigenden Compliance-Anforderungen seitens der IT-Sicherheit und des Datenschutzes
Das BfS beschloss daher, die Serverinfrastruktur auf den Linux-basierten Univention Corporate Server (UCS) umzustellen. Dies ermöglichte eine einheitliche Verwaltung der dezentralen IT-Infrastruktur an den Standorten des Bundesamts und die Integration mobiler Mitarbeitergeräte. Der Dienstleister Univention pflegt die Software – unterstützt werden dabei auch Windows- Desktops und behördliche Fachanwendungen. Der ehemalige IT-Leiter des BfS, Christian Werner, erklärt, dass das wichtig gewesen sei, „weil wir so die Vorteile, die eine Linux-Serverlösung bietet, nutzen können und gleichzeitig bei unseren Mitarbeitern auf eine hohe Akzeptanz stoßen, da sie weiterhin ihre gewohnten Windows-Dienste und -Clients nutzen können“.
Eine hohe Ausfallsicherheit war ein weiteres Entscheidungskriterium für das BfS. Der Datenaustausch zwischen den auf die Standorte verteilten Replikaten des Verzeichnisdienstes ist so organisiert, dass jeder Server als lokaler Anmelde- und Verwaltungsserver funktioniert, gleichzeitig als Ausfallschutz für andere Standorte dienen kann. Auch der E-Mail-Transport ist über die Groupware Open-Xchange dezentral organisiert.
Für eine sinnvolle Maßnahme hält auch Björn Schießle von der Free Software Foundation Europe, „nicht länger alle Daten in wenigen großen Datensilos aufzubewahren, sondern auf dezentrale, selbst gehostete Lösungen zu setzen“. Eine sichere und nachhaltige Cloud-Plattform sei möglich, wenn diese Lösungen aus freier Software bestehen und auf offenen Standards basieren.
Bei der Entscheidung für Open Source können auch andere Gedanken eine Rolle spielen: Die Evangelische Kirche im Rheinland hält die Beschaffung von Open-Source-Lösungen für „nachhaltig“ und „gerecht“, da die in der Kirche erarbeiteten Lösungen „allen zugutekommen“.
Die Wirtschaftlichkeit einer Open-Source-Kollaborationslösung sahen die Verantwortlichen gegeben, da sie rund 10 000 ehrenamtliche Mitarbeiter webbasiert anbinden wollten; zumal diese das IT-System nur gelegentlich und mit privaten Endgeräten nutzen. Die Evangelische Kirche entschied sich daher für die Enterprise-Version der webbasierten Kollaborationslösung Kopano und weitere Open-Source-Anwendungen. Sie bietet eine Terminabsprache über Dudle (eine freie Alternative zu Doodle) und das gemeinsame Verwalten von Dokumenten per Private Cloud in einem deutschen Rechenzentrum.
Die Herstellerunabhängigkeit ist ein wichtiges Kriterium für Klaus Lammertz, Dezernent der IT-Stabsstelle: „Wenn mein Dienstleister jetzt die Konditionen verändert oder sich die Geschäftsbedingungen ändern, kann ich mein komplettes System nehmen und bei einem anderen Dienstleister hosten.“ Peter Ganten, Vorstandsvorsitzender der Open Source Business Alliance, hält Flexibilität derzeit für ein zentrales Argument für Open Source: „Die Modulierungsfähigkeit von Systemen hat man in der Vergangenheit nicht ernst genug genommen. Man war froh, über eine Software zu verfügen, die 80 % der Anforderungen erfüllt und im Preis in etwa stimmt.“
Doch was geschieht, wenn ein Unternehmen an ein Produkt gebunden ist, mit dem der Hersteller dem Unternehmen den Geschäftsprozess praktisch vorgibt? „Wenn das nicht mehr passt, steht vielleicht wieder ein teures Migrationsprojekt an.“