Digitale Policen mischen den Markt auf
Neue Anbieter gehen mit einfachen und günstigen Produkten auf Kundenfang. Doch kampflos räumen die Platzhirsche nicht das Feld.
Die ersten rein digitalen Anbieter setzen die Preise im Markt für Kfz-Versicherungen unter Druck. Aktuell lockt etwa Friday mit Tarifen von rund 8 € pro Monat für einen VW Lupo, Schadensfreiheitsklasse 25 und einer Fahrleistung von rund 6000 km im Jahr. Das ist günstiger als die üblichen Angebote der Konkurrenz. Und der Clou: Der Vertrag ist monatlich kündbar. Angeblich können geübte Smartphone-Nutzer innerhalb von nur wenigen Minuten online eine Police abschließen. In den ersten Monaten – also von April bis Dezember 2017 – hat Friday mehr als 15 000 Verträge verkauft. „Deutlich besser als erwartet“, freut sich Gert De Winter, Vorsitzender der Konzernleitung der Baloise Group, zu der die Basler Versicherungen und damit Friday gehören.
Friday ist also kein typisches Start-up, sondern der Testballon eines etablierten Versicherers. Das gilt auch für Nexible. Diese Neugründung ist seit Oktober 2017 im Markt aktiv und gehört zur Ergo-Gruppe. Die Düsseldorfer dürften im Kfz-Geschäft einen größeren Marktanteil als Baloise/Basler haben, unter den Top Ten in Deutschland rangiert aber auch Ergo nicht. Eine Kannibalisierung im eigenen Konzern ist daher allenfalls in geringem Umfang zu erwarten. Wie Friday kommt Nexible ohne Vermittler aus. Der Vertrieb erfolgt ausschließlich über das Internet. Eigenen Angaben zufolge hatte Nexible Ende 2017 mehr als 20 000 Fahrzeuge unter Vertrag. „Das beobachtete Wachstum bestätigt, dass Nexible ein Experiment mit Potenzial ist“, sagt Geschäftsführer John-Paul Pieper.
Ein echtes Start-up ohne Konzern im Rücken ist Coya. Das Jungunternehmen mit Sitz in Berlin steht in den Startlöchern, zögert bisher allerdings noch, in den Markt einzusteigen. Zunächst bleibt es daher bei Friday und Nexible, die den Markt für Kfz-Policen aufwirbeln. Mittelfristig seien die Aussichten der digitalen Versicherer „durchaus gut“, meint Justus Lücke, Geschäftsführer der Versicherungsforen Leipzig. Die Vorteile der Neuen lägen in der Kosteneffizienz: Die Prozesse würden fast komplett digital abgebildet und die IT-Infrastruktur sei ohne Altlasten weniger pflegeintensiv.
„Diese Effekte wirken sich beim Volumenprodukt Kfz-Versicherung positiv aus“, so Lücke. Demgegenüber stünde aber der hohe Aufwand, um den eine neue Marke aufzubauen. Der Branchenkenner ist sich daher sicher: „Es ist nicht zu erwarten, dass die neuen digitalen Spieler aus dem Stegreif einen relevanten Marktanteil gewinnen.“
Kampflos werden die etablierten Anbieter das Feld nicht räumen. Die Allianz hat bereits reagiert. Neuerdings bieten die Münchener in der Autoversicherung eine radikal einfache, neue Tariffamilie an. Laut Allianz unterscheiden sich die Linien Smart, Komfort und Premium nur in der Dauer der Neu- und Kaufpreisentschädigung von zwölf, 18 oder 36 Monaten. Die in der Branche üblichen Kleinstdifferenzierungen würden entfallen. Kollisionen mit Tieren seien bereits in der günstigsten Varianten über die Teilkaskoversicherung abgedeckt. Auch Tierbisse einschließlich Folgeschäden bis zu 3000 € und Elementarschäden wären jetzt überall enthalten, wirbt die Allianz für ihr neues Angebot.
Unter Druck geraten die Platzhirsche auch aus einem anderen Grund: die steigende Nutzung von Carsharing-Angeboten. Einfaches Finden und Mieten von Fahrzeugen per Smartphone-App machen den Service attraktiv. Dazu kommt: Um die Wartung kümmert sich der Vermieter, um die Versicherung auch.
Vor diesem Hintergrund sind von den Versicherern frische Konzepte gefragt. Die Digitalanbieter jedenfalls sprühen vor Kreativität. Ein Beispiel ist das Zusatzfahrerprodukt von Friday. Nach Angaben von Christoph Samwer, Hauptbevollmächtigter bei Friday, ist der Schutz auf das Fahrzeug beschränkt und kann von einem Drittfahrer außerhalb des ansonsten versicherten Fahrerkreises zum Beispiel für einen Tag abgeschlossen werden. Weitere Produktverbesserungen habe Friday mit TankTaler, einem App-gesteuerten Fahrtenbuch, sowie mit BMW CarData realisiert.
Letzteres ist ein Service des Autobauers speziell für die Anbindung von Produkten anderer Unternehmen – wie den individualisierten Versicherungstarif von Friday auf Basis der tatsächlich gefahrenen Kilometer. BMW CarData meldet den Kilometerstand verschlüsselt über eine SIM-Karte an einen BMW-Server. Von dort bezieht Friday automatisch den Kilometerstand. Die Digitalanbieter setzen also nicht nur die Preise unter Druck, sondern kreieren ganz neue Services. Den ein oder anderen Autofahrer überzeugt das.