Messe Euroshop 2020 18. Feb 2020 Von Jens D. Billerbeck Lesezeit: ca. 3 Minuten

Handel profitiert von künstlicher Intelligenz

Vorausschauende Analysen und dynamische Preisgestaltung sind die zwei Kernanwendungsgebiete von künstlicher Intelligenz im Handel. Das belegt ein Whitepaper von EHI und Microsoft, das auf der Messe Euroshop vorgestellt wurde.

Sprachgesteuerte Assistenten sind ein beispiel für die Anwendung künstlicher Intelligenz im Einzelhandel.
Foto: Messe Düsseldorf / ctillmann

Das EHI Retail Institute und Microsoft haben in den vergangenen beiden Jahren umfassende Untersuchungen zum Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) im Handel durchgeführt und diese anlässlich der Messe Euroshop mit einem neuen Whitepaper komplettiert. Dazu wurden Tiefeninterviews mit den IT-Verantwortlichen großer deutscher Handelsunternehmen aus den Bereichen Lebensmittel, Mode, Do-it-Yourself und Konsumelektronik durchgeführt. Weit mehr als die Hälfte beabsichtigt demnach, KI zur vorausschauenden Analyse einzusetzen.

Handel hat Potenzial von KI erkannt

Die Voraussetzungen dafür sind mittlerweile gegeben, denn die Digitalisierung im Einzelhandel ist weit vorangeschritten, entsprechende Investitionen wurden in den vergangenen Jahren getätigt. „Der Handel hat das große Potenzial von KI zweifellos erkannt“, ist sich Xenia Giese sicher. Sie ist bei Microsoft Deutschland Spezialistin für den Bereich Handel und Co-Autorin des Papiers.

Gerade in der KI-gestützten Analyse großer Datenmengen sieht der Handel großes Potenzial. Dabei geht es vor allem um die vorausschauende Untersuchung von Abverkäufen und Bestandsveränderungen und die sich daraus ableitenden Auswirkungen auf die Warenverteilung und -platzierung im Geschäft.

Gezielte Investitionen nötig

Giese: „Für die Einführung KI-gesteuerter Lösungen sind jedoch noch gezielte Investitionen nötig.“ Gefragt seien vor allem smarte Anwendungen, die solche großen und diversen Datenmengen in echte Erkenntnisse über das Kundenverhalten übersetzen. „Zu bedenken ist jedoch, dass sich KI nur dann rechnet, wenn sie möglichst breit – idealerweise über mehrere Prozesse hinweg – eingesetzt wird.“

Giese nannte auf der Euroshop drei Beispiele, bei denen KI-Methoden bereits nutzbringend eingesetzt werden. So hat die dänische Handelskette Bestseller mit einem intelligenten zentralen Transaktions- und Bestandsmanagement nicht nur den Schwund an Waren in seinen Filialen minimieren können, sie hat auch Erkenntnisse gewonnen, wo dieser Schwund aufgetreten ist.

Keine Personenerkennung

Beim britischen Kaufhaus Marks & Spencer werden die in den Läden bereits vorhandenen Überwachungskameras genutzt, um beispielsweise die Wege zu analysieren, die Kunden im Laden zurücklegen und so den Warenbestand optimal zu positionieren. Auch die Reaktion des Personals auf Kundenaktionen könne so optimiert werden. Giese betont in diesem Kontext, dass mit diesen Anwendungen keine Erkennung konkreter Personen verbunden ist.

Ein anderes Beispiel brachte die Managerin aus einem H&M-Geschäft in New York mit nach Düsseldorf: Dort gibt es Displays, die Kundinnen und Kunden ihr Spiegelbild per Selfie zeigen. Dank natürlicher Sprachverarbeitung kommunizieren sie verbal mit den Kunden und sprechen diese auch aktiv an. So kann der Spiegel Empfehlungen aussprechen und sogar persönliche Rabatte gewähren, wenn Waren aufgrund dieser Empfehlung gekauft werden. Das diene vor allem der Kundenbindung und wird laut Giese begeistert angenommen.

Preise dynamisch anpassen

Personalisierte Rabatte wie bei H&M sind das eine, dynamische Preisgestaltung ein verwandtes Gebiet, bei dem künftig KI zum Einsatz kommen kann. An Tankstellen ist es ja mittlerweile normal, dass der Benzinpreis über den Tagesverlauf gleich mehrfach geändert wird. Eine solche dynamische Entwicklung erwarten die Experten im Einzelhandel nicht. Denn nicht jede Branche bringe dafür die notwendigen Voraussetzungen mit. Dazu gehören z. B. digitale Preisschilder, die zentral gesteuert solche Preisveränderungen für den Kunden sichtbar umsetzen können.

Es gibt Handelsunternehmen, die der dynamischen, KI-gesteuerten Preisgestaltung offen gegenüberstehen, weil sie sich dadurch besser in der Lage sehen, mit dem Onlinehandel in Wettbewerb zu treten. Allerdings weisen EHI und Microsoft darauf hin, dass es auch ablehnende Meinungen zur dynamischen Preisgestaltung gibt, weil Händler fürchten, ihre Kunden zu verunsichern oder gar zu verärgern.

KI erzielt konkrete Mehrwerte

Weitere Anwendungsbeispiele von KI zeigen in dem Whitepaper auf, dass es sich nicht mehr nur um Ideen bzw. Pilotanwendungen handelt, sondern bereits konkrete Mehrwerte durch KI erzielt werden können. Giese weist darauf hin, dass idealerweise der unternehmensweite Einsatz von KI gewählt werden sollte. „Denn nur auf breiter Basis der unternehmenseigenen Daten und Prozesse lassen sich die Vorteile von KI realisieren und das notwendige Investment entsprechend gewinnbringend einsetzen.“ Und Giese weiß, wovon sie spricht, denn natürlich wendet Microsoft seine Methoden auch in den eigenen Geschäften an. Davon allerdings gibt es zwar bereits 83 in den USA, aber erst eines in Europa: in London.

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