Glasfasern für Gigabitnetze
Hersteller und Netzbetreiber wetteifern um Glasfaserrekorde.Doch zunächst ist der Stoff, aus dem die Breitbandträume sind, echte Hightechproduktion.
Das Breitbandnetz der Zukunft muss zuverlässig große Kapazitäten und eine hohe Verfügbarkeit gewährleisten. Voraussetzung dafür ist ein flächendeckender Ausbau von Glasfasernetzen, die ebenfalls zur Anbindung von Antennen für die fünfte Mobilfunkgeneration (5G) erforderlich sind. Die Basis dafür bilden leistungsfähige Glasfaserkabel, deren Weiterentwicklung ständig vorangetrieben wird.
Glasfaserkabel haben im Vergleich zu Kupferkabeln wie Koaxialkabeln (Kabelfernsehen) oder verdrillten Doppeladern (Telefonleitung) entscheidende Vorteile. „Die Glasfaser zeichnet sich durch gute Verlegbarkeit aus, denn sie ist fast beliebig krümmbar, besitzt geringe Durchmesser und hat ein geringes Gewicht“, erklärt Dieter Eberlein, Experte für Lichtwellenleiter-Technik aus Dresden. Der geringe Signalverlust über lange Entfernungen erlaube einen großen Abstand zwischen Verstärkern. Neben einer hohen Abhörsicherheit offeriere die Glasfaser nahezu unbegrenzte Datenübertragungsraten. Und Eberlein ergänzt: „Darüber hinaus ist sie unempfindlich gegenüber elektromagnetischen Störeinflüssen. Sie kann deshalb beliebig mit anderen Versorgungsleitungen parallel verlegt werden und kennt kein Übersprechen, keine Brummschleifen oder Potenzialunterschiede.“
Grundsätzlich werden drei Glasfasertypen unterschieden: Singlemode, Multimode und Multicore. Der Manteldurchmesser misst dabei 125 µm. Singlemode-Fasern für den Einsatz in Weitverkehrsnetzen (WAN) haben zwischen 8 µm und 10 µm Kerndurchmesser und übertragen eine einzelne Mode (Schwingungsart) – als Lichtquelle dienen hochpräzise Laser. Multimode-Fasern für den Einsatz in lokalen Netzwerken (LAN) haben entweder 62,5 µm oder 50 µm Kerndurchmesser – als Lichtquelle dienen preiswerte lichtemittierende Dioden (LED). Bei der Weiterentwicklung Multicore werden in einer Glasfaser mehrere Kerne gleichzeitig untergebracht, wobei die Kerne sowohl aus Singlemode- als auch Multimode-Fasern bestehen können. Damit wird die Übertragungskapazität einer Glasfaser signifikant erhöht.
Der Siegeszug der Glasfaser begann 1970, als drei Wissenschaftler in den Labors von Corning Inc. die erste optische Glasfaser mit geringer Dämpfung für die Signalübertragung mittels Laserlicht über signifikante Entfernungen entwickelt hatten. Seitdem wetteifern Hersteller und Forschungseinrichtungen um immer schnellere Datenraten, die über eine einzelne Glasfaser übertragen werden.
2013 schafften es die Bell Labs 31 Tbit/s über eine Singlemode-Faser zu übertragen indem sie 155 Laser mit jeweils 200 Gbit/s modulierten. Im Juni dieses Jahres haben Wissenschaftler am Karlsruher Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gemeinsam mit der Schweizer École polytechnique fédérale de Lausanne unglaubliche 55 Tbit/s über eine Entfernung von 75 km übertragen.
Eine gute Grund lage für Was künftig die Multicore-Faser leisten kann, demonstrierte 2015 das japanische National Institute of Information and Communications Technology (Nict) mit den Firmen Sumitomo, Optoquest und der Yokohama National University: Auf 36 Kernen wurden 108 räumlich getrennte Kanäle erzeugt und damit die Möglichkeit zur Übertragung von 10 Petabit/s geschaffen. Das stellt eine solide Basis für das in den kommenden Jahren geradezu explodierende Datenvolumen bereit. Bei der Herstellung ultrakompakter Glasfaserkabel hält die Prysmian Group mit Sitz in Mailand eine Spitzenposition inne. Als Einzige fertigt die Firma Lichtwellenleiter mit der europäischen Technologie MCVD anstelle der üblichen amerikanischen und japanischen Verfahren.
Die Herstellung von Glasfasern erfolgt in zwei Schritten. Zuerst wird eine sogenannte Preform mittels chemischer Gasphasenabscheidung (engl: chemical vapor deposition, CVD) erzeugt, bei der es sich um einen Glasstab von typischerweise 1 m Länge und 10 mm bis 50 mm Durchmesser handelt.
Diese Preform wird in einen Ziehturm eingespannt und das Material verflüssigt. Dabei bleiben die vorgegeben Dimensionen von Kern und Mantel erhalten. Die einzelne Glasfaser hat am Ende nur noch einen Durchmesser von 125 µm.
Dann wird die Faser mit einer Acrylat-Schicht beschichtet und mit einem Schutzmantel versehen, um die Festigkeit der Faser zu erhalten, und schließlich auf Spulen aufgewickelt.
Zur Herstellung der Preform sind verschiedene Verfahren bekannt: Die älteste Methode OVD (Outside Vapor Deposition), bei der auf der Außenfläche eines sich drehenden Glasstabs eine andere Glassorte mit anderem Brechungsindex aus dem heißen, gasförmigen Zustand kondensiert, wurde von Corning patentiert.
Bei IVD (Inside Vapor Deposition) wird ein Glasrohr horizontal in eine Drehbank eingespannt und rotiert langsam. Am Ende des Rohrs werden verschiedene Gase mit Sauerstoff injiziert. Durch die Reaktion entstehen Kieselsäure- oder Germaniumpartikel. Findet die Reaktion in der Gasphase im gesamten Rohr statt, spricht man von MCVD (Modified Chemical Vapor Deposition). An diesem Verfahren hält die Prysmian Group Patente.
Bei der axialen Gasphasenabscheidung VAD (Vapor Axial Deposition) wird das Glas an der Stirnseite eines rotierenden massiven Stabs abgeschieden. Mit diesem Verfahren kann gewissermaßen eine endlose Preform erzeugt werden, was die Herstellung besonders langer Fasern ermöglicht. gk
Rekordverdächtig sei, so erläutert Philippe Vanhille, Manager im Geschäftsbereich Telecom Business, das Kabel mit 2112 Fasern mit einer Dichte von 4,7 Fasern/mm2 (marktüblich sind ein bis zwei Fasern/mm2), das in Leerrohre mit 28 mm Innendurchmesser verlegt werden kann. Hinzu käme eine spezielle Technik, die das Verlegen erleichtere. „Das Kabel wurde erstmals bei dem australischen Netzbetreiber TPG installiert.“ Vanhille ist stolz: „Die Installation auf einem 1,8 km langen Teilstück in Melbourne konnte an nur einem Tag durchgeführt werden, einschließlich der Spleißarbeiten an beiden Enden.“
In Moldawien habe der wichtigste private Netzbetreiber aufgrund geringer Kabelabmessungen 16 % der jährlichen Mietkosten für Leerrohre eingespart. Einer der größten Netzbetreiber, verrät Vanhille, konnte die Investitionskosten um bis zu 20 % senken, weil ein einfacher Zugang zu einzelnen Adern für Abzweigungen bestand sowie Spleißkassetten mit geringeren Abmessungen eingesetzt werden konnten.
Ein wichtiges Thema der Italiener ist die Verbindung von Telekommunikation und Energie in einem Kabel. Hier treibt Prysmian die Verbindung von Daten- und Stromnetzen mit der Entwicklung von Hybridkabeln industrieweit voran. Vanhille weiß genau: „Es geht nicht nur um Gigabits sondern auch um zuverlässige Netzwerke, geringe Laufzeiten und Spitzenbandbreiten.“