Merkel fordert mehr Tempo in Digitalisierung
Auf dem Digitalgipfel, der in diesem Jahr vollständig im Netz abgehalten wurde, forderte die Bundeskanzlerin mehr digitales Tempo – von Wirtschaft und Politik.
Für Angela Merkel war es heute der letzte Digitalgipfel, den sie als Bundeskanzlerin besuchte. Der Exponaterundgang, die Diskussion mit Achim Berg, Präsident des Branchenverbands Bitkom – all das wird es 2021 beim nächsten großen IT-Treff von Politik und Wirtschaft nicht mehr geben.
Die Kanzlerin genoss das virtuelle Bad in der Branche und machte dennoch ihre Forderungen klar: So mahnte sie mehr Tempo beim digitalen Wandel in Deutschland an. Die Geschwindigkeit sei ein Riesenproblem, sagte Merkel am Dienstagnachmittag. „Die Dringlichkeit wird in vielen Bereichen noch immer nicht ausreichend erkannt.“ Alles ändere sich – das zeige nicht zuletzt die Coronakrise. Und „Bummelletzter“, wie es Merkel formuliert, dürfe Deutschland nicht sein.
Bitkom-Präsident ärgern lange Genehmigungsverfahren
Auch ihrem Gesprächspartner Berg geht vieles hierzulande viel zu langsam. Beispielsweise die Genehmigung von Mobilfunkstationen, die im Durchschnitt 18 Monate braucht. Ihn ärgere aber auch sehr, dass man bei Bildung und Verwaltung nicht weiterkomme in Deutschland, sagte der Bitkom-Präsident.
Big Data und der Datenschutz
Beide wissen, dass die Digitalisierung von großen Datenmengen hierzulande bei manchen Anwendungen in den Kinderschuhen steckt. Doch während Berg das Thema Datenschutz, das bei der Nutzung von Big Data immer wieder eine wichtige Rolle spiele, kritisch sieht, verlangt Merkel eher nach eine Debatte in Deutschland. Der Datenschutz betreffe auch die kommenden Corona-Impfungen. „Wie finde ich heraus, wer eigentlich zur vulnerablen Gruppe gehört?“, fragte die Kanzlerin. Daten von Krankenversicherungen dürfe man nicht verwenden, um zu erkennen, wer Vorerkrankungen hätte. Außerdem seien im Gesundheits-, aber auch im öffentlichen Bereich zu wenig Daten digitalisiert.
Merkel für dezentrale Corona-Warn-App
Merkel verteidigte den datenschutzfreundlichen, dezentralen Ansatz der deutschen Corona-Warn-App. In Frankreich, wo es einen zentralen Ansatz gebe, wäre die App kaum akzeptiert. „Die App lebt davon, dass möglichst viele Menschen mitmachen.“ Auch Modelle wie die in Südkorea, wo GPS-Daten von allen Einwohnern ausgewertet werden und alle, die in einem Radius von 450 m seien, in Quarantäne geschickt würden, stellen für die Bundeskanzlerin keine Alternative dar. „Das entspricht nicht meinem Menschenbild. Das ist nicht unser Gesellschaftsbild.“
Es sei aber sinnvoll, die deutsche App zu erweitern. „Und immer wieder updaten!“, sagte die Kanzlerin schmunzelnd. Demnächst werde es eine freiwillige Datenspendefunktion geben. „Vielleicht spenden dann ja auch viele Menschen die Daten, die wir für die Forschung brauchen.“
Ein autonomes Auto im Jahr 2030
Und wie sieht die Welt im Jahr 2030 aus? Das fragte Moderatorin Miriam Meckel, Professorin für Kommunikationsmanagement. In zehn Jahren hofft Berg auf eine breitbandige Infrastruktur, bessere Angebote in der Bildung und Verwaltung. Bis zum Jahr 2030 würden sich digitale Anwendungen noch stärker durchsetzen, glaubt Merkel. Sie hoffe, dass mit neuen Techniken sich die Anbindung an Zuhause noch besser realisieren lasse. Das sei heute noch sehr den Eliten vorbehalten. In zehn Jahren dürfte das ein Massenphänomen sein. Die Bundeskanzlerin hofft aber auch auf einen anderen, intelligenteren Umgang mit sozialen Medien. „Da wird heute noch zu viel Zeit verplempert.“
Und als Abschluss wünscht sich Merkel ein „autonomes Fahrzeug“. Wenn sie 2030 dann 76 Jahre alt sei und sich auf dem Land bewegen wolle, dann würde sie das gerne damit tun. Die Bundeskanzlerin und der Bitkom-Präsident wissen beide, dass dann auch die Heimat Merkels in Mecklenburg-Vorpommern eine gute digitale Infrastruktur braucht.